Der Weg der Synodalität

 

Der schlimmste Moment für eine Regierung sei dann gegeben, wenn sie sich verbessere: Dieses Wort von Alexis de Tocqueville wandte der Jesuit Michel de Certeau 1969 auf Entwicklungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil an. Seine Diagnose: Wenn erkennbar wird, dass Menschen die Erklärungen in Richtung Beteiligung und Mitsprache ernst nehmen, weckt dies Widerstand gegen die Umsetzung.

Das Prinzip Synodalität basiert auf dem Bild eines gemeinsamen Weges (syn-odos). Nun kommt das Wort Gemeinschaft in kirchlicher Sprache überdurchschnittlich häufig vor. Gemeinschaftliche Wege wurden häufig gegangen, nicht selten auch beschworen. Was also ist innovativ bei der gegenwärtigen Rede von «synodalem Vorgehen»? Was bringt Papst Franziskus dazu, in der Synodalität das zu sehen, «was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet»? Ist es der Übergang von den Prinzipien zum Handeln, die Entschlossenheit zur Umsetzung?

Das ekklesiologische Programm von Papst Franziskus (ablesbar an der Rede zur 50-Jahr-Feier der Bischofssynode 2015) präzisiert die von sich her unscharfen Begriffe kollegial und synodal. Unter das Stichwort Kollegialität fallen die Beziehungen zwischen den Bischöfen als Vertretern ihrer Ortskirchen und ihre gemeinsame Verantwortung für die Leitung der Gesamtkirche. Diese Beziehungen können auch synodal genannt werden, doch trägt Papst Franziskus in das Konzept der Synodalität das ganze Volk Gottes ein. «Eine ganz und gar synodale Kirche» realisiert sich erst, wenn alle Glieder des Volkes Gottes eine aktive Rolle spielen können.

Dies ist auf allen Ebenen umzusetzen. Blosses Starren nach Rom genügt nicht. Die in der Schweiz relevanten Ebenen sind Pfarrei, Bistum(sregion) und Bischofskonferenz. Franziskus mahnt die Reifung der vom Kirchenrecht vorgesehenen, aber noch nicht ausgereiften Instrumente an. Sind Bischöfe, Pfarrer und Gemeindeleiter bereit, den Räten mehr effektive Mitspracherechte zu geben? Gelingt es, Formen synodaler Jugendpastoral zu entwickeln?

Beratungs- und Entscheidungsprozesse werden dadurch komplexer. Die «Regierung» der von inneren Skandalen geschüttelten Kirche aber verbessert sich, wenn allen Gliedern die Ausübung ihres prophetischen und königlichen Amtes zugetraut wird. Es braucht die vielen Stimmen, um die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums zu deuten.

Certeaus Diagnose, dass der neuralgische Punkt im Übergang von den Prinzipien zum Handeln liegt, findet ein Echo in den Worten von Papst Franziskus: «Gemeinsam voranzugehen – Laien, Hirten und der Bischof von Rom –, ist ein Konzept, das sich leicht in Worte fassen lässt, aber nicht so leicht umzusetzen ist.» Die synodalen Prozesse, auch wenn sie (nach Auffassung vieler) zu spät beginnen, werden Zeit brauchen und Beharrlichkeit verlangen.

Eva-Maria Faber*

 

* Prof. Dr. Eva-Maria Faber (Jg. 1964) ist seit dem Jahr 2000 Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie sowie seit 2015 Prorektorin an der Theologischen Hochschule Chur.