«Es war eine Fahrt ins Blaue»

Die Geschichte des Klosters Einsiedeln im ausgehenden 18. Jahrhundert ist Gegenstand von Pater Thomas Fässlers ausgezeichneter Dissertation, die nun als packendes Buch vorliegt.

P. Dr. Thomas Fässler (Jg. 1984) schloss seine Dissertation im März 2018 bei Prof. Dr. André Holenstein an der Philosophisch-historischen Fakultät der Uni Bern ab. Dort erwarb er zuvor den Master in Geschichte und Latein. 2006 trat er ins Kloster Einsiedeln ein, nachdem er in Freiburg ein Bachelorstudium in Geschichte und Latein absolviert hatte. (Bild: Detta Kälin).

 

SKZ: Sie sind Benediktiner und haben über Ihr Kloster eine Dissertation resp. ein Buch geschrieben. Wie kamen Sie auf die Idee dazu und worum geht es?
Thomas Fässler: Gegen Ende meines Masterstudiums in Geschichte fragte mich Abt Urban, was ich von der Idee halte, eine Dissertation zu verfassen. Ich stimmte gerne zu, wobei mir klar war, dass es etwas aus der reichen Geschichte unseres Klosters sein musste. Zum Thema «die Auseinandersetzung der Einsiedler Mönche mit den Ideen der Spätaufklärung sowie ihre Reaktion auf die Französische Revolution, samt deren vielfältigen Auswirkungen auf die Innerschweiz und speziell auf das Kloster Einsiedeln» kam ich über eine Bemerkung von Pater Rudolf Henggeler, einem Einsiedler Historiker. Vor fast hundert Jahren schrieb er, dass die Einsiedler Mönche auf der einen Seite ab 1796 bewusst keine neuen Novizen mehr aufgenommen hätten, weil sie geahnt hätten, was schon bald an Umbrüchen auf das Kloster zukommen würde. Auf der anderen Seite aber hätten sie kaum etwas von den Klosterschätzen weggeführt, sodass diese schliesslich fast alle in die Hände der Franzosen gefallen seien. Für mich zeigte dieses Verhalten einen Widerspruch, dem ich nachgehen wollte.

Hätten Sie gedacht, dass Sie etwas so Wichtiges aufdecken würden, dass Ihr Verleger schreibt, dass die Geschichte umgeschrieben werden müsse?
Für mich war der Beginn meines Dissertationsprojekts eine Fahrt ins Blaue, ohne dass ich genau wusste, was mich erwarten würde. Spannend ist, dass ich genau in jenem Bereich, über den man am meisten zu wissen meinte, nämlich dass die Einsiedler Mönche eine dezidiert antiaufklärerische Haltung eingenommen hätten, auf die grössten Überraschungen stiess: Während meiner Recherchen zeigte sich immer deutlicher, dass eine ganze Reihe von Konventualen positiv gegenüber verschiedenen Postulaten der Aufklärung eingestellt war, diese rezipierte und sich selbst – etwa im Bereich des Volksschulwesens – aktiv zeigte. Darauf spielt wohl der Verlag an, wie auch auf verschiedene weitere Ergebnisse meiner Arbeit, etwa auf die enge Vernetzung eines Innerschweizer Klosters mit halb Europa oder den Versuch des Abtes, den Kaiser in Wien für eine militärische Intervention auf Schweizer Boden zur Abwehr der heranrückenden Franzosen zu gewinnen. Gerade diese letzte Geschichte hat man bisher unter den Tisch gekehrt.

Für wen ist Ihr Buch besonders geeignet?
Für alle, die Interesse an Geschichte haben und in eine spannende Zeit eintauchen wollen. Zeitweilig lese sich das Buch, so höre ich immer wieder, wie ein Krimi. Ich habe das Buch bewusst für ein breites Publikum geschrieben, sodass es auch für solche verständlich ist, die keine grossen geschichtlichen Vorkenntnisse mitbringen. Verschiedene Rückmeldungen zeigen, dass mir dies offenbar gelungen ist.

Gab es Reaktionen?
Ja, sehr viele. Sie zeugen von einem grossen Interesse an dem, worüber ich gearbeitet habe. Denn ich gebe zu: Während des Schreibens dachte ich zwischendurch schon, ob sich denn all die Stunden wirklich lohnen für ein Buch, das letztlich nur in einem Regal verstaubt. Jetzt aber weiss ich: Das Buch wird tatsächlich gelesen, wobei wir innerhalb kürzester Zeit einen Nachdruck besorgen mussten, der auch schon bald wieder ausverkauft sein wird.

Was hat Ihnen Ihr Dissertationsprojekt persönlich gebracht?
Ich habe gelernt, mit Geduld und Ausdauer an einem grösseren Projekt dranzubleiben, auch wenn es zwischendurch mit der Motivation nicht so einfach war. Zudem hatte ich über die Dissertation die Gelegenheit, an Orte wie das Geheimarchiv des Vatikans zu gelangen und viele spannende Menschen zu treffen, mit denen ich seither in Freundschaft verbunden bin.

Interview: Brigitte Burri

 

Buch: «Aufbruch und Widerstand. Das Kloster Einsiedeln im Spannungsfeld von Barock, Aufklärung und Revolution». Von Thomas Fässler. Egg 2019. ISBN: 978-3-906812-04-5, CHF 48.--, www.thesisverlag.ch oder www.klosterladen-einsiedeln.ch

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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