Familienpastoral als Schwerpunkt

30. Interdiözesane Koordination

An der 30. Tagung der Interdiözesanen Koordination (IKO), die am 7. und 8. November 2014 in der Kartause Ittingen stattfand, nahmen 30 Personen teil. Es waren Delegierte aus den diözesanen und kantonalen Seelsorgeräten der Schweiz, Vertreter und Vertreterinnen der Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz sowie der Fachstellen Partnerschaft, Ehe und Familie. Das Thema "die Familie" der Bischofssynode von Rom stand im Vordergrund der Tagung. Am Samstag trugen verschiedene Fachpersonen mit ihren Referaten und Ateliers zu einer multiperspektivischen Auseinandersetzung mit dem Thema bei. Der Freitagmorgen war reserviert für den alljährlichen Austausch über die Aktivitäten in den Seelsorgeräten. Seitens der Seelsorgeräte und der anwesenden Vertreter der Pastoralkommission wurde die Wichtigkeit einer jährlichen Zusammenkunft in Form einer Tagung mit Nachdruck betont.

Die Resultate der Online-Umfrage

In seinem Impulsreferat präsentierte Dr. Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts in St. Gallen (SPI), die Resultate der online- Umfrage "Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral in der katholischen Kirche". Die Umfrage, die sich an alle Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz richtete, sollte die von Papst Franziskus angeordnete weltweite Befragung der Bistümer und damit der Seelsorgenden und Fachpersonen ergänzen. Das Präsidium der Schweizer Bischofskonferenz zielte mit seinem zweiteiligen Verfahren auf eine Bestandesaufnahme der Erfahrungen, Einschätzungen und Positionen auf allen Ebenen der Kirche in der Schweiz. Die Resonanz war überwältigend, innerhalb von wenigen Wochen gingen am SPI, das die Umfrage durchführte und auswertete, 25 000 Antworten ein.

Der Online-Fragebogen, der vornehmlich von kirchennahen Personen ausgefüllt wurde, hatte einen Lebensnerv der Menschen getroffen. Die Analyseresultate können wie folgt zusammengefasst werden: Männer und Frauen, Alte und Junge wünschen sich eine religiöse Gestaltung dieses wichtigen Lebensbereichs sowie eine verständnisvolle Begleitung durch die Kirche. Sie halten nicht nur die kirchliche Hochzeit für wichtig, sie möchten auch ihre Kinder christlich erziehen. Doch ihre grundsätzliche Offenheit für Glaube und Kirche geht nicht automatisch einher mit einer kritiklosen Zustimmung zur kirchlichen Lehre. Zwar gibt die Mehrheit der Befragten an, die inhaltlichen Positionen der Kirche im Bereich Partnerschaft, Ehe und Familie zu kennen, doch bedeutet dies nicht, dass sie diese Positionen auch teilen bzw. in der Praxis umsetzen.

Grosses Unverständnis zeigt sich gegenüber der offiziellen Lehre, geschiedene Wiederverheiratete nicht zu den Sakramenten zuzulassen. Aber auch in Fragen der Schwangerschaftsverhütung und des "probeweisen" Zusammenlebens vor der Ehe distanziert man sich mehrheitlich von den lehramtlichen Verboten. Bezüglich der Frage nach einer kirchlichen Anerkennung und Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften hingegen gehen die Meinungen auseinander. In vielen Belangen betrachten die Befragten die Lehre der Kirche als unzeitgemäss, unglaubwürdig und wenig hilfreich. Manchmal wird auch mit Bedauern festgestellt, dass die Kirche gerade in Zeiten von Krisen oft nicht als Unterstützung erlebt wird. Nichtsdestotrotz wird aber auch Positives berichtet. So machen Menschen im Bereich Partnerschaft, Ehe und Familie auch gute Erfahrungen mit der Kirche. Geschätzt werden insbesondere die Weiterbildungs- und Beratungsangebote.

Neben der Weitergabe von Werten ist auch Unterstützung nötig

Die anschliessenden Ateliers nahmen diesen Faden auf. Es ging um die Arbeit der Fachstellen Partnerschaft, Ehe und Familie, die mit ihren Angeboten in den Lebensalltag der Menschen hineinsprechen und wirken. Die beiden Stellenleitenden aus St. Gallen und Visp, Madeleine Winterhalter und Martin Blatter, vermochten deutlich zu machen, dass es sich hier beim Thema Partnerschaft, Ehe und Familie nicht um ein Spezialthema, sondern um ein Querschnittthema der Seelsorge handelt und dass sich die Kirche nicht mit dem Propagieren von Werten begnügen darf. Sie muss konkrete Unterstützung anbieten, damit diese Werte im Alltag umgesetzt werden können. Durch die Präsentation der vielfältigen Angebote der Fachstellen zeigte sich den Zuhörenden eine initiative Kirche, die dann ihr Potenzial ausschöpfen kann, wenn sie die Erfahrungen und Bedürfnisse der Menschen wahrnimmt und zeitgemäss darauf reagiert.

Die Ateliers brachten die Praxis zurück ins Gespräch, worüber die Teilnehmenden ganz froh waren. In der Schlussrunde tauschten sie sich über die Angebote in den eigenen Pfarreien und Seelsorgeräumen aus und zeigten sich gegenseitig inspiriert. Erfreulicherweise kam es in den Ateliers zu einem intensiven Austausch zwischen der Deutschschweiz und der Romandie und einer Absichtserklärung, die Sprachregionen im Bereich der Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral intensiver zu vernetzen.

Direktinformationen aus Rom

Am Abend ergänzte Bischof Markus Büchel mit seinem Bericht von der Bischofssynode in Rom das bereits Gehörte und Diskutierte. Mit Nachdruck hob er nochmals die Wichtigkeit und Dringlichkeit des Themas hervor. Familie betreffe und präge jedes Menschenleben, deshalb müsse sie auch für die Kirche eine zentrale Rolle spielen. Seine Erfahrungen und Beobachtungen deckten sich im Wesentlichen mit den Beobachtungen, die zuvor für die Schweiz gemacht worden waren. Die Dialogbereitschaft des Papstes zeigte sich auch an der Synode. Er ermutigte die Teilnehmer zu Offenheit und Transparenz, was eine Diskussion möglich machte, in der die Probleme angesprochen und kontrovers diskutiert werden konnten. Wenn sich die Bischöfe auch in manchen Fragen nicht einigen konnten, so schärften die Beratungen doch wohl bei allen den Blick für die unterschiedlichen Herausforderungen der Kirche auf den verschiedenen Kontinenten, betonte Bischof Markus. Zwar konnte er noch keine konkreten Resultate vorlegen, jedoch zeigte er sich optimistisch für den weiteren Verlauf des Prozesses. Die Zeit bis zum zweiten Teil der Synode im nächsten Jahr gelte es zu nutzen. Der Papst habe den Bischofskonferenzen auf der ganzen Welt den klaren Auftrag erteilt, an allen Themen weiterzuarbeiten. Die Delegierten der Seelsorgeräte waren dankbar für die sachlichen Information, die praktischen Beispiele und die Diskussionsmöglichkeiten rund um das Thema "Partnerschaft, Ehe und Familie". Sie schätzten auch die Vielfalt der Zugänge, repräsentiert durch die drei Referenten und die Referentin. Viele gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Signale des Papstes die Kirche zu weiteren Schritten hin zu den Menschen befähigen werde.

Die Arbeit der Seelsorgeräte

Wie immer bildete an der Tagung der IKO der Austausch über die Arbeit der Seelsorgeräte in den verschiedenen Diözesen, Kantonen und Sprachregionen einen Schwerpunkt der Begegnung. Dr. Eva Baumann- Neuhaus vom Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut präsentierte am Samstag einen Überblick über die zentralen Themen und Aktivitäten, welche die Seelsorgeräte im vergangenen Jahr beschäftigt hatten. Die wohl grundlegendste Frage, mit der sich die Seelsorgeräte auseinandergesetzt haben und weiter auseinandersetzen werden, ist: Wie kann Kirche in Zeiten des Wandels zukunftsfähig gestaltet werden? Die Seelsorgeräte der Kantone Zug und Zürich haben dazu Tagungen veranstaltet, denn "Zukunft geschieht nicht einfach so, sie wird durch die Menschen aktiv mitgestaltet". Sie machten damit deutlich, dass es Anstrengungen, aber auch Kreativität und Mut braucht, um neues Terrain zu beschreiten und die eigenen Prioritäten immer wieder zu überdenken.

Natürlich waren auch die sich verändernden Strukturen in den Pastoralräumen und die damit verbundenen Veränderungen in den Seelsorgeberufen ein omnipräsentes Thema in den Räten. In Luzern, St. Gallen, Zürich, Freiburg, Genf und in der Waadt war man sich nicht nur darüber einig, dass man Erfahrungen machen und daraus lernen müsse. Man machte sich auch konkrete Gedanken über die neuen Herausforderungen der Seelsorgeteams, die es für ihre Arbeit optimal auszurüsten gelte.

Weil aber Kirche alle betrifft, fordert sie auch zunehmend alle. Deshalb gelte es, Freiwilligenarbeit aktiv zu fördern, sichtbar zu machen und anzuerkennen. Viele Seelsorgeräte waren diesbezüglich äusserst aktiv und innovativ, etwa mit Wettbewerben und Prämierungen von zukunftsfähigen Projekten. In diesem Zusammenhang wies Eva Baumann-Neuhaus auf das Projekt "Neuland" des Bistums St. Gallen hin. Das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut begleitet die Prozesse der Restrukturierung im Bistum über die kommenden drei Jahre pastoralsoziologisch und pastoraltheologisch. Neben der Prozessreflexion soll auch der Austausch zwischen Bistümern der Deutschschweiz gefördert werden, die von den in St. Gallen gemachten Erfahrungen profitieren können. Doch Kirche ist mehr als Strukturen und Rollenkonzepte. Darüber, was Kirche ausmacht, über den Grund des Kirche-Seins, wurde in den Seelsorgeräten auch nachgedacht: Die Spiritualität, der eigene Glaube als Grundlage einer kommunizierenden und handelnden Kirche kam vor allem an Tagungen und Retraiten ins Blickfeld: "Was glaubst du?" (Schwyz), "Gott ist anders" (Luzern).

Kirche braucht Gemeinschaft

Glaube braucht Gemeinschaft. Ein Thema, das gerade in einer Zeit beschäftigt, in der die Menschen sich zwar gerne als spirituell bezeichnen, sich aber nicht mehr dauerhaft binden wollen. Kirchliche Gemeinschaft, wie sie einst gelebt wurde, entspricht vielen heutzutage nicht mehr. Kirche muss zunehmend vielfältig anschlussfähig sein. Sie muss Kirche am Ort, Kirche als Netzwerk, Kirche auf Dauer und Kirche auf Zeit sein, und sie muss offen bleiben für die Verschiedenheit der Menschen. Wie kirchliche Gemeinschaft heute aussehen und gelebt werden kann, auch am Sonntag, wurde in den Seelsorgeräten Zürich, Jura, Freiburg, Deutschfreiburg und der Waadt thematisiert. Mit dem Modell der "kleinen christlichen Gemeinschaften" wird sich Luzern im kommenden Jahr befassen.

Wer von Gemeinschaft spricht muss auch von Diakonie und Solidarität sprechen, denn gerade die Benachteiligten und Armen in unserer Gesellschaft und in der Welt brauchen die Zuwendung der Kirche. In Zug wurde über Ansprechpersonen für Behinderte und ihre Angehörigen in den Pfarreien nachgedacht. In Zürich engagierte man sich im Rahmen der Flüchtlingstage für die Bootsflüchtlinge, und in der Waadt sollen Begegnungsräume für Menschen in Not geschaffen werden. Natürlich war auch das Thema "Partnerschaft, Ehe und Familie" bei vielen Seelsorgeräten auf der Agenda. Man beschäftigte sich einerseits mit den Resultaten der Umfrage und überlegte anderseits, wie die Kirche auf die konkreten Realitäten der Menschen reagieren kann. Ein langer Weg steht noch bevor, doch man zeigte sich bereit, Schritte auf die Menschen hin zu wagen.

Die Themen Jugend und Migration

Eine zukunftsfähige Kirche ist angewiesen auf die jungen Generationen. Sie muss sich Gedanken machen darüber, was sie zu deren Beheimatung beitragen kann. Aus den Berichten der Seelsorgeräte aus dem Oberwallis, Deutschfreiburg, Luzern, Schwyz, Zürich und der Waadt wird klar, dass sich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht allein auf diese selbst konzentrieren darf. Eine gelingende und nachhaltige Katechese und Jugendpastoral muss die ganze Familie im Blick behalten. Migration ist eine gesellschaftliche und kirchliche Realität. Wie sich diese Realität in der katholischen Kirche auswirkt bzw. wie die Kirche auf struktureller, sozialer und inhaltlichtheologischer Ebene mit dieser Realität umgehen soll, war Thema in der Waadt und im Jura. Immer ging es um Überlegungen, wie Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sprache und auch Frömmigkeitsstile eine Kirche des Miteinanders leben können, sei es über die bestehenden Strukturen der Missionen oder in Form einer integrativen Pastoral. Der Seelsorgerat des Kantons Jura nennt als Schwerpunkt seiner Arbeit auch die Begräbnisseelsorge. Er freut sich über das Resultat eines langjährigen Prozesses, die Publikation einer Handreichung für die Praxis.

Die meisten Seelsorgeräte widmeten sich in den vergangenen Monaten dem Thema Kommunikation und bearbeiteten dieses auf unterschiedliche Weise. Dabei ging es einerseits um die Kommunikation der Kirche in die Gesellschaft hinein, d. h. um eine bessere Sichtbarkeit der Kirche in der Öffentlichkeit. Andererseits beschäftigten sich viele Räte mit der Frage der Kommunikation nach innen, sei es in den Pfarreien und Seelsorgeeinheiten, sei es zwischen den verschiedenen Funktionsebenen der Kirche. Die besprochenen Themen reichten vom Internetauftritt der Pfarreien und Seelsorgeeinheiten über Medienschulungen für Mitarbeitende bis zur Teilnahme an Messen und öffentlichen Veranstaltungen. Last but not least beschäftigten interne Veränderungen die Seelsorgeräte. Neben Wechseln in den Präsidien war auch die Nachwuchsfrage auf der Agenda. In Basel und im Tessin hatten die internen Veränderungen und Übergangssituationen dazu geführt, dass die Räte keinen Bericht über ihre Tätigkeiten abgeben konnten.

Das Programm der 30. Versammlung der IKO wurde umrahmt von einer eindrücklich und gemeinschaftlich gestalteten Eucharistiefeier mit Bischof Markus Büchel und von einer Führung durch die Kartause Ittingen. Letztere zeigte auf eindrückliche Art und Weise, wie im ehemaligen Kloster heute klösterliche Werte wie Kultur, Spiritualität, Bildung, Fürsorge und Gastfreundschaft miteinander verbunden und in die Gegenwart hineingetragen werden. Ein wunderschöner und geeigneter Ort für die IKO, die hier nicht nur ihr Jubiläum feierte, sondern sich auch Gedanken darüber machte, wie die Kirche in ihrer ganzen Vielfalt für die Menschen heute bedeutungsvoll bleiben kann. 

 

 

Eva Baumann-Neuhaus

Eva Baumann-Neuhaus

Dr. Eva Baumann-Neuhaus ist seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am SPI. Zudem ist sie Sekretärin des Kirchlichen Frauenrats der Schweizer Bischofskonferenz.