Eine gewöhnliche Frau

Am 13. Oktober wurde Marguerite Bays (1815–1879) in Rom heiliggesprochen. Sie führte ein einfaches Leben in tätiger Nächstenliebe und zeigt uns, dass auch wir heilig werden können.

Die neue Heilige Marguerite Bays. (Bild: wikipedia)

 

Mutter Teresa von Kalkutta wurde eines Tages von einem Journalisten gefragt: «Stört es Sie nicht, dass die Menschen Sie für eine Heilige halten?» Die Antwort liess nicht auf sich warten: «Aber mein Herr, das ist meine Aufgabe! Ist sie nicht auch die Ihre?»
Marguerite Bays würde die gleiche Antwort geben: Sie hatte ein ausgeprägtes Gewissen bezüglich des Standes der Vollkommenheit und nahm den Aufruf zur Heiligkeit, der an alle Getauften gerichtet ist, sehr ernst.

Das Evangelium im Leben umsetzen

Marguerite wurde am 8. September 1815 im Weiler La Pierra FR als zweites von sieben Kindern des Pierre-Antoine und der Marie-Joséphine geboren. Sie war bekannt für ihr Leben in Demut, Zurückhaltung und Bescheidenheit. Man kann sagen, dass ihre goldene Regel die Nächstenliebe war. Sie lebte diese in einer solchen Intensität, dass sie zu einem Spiegel Christi wurde. Die Stigmata besiegelten diese Liebe.
Durch die in ihrer Gegend tätigen Kapuziner kam sie schon früh mit der franziskanischen Spiritualität in Berührung. Am 22. Februar 1861 trat sie in der Kapuzinerkirche in Romont FR dem Dritten Orden bei. Ihre ganze Existenz war von der franziskanischen Spiritualität geprägt, die darin besteht, vom Evangelium ins Leben und vom Leben zum Evangelium zu gelangen. Gerade als Jüngerin des armen Christus zeigte sie ihren Nächsten, vor allem den Schwächsten, durch menschliche Gesten und Handlungen das Wesen Gottes.
Erfüllt von Liebe wandte sich Marguerite ihrem Nächsten zu, der für sie nichts anderes war als das Sakrament der Begegnung mit Gott. Für sie war jeder Mensch eine heilige Geschichte und in diesem Sinn nahm sie sich in Wort und Tat der Kinder und armen Menschen an. Als ausgebildete Näherin kleidete sie diese ein und gab ihnen ihre Würde zurück. Marguerite kümmerte sich auch um die Begleitung der Sterbenden. Durch ihre Haltung des Zuhörens und ihre Worte des Trosts fanden sie eine innere Ruhe. Sie lebte konkret das Wort Christi: «Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» (Mt 25,40).

Mystik und Alltag verbinden

Wie Franz von Assisi kannte sie den Brauch der Krippe an Weihnachten. Und wie er nahm auch Marguerite im Brauch der Krippe die ganze Heilsgeschichte wahr. Mit einer selbst gemachten Wachsfigur erinnerte sie nicht nur an die Geheimnisse der Geburt des Messias, sondern auch an die Geheimnisse seines öffentlichen Lebens, seiner Passion und seiner Auferstehung, die im Licht der Kerzen aufscheint. Im Geheimnis von Weihnachten ist bereits das Kreuz des Karfreitages gepflanzt und scheint das Licht des Ostermorgens auf. Die (Futter-)Krippe verweist zudem auf die Eucharistie.

Marguerite engagierte sich in der Pfarrei. Neben den vielen bereits bestehenden Bewegungen schuf sie neue wie z. B. «L’enfance missionnaire». In diesem Zusammenhang ermutigte sie Chorherr Joseph Schorderet (1840–1893) zur Gründung der Schwestern vom heiligen Paulus, die mittels der Pressearbeit evangelisieren. Eines Tages litt der Gründer unter innerer Bedrängnis und fragte sich, ob er das Werk Gottes oder sein eigenes tue. Von vielen verleumdet, ging er nach La Pierra und wandte sich vertrauensvoll an Marguerite. Sie bestätigte seine Gründung: «Machen Sie weiter, es ist das Werk Gottes.» Aus diesem Grund betrachtete er Marguerite als Mitbegründerin der Schwestern vom heiligen Paulus.

Im Alter von 39 Jahren empfing Marguerite die Stigmata und durchlitt von da an jeden Freitag die Passion unseres Herrn Jesus. Gleichzeitig erhielt sie verschiedene Charismen: die Gabe der Unterscheidung, des Rates und der Prophetie. Bis zu ihrem Tod kamen ratsuchende Menschen zu ihr, manche sogar von jenseits der Grenze. Sie starb am Freitag, dem 27. Juni 1879, dem Oktavtag des heiligsten Herzens Jesu, um 15 Uhr.
Marguerite lädt auch uns ein, durch das Gebet und die Betrachtung zur Vereinigung mit Gott zu gelangen und ermutigt uns, dort in einem Leben der Nächstenliebe festzuhalten.


Martial Python
Übersetzung: Rosmarie Schärer

 

 

Informationen zur Person und Spiritualität von Marguerite Bays: www.marguerite-bays.ch/de

 


Martial Python

Martial Python (Jg. 1956) ist Pfarrmoderator der Seelsorgeeinheit Selige Marguerite Bays in Romont FR und Vizepräsident der Fondation Marguerite Bays.

 

BONUS

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