In Appenzell ist die Regierung des Kantons St. Gallen Ehrengast: Sie bedankt sich auf Facebook herzlich für die Einladung und erntet dafür den Kommentar einer Frau: «Die St. Galler Regierung kann von den Appenzeller Kollegen viel lernen. Mehr Bescheidenheit und weniger Selbstinszenierung beispielsweise. Eine Landsgemeinde, an der auch das Volk – der einfache Bürger – zu Wort kommt, würde den Magistratinnen und Magistraten guttun.» Die St. Galler Regierung hat Glück: Nur eine einzige Person hat zu diesem Kommentar ein «like» gesetzt. Ob die Kritik an Bischöfen auch so grosszügig unbeachtet geblieben wäre?
Am gleichen Wochenende in St. Gallen: Weltjugendtag der Deutschschweiz. Mehrere hundert Jugendliche im Klosterquartier gestalten ein grosses Glaubensfest – mit Festivalstimmung, mit Gottesdiensten, mit Gebet und mit viel Raum für Begegnung. Eine sehr frohe und zufriedene Stimmung dank grossem freiwilligem Engagement der Initiatoren. In dieser grossen Zahl begegnen wir selten jungen Menschen, die gemeinsam im Glauben suchen und ihre Glaubenserfahrungen teilen. Auch sie sind Anfragen der Zuschauenden ausgesetzt: «Woher nehmen sie den Mut, ihren Glauben öffentlich auf der Strasse zu bezeugen? Ist ihr Glaube genügend kritisch hinterfragt? Sind sie auch offen für Kolleginnen und Kollegen, deren Kirchenantenne eingezogen ist?»
In der Region Linth-Rapperswil: Auf der Webseite unseres Bistums findet sich ein Bericht von den Jubiläums-Pilgertagen. Mehr als 200 Pilgernde waren unterwegs. Dazu lese ich: «Insgesamt 98 Personen, ein Kinderwagen und ein Hund pilgerten am Samstag von Uznach nach Rapperswil. Zwei Mönche vom Otmarsberg spielten Streichpsalter und sorgten beim Zwischenhalt für Aufmerksamkeit. Die portugiesische und italienische Mission waren je mit einer Gruppe vertreten und erfreuten mit Gesang.» Und selbstverständlich durften am Sonntag Grill und Wurst nicht fehlen …
Auf den Webseiten der Pfarreien und Seelsorgeeinheiten: Zahlreiche Berichte von Erstkommunionfeiern, in denen Kinder und ihre Familien im Festgewand an den Tisch des Herrn geführt wurden. Ich freue mich über den enormen Einsatz der Begleitenden in der Vorbereitung, höre aber auch jetzt schon das Klagen darüber, dass viele Eltern und Kinder nach dem grossen Tag nie mehr zu sehen sind.
Als Krönung erfahre ich – ebenfalls über Facebook: In Pfarreien der Seelsorgeeinheit, in der ich aufgewachsen bin, wurde im Zusammenhang mit dem synodalen Weg für einige Tage eine Bischofsfigur ohne Gesicht aufgestellt, damit jede und jeder sich als «Bischof» fotografieren lassen kann. Dazu kann jede und jeder öffentlich ein Statement abgeben zum Satz: «Wenn ich Bischof wäre, würde ich …» Auf die Antworten bin ich sehr gespannt.
Hinter all diesen Anlässen und Aktionen sind Menschen, denen Kirche und Glaube wichtig sind. Fruchtbar werden sie, wo sie Menschen untereinander und mit Christus in Beziehung bringen, wo wir lernen, aufeinander und auf Gott zu hören. Die Botschaft des Evangeliums ist das Kriterium für jede Auswertung. SEIN Kriterium ist die Liebe und das Leben, das ER uns schenken will.
Das Wochenende war für mich ein wahrhaft synodales Wochenende – ein «gemeinsames auf dem Weg Sein.» Ich war aber auch froh, am Montag und Dienstag in der gemeinsamen Retraite mit den Schweizer Bischöfen im Schwarzwald Raum und Zeit zum Nachdenken, für die Stille, für den mitbrüderlichen Austausch und für das persönliche Gebet zu haben.
+ Bischof Markus Büchel