Ein Stück Himmel auf Erden

Die Ostkirchen suchen nach dem Prinzip ihrer inneren Einheit. Manchmal kommt der Impuls unerwartet von aussen, z.B. anlässlich einer Ausstellung der Stadt Zürich.

«Ein Stück Himmel auf Erden». So hiess die Ausstellung, die 2011/12 im Zürcher Stadthaus gezeigt wurde. Ihr Untertitel machte klar, was hier zu sehen war: «Ostkirchen in Zürich». Kulturchef Jean-Pierre Hoby wusste um die Existenz verschiedenster orthodoxer Gemeinschaften in Zürich, fand es wichtig, diese der Öffentlichkeit einmal vorzustellen – und lud mich darum ein, dieses Projekt zusammen mit der Fotografin Vera Markus zu realisieren.

Weltweit breit abgestützte Kirchenfamilie

Der Anfang war gar nicht so leicht. Schliesslich aber fanden wir 16 Gemeinschaften, die in Zürich seit kurzer oder schon längerer Zeit tätig waren. Gemeinschaften, die wenig oder keinen Kontakt unter sich hatten, die sich entweder als byzantinisch-orthodox oder orientalisch-orthodox bezeichneten, oder die sogar als Ostkirchen in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen. Dass byzantinische und altorientalische Kirchen sich gemeinsam präsentieren sollten, akzeptierten diese von Anfang an – weil die Stadt die Ausstellung davon abhängig machte. So entstand das Bild einer weltweit breit abgestützten Kirchenfamilie, die wir der Einfachheit halber als «Ostkirchen in Zürich» bezeichneten.

Staatliche Anerkennung gewünscht

Die Ausstellung hatte Folgen. Ein Synodale der römisch-katholischen Kirche regte nach einem gemeinsamen Besuch dieser Körperschaft im Stadthaus an, das orthodoxe Plenum dieser verschiedensten Kirchen zu unterstützen. An einem Treffen mit deren leitenden Organen wünschten sich die Gemeinschaften, in Zürich staatlich anerkannt zu werden – analog zu zwei jüdischen Synagogen, denen dies bereits gewährt worden war. So entstand der Verband Orthodoxer Kirchen in Zürich. Die östlichen Gemeinschaften akzeptierten, als Verein gemeinsam dieses Anliegen durchzutragen. In den bald sechs Jahren des Miteinanders sind gegenseitiges Kennenlernen, deutliche Akzeptanz und sogar offensichtliche Zusammenarbeit gewachsen – auch wenn das gewünschte Ziel noch nicht erreicht ist.

Zu den Mitgliedsgemeinden zählen heute sechs byzantinische und fünf orientalische Gemeinden, die alle ihren Sitz im Kanton Zürich haben. Über ein eigenes Gotteshaus verfügen die Griechen, Russen, Serben und Kopten, während die Äthiopier, Armenier, Bulgaren, Eritreer, Rumänen und Syrer ihre Liturgie in katholischen oder reformierten Kirchen feiern.

Die Zusammenarbeit wächst

Seit Anfang der Verbandsgründung war man sich einig, dass nicht die orthodoxen Gemeinschaften als Einzelne, sondern der Verband als gemeinsames Organ die Anerkennung anstreben würde. Das setzte nun voraus, dass sich die orthodoxen Kirchen stärker miteinander verbinden, bestimmte Aufgaben gemeinsam lösen und ihre gemeinsame Handlungsfähigkeit deutlicher manifestieren müssten. Neben dem Verband entstand ein orthodoxer Priesterkonvent, der geistliche Gemeinsamkeiten – wie etwa die Spitalseelsorge – koordiniert und sich darum bemüht, das Label «orthodox» als Zeichen geistlicher Einheit deutlich zu machen.

Zürcher Modell zeigt Wirkung

Langsam beginnt nun diese Entwicklung auch über die Agglomeration Zürich hinaus wahrgenommen und unterstützt zu werden. So wurden vor einem Jahr Beiratsmitglieder des Verbandes nach Belgrad eingeladen, um vor dem Synod der serbischen Kirche über die Zürcher Situation Auskunft zu geben. Der stark mit Zürich verbundene serbische Bischof Andrej (Cilerdžic) bemüht sich seither, seinen Bischofskollegen die Zürcher Situation deutlich zu machen und sie zur Mitwirkung zu motivieren. Immer stärker zeichnet sich unter den orthodoxen Gemeinschaften das Bewusstsein ab: Wir gehören zusammen und sind Teil der einen Kirche. Und ebenso lässt sich durchaus in Zürich die Wahrnehmung machen: Es sind nicht nur die drei anerkannten Körperschaften, welche die Kirche Christi bilden – ebenso sehr gehören die Kirchen des Ostens dazu.

Peter Wittwer

 

Buch zum Thema
Peter Wittwer, Ein Stück Himmel auf Erden – Ostkirchen in Zürich, Zürich 2011, ISBN 978-3-290-17618-1, CHF 25.00, www.tvz-verlag.ch


Peter Wittwer

Dr. theol. Peter Wittwer (Jg. 1940) war als Pfarrer in Zürich tätig und leitete zeitweilig die Städtische Koordinationsstelle für Ausländerfragen. Er gründete das Zürcher Forum der Religionen und vertritt gegenwärtig die katholische Kirche im Beirat des Verbands Orthodoxer Kirchen im Kanton Zürich.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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