Engagiert als Hirte

Pastoralassistent Hans Hüppi blickt auf seine Tätigkeit in der Pfarrei- und Spezialseelsorge.

Nach 35 Jahren Pfarreiseelsorge habe ich mich immer für Strukturänderungen in unserer Kirche engagiert, heute mehr mit Taten als mit Worten. Ich bin überzeugt: Die Kirche Jesu Christi braucht Frauen und Männer, die als Hauptamtliche in verschiedenen Bereichen als SeelsorgerInnen für den Aufbau und die Erneuerung (Aggiornamento) der Gemeinschaft tätig sind.

Leben fördernde Strukturen?

Leider ist die unselige Klerus-Laien-Spaltung noch immer nicht überwunden. Vielleicht ist der Priestermangel ein Fingerzeig Gottes, um die Gleichwertigkeit aller Menschen auch in den Berufungen und Berufen wahr zu machen: "Ihr (alle) seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen." (Kol 3,12). Die wortreiche Verteidigung des festgefahrenen Amtsverständnisses wirkt so komisch, dass vermutlich nur eine ermutigende geistreiche Praxis vor Ort weiterhilft, wie sie Papst Franziskus da und dort anmahnt. Denn die Blockade in Bischofskonferenzen und im Vatikan lähmt den ordentlichen Weg der Kirchen-Erneuerung.

Haben wir in der Kirche tatsächlich keine anderen Probleme als das Priester-Amt abzugrenzen? Das kirchliche Amt muss ein Dienst an den Mitmenschen sein und kann nicht nur für zölibatäre Männer existieren. "Keiner darf sich zugunsten des einen und zum Nachteil des andern wichtigmachen." (1 Kor 4,6) Die meisten Gläubigen sehen das auch so. Ich erfahre diese Offenheit gegenüber festgefahrenen Strukturen gerade als Spitalseelsorger: Da wird man auch als Pastoralassistent, sogar von Kirchenfernen, mit "Herr Pfarrer" angesprochen. Ist das falsch?

Als PastoralassistentInnen nehmen wir, besonders in der Deutschschweiz, schon lange und zunehmend priesterliche Dienste wahr, und zwar nicht aus einem laienhaften Minderwertigkeitsgefühl heraus. Vielmehr ermöglichten dies der Priestermangel und noch viel mehr die eigene göttliche Berufung, damit Gottes Geistkraft auch durch nicht-geweihte SeelsorgerInnen ausstrahlen kann: Im Gebet, im Zuhören, im Nachfragen, im Aushalten, im Nahe-sein, im Schweigen, im Grosszügigsein (Barmherzigkeit), im Zeithaben, im Sakrament, im Feiern, im Hinterfragen …

Gelingendes Beispiel

In unserem Seelsorgeteam – einer Seelsorgeeinheit mit fünf Pfarreien – weht ein guter Wind, da wir uns gegenseitig wertschätzen und gelten lassen. Uns eint ein offenes Kirchenbild, und wir ziehen am gleichen Strick. Alle freuen sich, wenn jedeR ihre/seine Fähigkeiten einbringt, wenn dem Einzelnen etwas gut gelingt und so zu lebendigen Pfarreien beiträgt. Zerstörerische Kräfte wie Neid, Überheblichkeit, Rosinenpicken von Priestern und Laien, Prestige- Gerangel, hierarchische Disziplinierungsmassnahmen usw. haben in unserer Seelsorgeeinheit Gott sei Dank keinen Platz. Wir nehmen uns in aller Verschiedenheit als gleichwertige SeelsorgerInnen wahr. Das schätzt das Volk Gottes, auch wenn die regelmässigen gemeinsamen Feiern – über die Pfarreigrenzen hinweg – noch nicht immer zu begeistern vermögen.

Solches Zusammenspannen als einander wohlwollendes Team empfinde ich wirklich als Chance für die Entfaltung eines nicht-klerikalisierten Amtes der Zukunft. Mir schiene es geradezu unchristlich, die Zeichen der Zeit zu verkennen und künftig lediglich verheiratete Männer zu weihen und die Frauen – also die Mehrzahl der kirchlich Engagierten – weiterhin vom priesterlichen Amt auszuschliessen. Alle von Gott geschenkten Charismen darf, ja muss die Kirche nutzen: "Macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig, dass ihr nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei tut." (Phil 2, 2–3a)

Unterscheidung der Geister

In unseren Kirchen geschieht auch heute viel Gutes. Doch jede Zeit hat ihre Verlockungen und gerade eine finanziell reiche Kirche droht die Jesuanische Schlichtheit zu verlieren, vielleicht auch die ökologische Bescheidenheit: Gottesdienste leben nicht von 15-seitigen Programmabläufen. Zunehmende Bürokratisierung belebt die Kirchen nicht.

Viel entscheidender ist die eigene Begeisterung für die Sache Jesu und der persönliche Einsatz mit andern für das, was uns selber trägt und herausfordert. "Wir wissen, dass kein Mensch ins Recht gesetzt wird durch vorschriftsmässige Erfüllung der Gesetzesverordnung, sondern nur durch die Treue zu Jesus Christus." (Gal 2,16)

JedeR von uns ist persönlich aufgerufen, mutig Schritte zu wagen und sich nicht frustriert klein machen zu lassen in der Meinung, andere müssten vorangehen. Darum versuche ich, "in vorauseilendem Gehorsam" das jetzt schon zu tun, wozu mich die Frohbotschaft Jesu und die Geistkraft des Himmels, aber auch die Bedürfnisse der Menschen, anstiften. So wird die göttliche Liebe weiter neue Kreise ziehen.

Hans Hüppi

Hans Hüppi ist Pastoralassistent und Spitalseelsorger in der Spitalregion III (Linth) im Bistum St. Gallen