Unter «Familienpastoral» wird üblicherweise das kirchliche – professionelle – Handeln an und für Familien verstanden. Pastorale Versorgungsprofis auf der einen und empfangende Familien auf der anderen Seite sucht man in der Pfarrei Maria Lourdes in Zürich-Seebach jedoch vergebens. Nicht hier der Hirte und dort die Schafe, vielmehr eine Herde, in der alle zugleich Hirten sind.
Leben, was uns wertvoll ist
In der Pfarrei Maria Lourdes möchten wir nicht Werte vermitteln, sondern in Gemeinschaft mit anderen das leben, woran wir als Christen unser Herz hängen. Vieles, was uns im Familienleben wertvoll ist, finden wir in der Bibel und in der Pfarrei wieder. Etwa, dass jeder gleich viel zählt. Auch dass man aufeinander achtgibt, die Bedürfnisse der anderen wahrnimmt, Hilfe anbietet und annimmt. Dass wir Anteil nehmen am Leben anderer und Anteil geben an unserem. Gerecht ist in Familien nicht, wenn alle das Gleiche beitragen und erhalten, sondern das ihnen Entsprechende. So möchten Menschen der Pfarrei Maria Lourdes auch Kirche leben, wenn beispielsweise beim Pfarreifest keine Preise vorgegeben werden, sondern alle eingeladen sind zu geben, was sie wollen und können.
Befreiende Zugehörigkeit
Das Leben der Menschen in der Pfarrei spielt sich an den verschiedensten Orten ab. Etwa im Park, auf Spielplätzen, in Wohnquartieren, Gemeinschaftszentren und Wohnungen, bei der Arbeit und ja, auch im Pfarreizentrum und in der Kirche. Weil Glauben und Leben nicht getrennt werden können, ist es wichtig, dass unsere Pfarrei an all diesen Orten erfahrbar wird durch Präsenz und Anteilnahme. Manchmal sind es persönliche Begegnungen, zum Beispiel beim offenen Spiel bei den Stadtgeissen, beim Pizzaverteilen im Rahmen von «Love in Action», beim Jesus-Geschichten-Erzählen im Quartier. Manchmal sind die Menschen in der Pfarrei verbunden im Gebet, zum Beispiel innerhalb der Kleinen Christlichen Gemeinschaften. Manchmal medial, etwa in einer WhatsApp-Gruppe zur Fastenzeit oder über die Sommerferien.
Vielfältige Formen und Wege ermöglichen Verbundenheit innerhalb der Pfarrei so, wie es die Menschen gerade brauchen. Wenn mit kleinen Kindern die Tage lang, die Nächte kurz sind, der Bewegungsradius knapp bemessen ist, sind Textnachrichten auch mal näher am Leben als Vortragsabende und Gottesdienste. Menschen in der Pfarrei Maria Lourdes möchten in Beziehung bleiben. Mal in körperlicher Nähe, mal über grosse Distanz. Mal hört und sieht man sich oft, mal lange Zeit nicht. Wie das funktioniert, lässt sich von Familien lernen. Selbst wenn die eigenen Kinder sich lange nicht melden, vielleicht in ferne Länder ziehen und ihren eigenen Weg gehen, ihr Platz in der Familie ist ihnen sicher. So soll es in der Pfarrei sein.
Als Familie Messe feiern
Maria Lourdes ist anders. Dies liegt nicht in einer höheren Professionalität, mit der Menschen und im Speziellen Familien umsorgt werden. Nicht in besonders zielgruppenorientiert gestalteten Liturgien. Sie liegt in der Haltung, die hindert, unter Familienpastoral das Handeln an Familien zu verstehen. Eine Haltung, die alle einlädt, staunend und neugierig miteinander zu entdecken, wie es gelingen kann, als Pfarrei einander Familie zu sein. Nicht Kirche für Familien, sondern Kirche als Familie. Deshalb feiern wir jeden Sonntag Familienmesse. Nicht als Messe für Familien, sondern als Familie.
Wenn es gelingt, einander als Bruder und Schwester zu begegnen, stehen alle Menschen in ihren vielfältigen Lebensformen und mit ihren Bedürfnissen im Zentrum. Da kracht es auch mal. Da gibt es Missverständnisse, auch Enttäuschungen bleiben nicht aus. Verletzungen? Natürlich! Wo Nähe ist, fehlen sie nie. Von Familien lässt sich Versöhnung lernen, die daraus erwächst, dass Zugehörigkeit bedingungslos ist.