SKZ: Was hat Sie bewogen, Ihre Aufsätze und Vorträge neu herauszugeben?
Peter Henrici: Zwei Verlage traten an mich heran; der eine wollte Texte von mir, der andere ein autobiografisches Interview. Da schien es mir am sinnvollsten, einige meiner alten, teilweise unveröffentlichten Sachen durchzusehen, sie zu überarbeiten und gesammelt herauszugeben.
Sie erzählen in Ihrem Buch von Begegnungen mit Konzilstheologen und -vätern. Welche Anstösse des Konzils wären heute wegweisend für unsere Kirche?
Das Konzil sollte eine grosse geistliche Reform der Kirche einleiten. Das ist nur teilweise gelungen, wegen vieler andersartiger Erwartungen, die an das Konzil herangetragen wurden, und wegen der Bruchstelle des Jahres 1968. Doch es ist noch nicht zu spät, die Reform wiederaufzunehmen. Ich sehe zwei Hauptpunkte. Einerseits das Anliegen der Liturgiereform: das «Paschamysterium», das Geheimnis des Todes und der Auferstehung Jesu, in die Mitte nicht nur der Liturgie, sondern des ganzen christlichen Lebens zu stellen. Hier könnten gerade die seltener werdenden Eucharistiefeiern beitragen. Die Eucharistie ist dann nicht mehr eine selbstverständliche Routine, sondern ein wertvolles, seltenes Geschenk, für das man sich Zeit nimmt und für das es sich lohnt, auch einen weiten Weg zu gehen. Zwischen den seltener werdenden Eucharistiefeiern lebt die Gemeinde vom Wort Gottes, dem zweiten gros- sen Vermächtnis des Konzils. Das Hören auf das Wort Gottes stand im Hintergrund der ganzen Konzilsarbeit, wurde aber erst gegen Ende ausdrücklich thematisiert. In allen kirchlichen, aber auch persönlichen Belangen sollen wir uns in erster Linie vom Wort Gottes leiten lassen. Das wird unsere eigenen Ansichten oft in Frage stellen, aber auch zu Neuem, Unerhörtem anspornen. Vor allem aber sollte das heimliche Leitmotiv des Konzils «für eine dienende und arme Kirche» auch zum offiziellen Leitmotiv für jede Pfarrei werden. Diese Reformvorschläge sind keine Träumereien. Die zahlreichen vor, während und nach dem Konzil entstandenen neuen Gruppen und Gemeinschaften bemühen sich, etwas davon zu verwirklichen.
Welche Herausforderungen stellen die Massenmedien an die Kirche?
Die Medienlandschaft hat sich zwar grundlegend verändert, doch es bleibt unerlässlich, dass die Kirche auch in den Medien beständig und glaubwürdig präsent ist. Glaubwürdig ist sie dann, wenn sich ihre eigene innerkirchliche Kommunikation als ehrlich und glaubwürdig zeigt. Das stellt für alle kirchlichen Akteure eine grosse und beständige Herausforderung dar. Hypokrisie (Schauspielerei mit Maske) darf es keinesfalls geben. Doch daneben und noch davor spielt sich die Kommunikation heute vor allem in den Gruppenmedien ab. Das fordert jeden einzelnen Christen und in erster Linie die Jungen ganz persönlich heraus, nach bestem Wissen und Gewissen christliche Gehalte in die Gruppenkommunikation einzubringen und Unchristliches zu verwerfen.
Was erhoffen Sie sich vom neuen Bischof des Bistums Chur?
Ich erhoffe mir vom neuen Bischof, dass er über eine so grosse persönliche Autorität verfügt, dass alle Bistumsteile, auch die Administrationsgebiete, ihn als ihren Bischof anerkennen. Vielleicht gelingt es ihm dann auch, die 200-jährige Ungereimtheit zu bereinigen, dass weitaus der grösste Teil des Bistums nur Administrationsgebiet ist. Diese Gebiete müssten in geeigneter Weise in das Bistum Chur(-Zürich) eingegliedert werden, indem ein Weihbischof in Zürich wohnt und es dort auch eine Konkathedrale gibt. Bis zur Reformation wohnte jeweils ein Weihbischof des Bischofs von Konstanz in Zürich und der Konstanzer Bischof musste sein erstes Pontifikalamt in Zürich feiern.
Interview: SKZ