Am frühen Sonntagmorgen bereitet Vater Ioan (Ianculescu) sich darauf vor, zur Kirche zu gehen. Es ist 7 Uhr morgens, friedvolle Stille erfüllt das Haus. Wenn ich erwache, finde ich meinen Mann vor der Ikone, wo er seine Morgengebete verrichtet. Wir nehmen die Brote für die Eucharistie mit, die am Vorabend bereitet wurden, und verlassen das Haus. Die Stadt, die wir durchqueren, macht noch einen verschlafenen Eindruck, wenn wir bei der Kapelle des Albertinum ankommen. Es ist ein wunderbarer Ort, den die Dominikanerpatres uns grosszügig für die Feiern der rumänischen orthodoxen Gemeinde zur Verfügung stellen.
Ein langer Sonntag
Nach einigen Vorbereitungen am Altar, schon bekleidet mit den gottesdienstlichen Gewändern, beginnt mein Mann die Gebete zur Weihe der liturgischen Gaben. Gegen 8.30 Uhr kommen die Mitglieder des Chores, zum grossen Teil Studierende der Theologie an der Universität Freiburg. Sie zünden in der ganzen Kirche die Kerzen an und bereiten die Bücher für Gesang und Gebete vor. Anschliessend beginnt um 9 Uhr die Matutin. Die eifrigsten Gläubigen sind schon da, bereit für einen Gottesdienst, der etwa drei Stunden dauern wird. Die byzantinischen Gesänge versetzen die Herzen der Anwesenden in Schwingung und sie stellen auch einen diskreten Ruf an die übrigen Mitglieder der Pfarrei dar, die nach und nach kommen und die Kirche füllen. Die Gebete werden auf Rumänisch und auf Französisch gesprochen. Eine Mehrheit von rumänischen Gläubigen, aber auch Schweizer, Griechen, Russen und Bulgaren treten mit Glauben und Liebe zum Kelch hinzu, beginnend mit den Jüngsten. Auf ihren Gesichtern ist trotz der tagtäglichen Sorgen, die jeder haben mag, die Freude zu lesen. Vor dem Schlusssegen der Liturgie hören die Kinder in der Sakristei eine biblische Geschichte, während der Priester seine Predigt hält. Nach dem göttlichen Mahl folgt ein gemeinschaftliches Mahl, das die Gläubigen vorbereitet haben. Die Agape endet gegen 16 Uhr und alle machen sich auf den Heimweg, um am Montag die Arbeits- oder Studienwoche zu beginnen.
Gemeinschaft in Freud und Leid
Mein Mann wird ebenfalls eine Arbeitswoche beginnen, denn im Unterschied zur Mehrheit der Priester hat er nicht den üblichen Weg durchlaufen, um zu seiner Berufung zu gelangen. Mit seiner wissenschaftlichen universitären Ausbildung ist er vollzeitig in einem Schweizer Unternehmen angestellt.1 Er hatte sein Studium der Theologie 2006 begonnen und wurde 2009 durch Erzbischof Josef, Metropolit der Rumänischen Orthodoxen Metropolie für West- und Mitteleuropa (mit Sitz bei Paris) zum Priester für die Gemeinde des hl. Dimitrios in Freiburg geweiht. Für mich und unsere Tochter war es eine Freude, ihn in dieser neuen Mission zu begleiten, die bedeutet: sich in den Dienst der anderen zu stellen. Unsere Freunde und Bekannten, Erwachsene und auch Kinder, waren da und haben viel beigetragen zum guten Verlauf der verschiedenen Aufgaben und Aktivitäten.
Eine Kultur des Willkommens
Vater Ioan steht allen für die geistliche Begleitung zur Verfügung. Mit Hilfe der Gläubigen ist diese Pfarrei zu einem Ort der Aufnahme für die rumänischen Studierenden und für andere Personen geworden, die in der Schweiz Arbeit gefunden haben. Die neu Angekommenen können sich, ohne sich entwurzelt zu fühlen, besser und rascher integrieren dank der Informationen und Ratschläge, die sie von den «Älteren» erhalten. Der soziale Aspekt unserer Mission zeigt sich auf verschiedene Weise: im Austausch von Ideen, in der Pflege der rumänischen Bräuche und Traditionen, in moralischer und psychologischer Unterstützung, in medizinischer Beratung, materieller Hilfe, im Erlernen der französischen Sprache usw. Nicht zu vergessen ist die Gestaltung der Feste von Weihnachten und Ostern oder des Pfarreifestes, die jeweils Gelegenheit bieten, sich zu treffen, auszutauschen, sich an dem zu freuen, was das Leben Schönes bietet.
Oana Gabriela Ianculescu
(Übersetzung: Barbara Hallensleben)