Endlich gleichberechtigt Priesterin sein?

Jacqueline Straub plädiert kenntnisreich und herausfordernd für den gleichberechtigten Zugang von Frauen zum Priesteramt in der röm.-kath. Kirche. Es sei dies keine Frage der Macht, sondern des Herzens.1

Ihre Berufung zur Priesterin bewegt J. Straub zum «streitbaren Dialog». Sie glaubt an das «Veränderungspotenzial der Kirche» (9) und legt in zehn Kapiteln die aktuelle Diskussion über die Gleichstellung der Geschlechter in der Institution Kirche vor.

Frühes Christentum pluralistisch

Ursprünglich beeinflussen Frauen die Einstellung von Jesus, wie an der Begegnung mit der Samariterin (Jo 4) sichtbar wird. Ihr kommt eine «hervorragende Rolle in der Verkündigung» (13) zu wie auch der Apostelin Maria Magdalena als «Schlüsselfigur des Christentums» (17). Auf «praktische Umsetzung» drängt dann der von Paulus Männern und Frauen zugesprochene «gleiche Status» in ihrer gemeinsamen Gemeindeerfahrung (19 f.). Byzantinisch bekam durch ihre Weihe zur Diakonin die Frau gar eine «gewisse» Macht in der Eucharistie (23). Straub schliesst daraus, dass das frühe Christentum noch «pluralistisch und funktional bestimmt» ist. Zwar lehnte das Konzil von Nicäa 325 n. Chr. Diakoninnen im sakramentalen Amt deutlich ab, jenes von Chalcedon 451 n. Chr. aber erwähnte ihre Ordination.

Die Leitung der Hauskirchen (Ehepaar Priska und Aquila) spiegelte das «geschwisterliche Prinzip», eingeschlossen das Predigen und Lehren. Doch im Zuge der Anpassung an die griechisch-römische Gesellschaft wurde den Frauen auf Dauer verunmöglicht, was der Leitsatz des Paulus – da ist nicht mehr männlich noch weiblich – mit der Gleichstellung der Geschlechter angezielt hatte. Dennoch diskutierte man über die Rolle der Frau bei der Darbringung von Brot und Wein (28 f.).

Rollenbilder

Noch war von Paulus her die Gleichheit der Geschlechter im «neuen Sein in Christus» (30) begründet. Junia erhielt ihre Sonderstellung, Priscilla war Wegweiserin für Paulus. J. Straub holt sich Sukkurs aus den motivgeschichtlichen Forschungen von Yves Congar (Anm. 18) und folgert, dass dem Mann nicht Autorität über die Frau zugeschrieben sei. Er sei «ihre Quelle» – bildhaft für «Haupt», nicht im Sinne von Herrscher. Paulus sei sich «auch bewusst, dass in der Schöpfung Mann und Frau die gleiche Autorität, den gleichen Segen und die gleiche Beziehung zu Gott erhalten haben» (34). 1 Kor 11, 11 f relativiert die patriarchale Auffassung. Beide Geschlechter sind aufeinander angewiesen und stammen von Gott.

Erst mit den Pastoralbriefen schwand die Geschlechtergleichheit. In den Gemeinden nahmen die «männerzentrierten Vorstellungen» (39) an Einfluss zu. Tertullian berichtete über «freche» Frauen, die «lehrten» und «tauften», und Augustinus reduzierte die Frau auf ihre Leiblichkeit (41 f.). Thomas v. Aquin erklärte sie «rundum minderwertig» (44). Ihre «Andersartigkeit» (45) ist bis heute Argument gegen ihre Amtsfähigkeit. Dagegen betont Straub, dass in Irland Frauen bis ins 7. Jhd. als Priesterinnen und Bischöfinnen rechtlich gleichgestellt waren (48) und 1970 in der Untergrundkirche der Tschechoslowakei der pastoralen Not mit der Weihe von Priesterinnen begegnet wurde.2

Soziallehre und Kirchenrecht zur Frauenfrage

Massstab kirchlicher Soziallehre ist die «menschliche Person» (52). Aufgrund der Anerkennung der Menschenrechte (Pacem in terris 1963) kam es zur «grundsätzlichen Anerkennung der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Mann und Frau» (53), die im Konzil bestätigt wurde. GS 29 verbietet jede Diskriminierung (54). Somit hat der Weiheausschluss ekklesiologisch wenig Argumente. Er wird jedoch durch die kirchliche Rechtsprechung verhindert (can. 1024 u. 274 §1). Straub sieht darin eine «Doppelmoral» (55). Leitend sein müsste die mit LG 32 postulierte gleiche Würde und in DH 2 bestätigte Menschenwürde, ja das «Recht der Person» (56 f.). Von der Kirche fordert die Autorin die «gründliche Revision» des Frauenbildes und nicht weniger als «eine Revolution der Humanität» (61). Es sei «wirklich bedauerlich, dass das Gleichheitspostulat» des Konzils «keine rechtliche Umsetzung erfahren hat» (64 ff.).3 Die Sakramente zu «empfangen» (can. 213), hätten alle Gläubigen das Recht, nicht aber beide Geschlechter im Fall der Priesterweihe (can. 1024). Wer sich als Frau berufen fühlt, sieht sich strukturell benachteiligt und diskriminiert – «eklatant» schon im Falle des Lektorats und Akolythats (can. 230 §2). Nicht nur, weil das Priestertum eine soziologische Realität und damit menschliches Recht (66) sei, könne die Zulassung von Frauen erlaubt werden. Dafür plädierte Bischof Reinhold Stecher ebenso, wie Richard Puza (Anm. 46) festhielt, dass der aus dem CIC 1917 (can. 968) übernommene can. 1024 «einzig die Taufe» als «notwendige Voraussetzung für die Weihe» (67) sieht.4 Darum moniert Straub mit Bezug auf die Menschenrechte, die Kirche müsse die fehlende Gleichberechtigung «um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen» auflösen und die Personenwürde achten. Auch habe das Geschlecht als Ausschlusskriterium (70) Ungleichheit und Diskriminierung zur Folge: «Der Weiheausschluss der Frau ist nicht tolerierbar», es braucht «vertiefte theologische Reflexionen» und eine Reform des Amts- und Weiheverständnisses (71 f.) Darum wäre ein Grundrecht in der Kirche wichtig, um fehlende Gleichstellung und Geschlechtergleichheit nicht zuletzt in den «ekklesial-sakramentalen Aufgaben» (74) aufzuheben.

Inter insigniores – Ordinatio sacerdotalis

Zwei päpstliche Lehrschreiben begrenzen die adäquate Diskussion über die Amtsfähigkeit von Frauen. Paul VI. 1975 nahm für Inter insigniores Vorschläge aus der Bibelkommission zur Weihefähigkeit nicht auf (79). Straub sieht darum mit W. Beinert «die Frau in ihrer Gnade» beschnitten, «die sie durch das Sakrament der Weihe erhalten würde» (82). Im Diskurs um die Befähigung, «in persona Christi» zu handeln, hebt Straub die grundsätzliche Bedeutung der Taufe hervor. Sie befähige «Männer und Frauen zur Christusrepräsentanz» (84), begründe gar ihre «priesterliche Würde» (88). Und auch Ordinatio sacerdotalis (1994) von Johannes Paul II. steht in den Augen von Straub mit dem Diskussionsverbot und der Taxierung der Lehre als «unfehlbar» im Kontrast zum Unverständnis und Desinteresse in weiten Kreisen. Die Autorin kann nicht umhin, dem Lehramt «die Gleichstellung von Mann und Frau (…) in den Weiheämtern» ans Herz zu legen (91).

Wider das Unterordnungsmuster

Folgerichtig will Straub der Taufe «mehr Gewicht» geben. Aus ihr wächst die neue Freiheit in Christus, die m. a. W. das Muster der Unterordnung ablöst und den Weg dazu öffnet, im Miteinander von Mann und Frau, «verfügbar zu sein für die Gnade Gottes» (94). Ihren starken Wunsch verdeutlicht die Autorin exemplarisch: «Nur in Gemeinschaft kann das Sakrament der Eucharistie gefeiert werden. Gottes Dienst für die Menschen, danach sehnt sich mein Herz, das will ich machen, und zwar in vollem Ausmass» (95). Um die bestehenden Hürden zu überwinden, bräuchte es mehr Verständigung unter den christlichen Kirchen, darunter der Welt der Orthodoxie (98 ff.). Ebenso nötig wäre der Abbau jeglicher Anmassung gegenüber Frauen, die sich zum Dienst als Priesterin berufen fühlen und das Argument «Konversion bringt Sie auch zum Ziel!» nicht gelten lassen.5

Angst vor Frauen?

Ob die Angst das Haupthemmnis für die Zulassung von Frauen zum Priestersein darstellt, reflektiert Straub im zweitletzten Kapitel. Sie sieht die Kirche in einer «Frauenkrise» (106), die überwunden werden könne, «wenn wieder genauer auf das Evangelium gehört wird» (109). Es gehe nicht um eine «isolierte Frage, die nur das eine Geschlecht betrifft» (110). Darum bedürfe es einer «Theologie des Menschen» und eine «neue Theologie der Geschlechterrelationen» (ebd.).

Noch steht die «Aufwertung der Frau und deren rechtliche Umsetzung» (111) in der katholischen Kirche aus, behindert auch durch Denkmuster «angeblicher Unreinheit und Sündhaftigkeit der Frau» (113). Wünschenswert sei es dagegen, eine «Tradition der Geschwisterlichkeit» (115) wiederaufleben zu lassen und weltweit «befreiend auf patriarchale Strukturen» (116) hinzuwirken. Straub bekennt sich dann ebenso zur Weltkirche, wie sie diese nicht auf juristischem Weg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einklagen werde (117).

Pastorales Anliegen

Für die Autorin ist die Pastoral ein Herzensanliegen. Sie sieht den Zuzug von Priestern anderer Sprache und Kultur nicht als adäquaten Dienst für die Seelsorge und das Wohl der Menschen (125). Auch seien Veränderungen in der Kirche möglich, wie sich an «Form und Materie des Weihesakramentes» (127 f.) ebenso zeigt wie an der Einschätzung der Frauenemanzipation. Straub folgt der Ansicht Yves Congars, dass Tradition kein Festhalten am Bestehenden bedeute, sondern für den Menschen da ist und einer Weiterentwicklung bedarf (129 f.). Nicht mutig wäre es, analog zum geschilderten Experiment mit Affen (!), einer von jeher erfolgten Konditionierung zu folgen. Nochmals plädiert die Autorin, dem Geist zu folgen, der weht, wo er will. Die «Erneuerung der pastoralen Strukturen» macht für sie die Gleichbehandlung von Frau und Mann in der Kirche nötig.

Spenden oder Feiern der Sakramente?

Der mutige Vorstoss von J. Straub verdient Anerkennung. Ihre Sichtweise der sakramentalen Feiern des Glaubens bleibt jedoch schillernd.6 Denn das Spenden von Sakramenten insinuiert ein Gefälle und fokussiert auf geweihte Personen, denen gegenüber Empfangende stehen. Das Feiern der Sakramente, bei welchem durch das Mitwirken aller Beteiligten dieses Gefälle ausgeglichen wird, liesse dagegen das ersehnte neue, von Gleichberechtigung getragene Kirchenbild heranwachsen.

1 Endlich Priesterin sein! Keine Frage der Macht, sondern des Herzens (Freiburg/Schweiz 2017). Die Autorin stellt sich dem «seit Jahrzehnten» aktuellen und «höchst schwierigen Thema» (10). Zahlen verweisen auf Textseiten.

2 «Sie liessen sich weihen, um ihrer Berufung zu folgen und um ein deutliches Signal gegen das erstarrte Amtsverständnis der römisch-katholischen Kirche und ‹ein Zeichen gegen den sexistischen Kanon der katholischen Kirche› (Ida Raming) zu setzen.» (50).

3 Vgl. zur bis heute gleichgebliebenen Ausgangslage Stephan Schmid-Keiser: Aktive Teilnahme. Kriterium gottesdienstlichen Handelns und Feierns. Bern, Frankfurt a. M., New York 1985, Teil I: 432–436, 435 u. Teil II: 176 (Anm. 36).

4 Lt. Adrian Loretan verwechselt hier J. Straub Dogmatik und Kirchenrecht. Amt und Weihe seien im Kirchenrecht nicht gekoppelt und die Amtsfähigkeit der Frau mit LG 33 und c. 228 CIC 1983 nicht in Frage gestellt.

5 Die Passage 102–104 macht erschreckend deutlich, welchem Ton die Autorin seitens von Gegnern des Frauenpriestertums ausgesetzt ist.

6 Vgl. mehrfache Verwendung der Begriffe «Spenden», «Empfangen»: u. a. 9, 26, 44, 48, 64, 88 u. ä. Dagegen erkannte Yves Congar bezogen auf die Repräsentanz Christi ein altes Missverhältnis im Bezugspaar «Körper/ Leib-Haupt» («caput» absorbiert «corpus»). So stehen nicht selten geweihte Personen oder Beauftragte im kirchlichen Dienst den Gläubigen auf ihrem Weg zu Christus im Weg. Vgl. Stephan Schmid-Keiser: Zur ungelösten Frage der Ämter, in: SKZ 182 (2014) 669.


Stephan Schmid-Keiser

Dr. theol. Stephan Schmid-Keiser promovierte in Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie. Nach seiner Pensionierung war er bis Ende 2017 teilzeitlich Redaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung. (Bild: zvg)