Ein Museum unter freiem Himmel

Wer dem Geheimnis der österlichen Zeit auf die Spur kommen will, findet in Genf den «Chemin de joie»: einen Stationenweg mit dreizehn Mosaiken, der durch seine Kunst zum Betrachten einlädt.

«Rencontre sur le rivage» ist eines der dreizehn Mosaike des «Chemin de joie» in Genf. (Bild: zvg)

 

Die Auferstehung ist das Herzstück der christlichen Hoffnung, sie betont, dass das Leben stärker ist als der Tod. Im Jahr 2012 wollte die römisch-katholische Kirche in Genf (ECR) einen Pilger- und Meditationsweg schaffen, der durch seine künstlerische Schönheit die Öffentlichkeit einlädt, sich dem Geheimnis der Auferstehung durch die Sprache der Kunst zu nähern und das Verständnis der Osterzeit, der fünfzig Tage von Ostern bis Pfingsten, zu vertiefen.

Das Projekt wurde von der Fachstelle für Katechese mit der Unterstützung durch andere Abteilungen der ECR initiiert und wird «Chemin de joie» (Weg der Freude) oder «Via Lucis» (Weg des Lichts) genannt. Es ist unbestreitbar: Wenn wir in der Fastenzeit den Kreuzweg meditieren, endet er nicht beim Kreuz! Der «Chemin de joie» hilft, das was danach geschah, betend zu betrachten: die Erscheinungen des auferstandenen Christus.

Beispiellose künstlerische Gestaltung

Der «Chemin de joie» in Genf besteht aus dreizehn Stationen, die über den ganzen Kanton verteilt sind und jeweils ein grosses Mosaik beherbergen. Als «Gang über die Kirchenplätze» konzipiert, sind die Werke im Freien angelegt: an den Wänden und Fassaden von Kirchen oder im Herzen eines Gartens. Der «Chemin de joie» ist ein grosses Freilichtmuseum, das zu jeder Zeit zugänglich ist.

Die Mosaike rufen die Begegnungen zwischen dem auferstandenen Christus und seinen Jüngern in Erinnerung. An den einzelnen Stationen begegnen wir den Frauen und Jüngern am Grab Christi, Maria Magdalena, Thomas oder den Emmaus-Jüngern. Solche «Chemins de joie» gibt es in verschiedenen Kirchen, Orten und Städten auf der ganzen Welt, aber die Gestaltung des Genfer «Chemin de joie» ist einzigartig und beispiellos.

Die Gestaltung und Komposition der Mosaike wurde dem «Atelier dell’Arte spirituale» des Aletti-Zentrums in Rom anvertraut. Die Leitung hatte der slowenische Jesuitenpater Marko Rupnik, Schöpfer der Mosaiken in der Kapelle Redemptoris Mater im Vatikan. P. Rupnik kam 2014 nach Genf, um die Orte zu besuchen, an denen die Mosaike platziert werden sollten. Obwohl er sich vor Aufträgen nicht retten kann, willigte er – überzeugt vom Projekt – dennoch ein, sich für die Verwirklichung des «Chemin de joie» zu engagieren. Es sei «ein Projekt, das in einer Zeit, in der die Kultur des Todes und des Unglücks regieren, aktueller denn je ist», erklärte er im Genfer Pfarrblatt. Für den Direktor des Aletti-Zentrums «wird der Weg durch den Kanton, auf dem sich verschiedene Orte vereinen, um auszudrücken, dass das Reich Gottes hier unter uns ist, selbst zu einem Bild, das jedem Wort vorausgeht. Es ist dieses Bild, das die Welt einlädt, darüber hinauszuschauen, in ein neues Leben einzutreten, aus dem eine neue Kunst und eine neue Kultur hervorgehen werden.»

Sieben Jahre im Werden

Die Verwirklichung des «Chemin de joie» erlebte mehrere Rückschläge und erforderte mehr als sieben Jahre Arbeit und die Beteiligung vieler: Bischofsvikariat, Pfarreien, Dienste, Stiftungen und Spender für die Finanzierung. Die Realisierung einiger Gesichter und Figuren wurde einer Werkstatt in Peru anvertraut, die in die Gemeindearbeit eingebunden ist und in der mehrere von P. Rupnik ausgebildete Künstler arbeiten. So mussten Teile der Fresken den Atlantik überqueren, um nach Genf zu gelangen.

Die ersten beiden Werke des «Chemin de joie» wurden im April 2017 an den Seitentüren der Basilika Notre-Dame de Genève, dem Zentrum der Genfer Katholikinnen und Katholiken, angebracht. Die Installation der Mosaike dauerte ein Jahr; am 28. April 2018 wurde der «Chemin de joie» eingeweiht. An diesem Anlass machten sich Hunderte von Wanderern auf den Pilgerweg, um die Werke zu entdecken. Eine Feier mit einem Vortrag von P. Rupnik brachte mehr als 200 Menschen zusammen.

Ein Mosaik des «Chemin de joie» nimmt einen besonderen Platz ein. Es ist das Kleinste und das Einzige, das für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich ist: das Mosaik der Auferstehung. Es stellt Christus dar, der aus der Unterwelt, einen Mann und eine Frau (Adam und Eva) an der Hand haltend, ins Licht aufsteigt. Es wurde in jenem Saal des Genfer Gefängnisses Champ-Dollon aufgestellt, in dem die religiösen Feiern stattfinden. Zuvor wurde das Werk während der Papstmesse am 21. Juni 2018 in Genf auf dem Altar aufgestellt und so weltweit bekannt. Am Ende der Messe segnete der Heilige Vater das Mosaik und damit den gesamten «Chemin de joie».

Beeindruckt von der Kraft der Schönheit

Um den «Chemin de joie» bekannt zu machen, wurde eine eigene Website erstellt. Sie präsentiert die Mosaike, Meditationen und Wanderrouten, um von einer Station zur anderen zu gelangen, und enthält eine Broschüre sowie eine Ortskarte zum Herunterladen. Die vorgeschlagenen Routen führen auf Wanderwegen abseits der touristischen Pfade durch die Stadt und das Umland, verlaufen zwischen verschiedenen Stadtteilen und Vororten oder durch die Parks des Kantons, entlang der Weinberge oder des Rhône-Ufers bis an den Stadtrand. Die Vorschläge variieren von 15-minütigen Spaziergängen für einen kurzen Ausflug bis hin zu mehr als 4-stündigen Touren für jene, die sich nicht scheuen, mehrere Kilometer mit der Familie, mit Freunden, als Paar oder alleine auf sich zu nehmen. Auf pastoraler Ebene werden in der Osterzeit regelmässig verschiedene Meditationen, Katechesen oder Pilgerfahrten angeboten. Hier ein paar Beispiele dieser Zeugnisse mit Angabe des Ortes und des dargestellten Bildes:

Die Zeugnisse derer, die die Werke des «Chemin de joie» entdecken, sprechen von der Kraft der Schönheit der Mosaike, von der Vielfalt der Farben und Steine, von den Details, die sich in der Meditation offenbaren, oder von dem «Geschmack», den die beim Meditieren vor einem Mosaik bekommen.

• Basilique Notre-Dame – Frauen und Männer am Grabmal: «Eine Mischung aus Fragen, Traurigkeit, Zweifel, Hoffnung ... ein bisschen wie ich! Es endet nicht beim Kreuz; ich bin aufgerufen, dem auferstandenen Christus zu folgen, um die Orte des Todes zu verlassen. Er lädt mich ein, ein österlicher Mensch zu sein und die Freude, die daraus entsteht, zu teilen! Was für eine Herausforderung für mich heute ... »

• Kirche Sainte-Marie du Peuple – Die Erscheinung vor den 500: «Ich fühlte mich ganz klein vor diesem grossen Mosaik und diesem grossen Christus! Zwei Anregungen aus der Meditation: Wie kann ich heute mit diesem Unsichtbaren in Beziehung treten? Was muss ich tun, um mich für diese Präsenz zu öffnen? Und ich frage mich: Was will ich nicht mehr tun und was trennt mich von dieser Präsenz?»

• Église de l’Épiphanie – Friede sei mit euch: «Inmitten eines riesigen Gebäudekomplexes, an einem Einkaufszentrum, ein neues Mosaik: Friede sei mit euch‘ (Johannes 20,19–23). Was für ein Zeugnis! Gut sichtbar. Beeindruckend. Der Friede Christi in mir, ein dauerhafter Friede, ein Friede, der mich trotz allem, was passiert, mit Freude erfüllt. Ein Friede, der die lebendige Gegenwart Christi, meines liebenden Vaters und seines allmächtigen Geistes in mir zeigt.»

Silvana Bassetti

 

Informationen zum «Chemin de joie» unter www.chemindejoie.ch


Silvana Bassetti

Silvana Bassetti ist Informationsverantwortliche der katholischen Kirche in Genf.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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