Ein Leben für die Kirche

Katharina von Siena (1347–1380) diktierte über 380 Briefe an Päpste, Politiker und Herrschende in Europa. Immer ging es ihr um Jesus und seine Kirche. Sie ist die Lieblingsheilige von Rosmarie Schärer.

Katharina von Siena, 17. Jh., unbekannt. (Bild: Brooklyn Museum, Brooklyn)

 

Er lächelt ihr zu. Christus erscheint der sechs- oder siebenjährigen Katharina über der Dominikanerkirche in Siena; bischöflich gekleidet sitzt er auf einem Thron und lächelt ihr zu. Diese erste Begegnung mit Christus, mitten im Alltag, wird das Leben des jungen Mädchens prägen.

Der Weg in die Welt

Katharina legt nach dieser Erscheinung das Gelübde der Jungfräulichkeit ab. Mit 16 Jahren darf sie den Mantellatinnen, auch «Schwestern der Busse des heiligen Dominikus» genannt (ein sogenannter Dritter Orden), in Siena beitreten. Die ersten drei Jahre verbringt sie in fast vollkommenem Schweigen und mit Bussübungen. Das Zimmer verlässt sie nur für den Besuch des Gottesdienstes. Doch eine Vision verändert ihr Leben ein weiteres Mal radikal. 1367 oder 1368 erscheint ihr Christus und streift ihr einen Ring über den Finger. Diese mystische Vermählung bestätigt einerseits das Gelübde Katharinas, «begründet andererseits eine ‹Wirkeinheit› zwischen Katharina und Christus»1. Damit verbindet sich der Auftrag, in die «Welt» hinaus zu gehen und das Erlösungswerk Christi fortzuführen. Sie verlässt ihr Zimmer, um den Armen und Kranken zu dienen. Dabei strahlt sie eine solche Freude aus, dass sich viele Menschen von ihr angezogen fühlen. Es bildet sich um sie eine geistliche Familie, die sie mit «mamma» anspricht.

Die Päpste und die Kirchenreform

Visionen und Ekstasen begleiten Katharina während ihres kurzen Lebens. Bekannt ist Katharina jedoch nicht wegen ihrer aufopfernden Nächstenliebe, ihres intensiven Apostolats oder ihrer Visionen. Womit sie die Menschen bis heute erstaunt, ist ihr kirchenpolitisches Engagement.

Im Frühjahr 1374 nimmt Papst Gregor XI. (1370–1378) Kontakt mit ihr auf und bittet sie um ihr Gebet. Im Konflikt zwischen italienischen Städten und dem Papst schreibt ihm Katharina mehrere Briefe und übt scharfe Kritik an den päpstlichen Statthaltern in Italien. Als Gregor XI. im Frühling 1376 Florenz ein Interdikt androht, bitten besonnene Florentiner Politiker Katharina, zu vermitteln. Ein Interdikt hätte die Bewohner von Florenz von den Sakramenten abgeschnitten. Für Katharina ist eine Trennung von den Sakramenten gleichbedeutend mit einer Trennung vom lebenspendenden Haupt. Katharina beschliesst, nach Avignon zu Papst Gregor XI. zu reisen. Sie trifft im Juni in Avignon ein und trägt dem Papst ihre Anliegen vor: Frieden mit Florenz, Rückkehr des Papstes nach Rom und die geistliche Reform der Kirche.

Der Frieden mit Florenz kommt erst 1378 zustande, doch der Papst reist bereits im Herbst trotz des heftigen Widerstands seiner Umgebung nach Rom ab und trifft am 17. Januar 1377 dort ein. Er wird zwar mit Jubel empfangen, doch die politische Situation ist schwierig. Katharina unterstützt ihn unermüdlich mit Briefen und Gebeten. Sie drängt nach wie vor auf eine Reform der Kirche. «Reisst die stinkenden Gewächse aus und pflanzt wohlriechende Blumen im Garten der heiligen Kirche, dessen Hüter Ihr seid!»2 Nach dem Tod Gregor XI. freut sie sich über die Wahl von Urban VI. Sie ermutigt ihn, neue Kardinäle zu ernennen und die Kirchenreform voranzutreiben. Doch nur wenige Monate später wird die Wahl Urbans für ungültig erklärt und Clemens VII. als Gegenpapst gewählt. Es kommt zum Schisma. Katharina steht loyal zu Urban und schreibt Briefe nach ganz Europa, um die Herrschenden für ihn zu gewinnen. Einigen Kardinälen, die sich «neutral» verhalten, schreibt sie einen ihrer deutlichsten Briefe. «Nicht duftende Blumen seid Ihr, sondern Gestank, der die ganze Welt verpestet!»3 Die Kirchenspaltung trifft Katharina ins Herz. «Seid gewiss, wenn ich sterbe, dann habe ich mein Leben in der Kirche und für sie hingegeben.»4 Völlig aufgerieben durch ihren Einsatz für die Kirche stirbt Katharina am 29. April 1380 in Rom.

Rosmarie Schärer

 

In loser Folge berichten die Redaktorinnen und die Redaktionskommissionsmitglieder der SKZ über ihre Lieblingsheiligen.

1 Schlosser, Katharina von Siena begegnen, 47.

2 Brief 272 an Raimund vom 10. Okt. 1377.

3 Zitiert in: Schlosser, Katharina von Siena begegnen, 109.

4 Zitiert in: Schlosser, Katharina von Siena begegnen, 119.