Ein Katechismus für den Hausgebrauch

Was geschieht, wenn ein Fundamentaltheologe das Glaubensbekenntnis (neu) erklärt? Das aktuelle Buch von Josef Imbach zeigt es.

Im Jahr 2002, in einer dunklen Epoche der neueren Theologiegeschichte, erhielt der an der Päpstlichen Fakultät San Bonaventura lehrende Schweizer Franziskaner Josef Imbach ein weltweites Lehrverbot durch die Glaubenskongregation aufgebrummt. 2005 erhielt er dann für sein Engagement den Herbert Haag Preis. Nun mit 75 Jahren legt Imbach im Echter-Verlag eine Summa seiner theologischen Erkenntnisse, streng am Apostolikum entlang aufgebaut, vor.

Imbach ist ehrlich und informiert uns, dass viele der im Buch enthaltenen Abschnitte Produkte seiner früheren Forschungstätigkeit und Publikationen sind, und lädt bewusst zum selektiven Lesen bzw. Blättern ein: «Erwähnt sei noch, dass Leser und Leserinnen mit der Lektüre bei jedem beliebigen Kapitel beginnen können, da jedes eine Einheit für sich darstellt.»1 Entsprechend seiner früheren Forschungstätigkeit erlaubt er sich auch wilde Ritte durch die Literatur- und Philosophiegeschichte und flicht immer durchaus spannende Tabellen und Grafiken ein.

In einer so kurzen Rezension und angesichts eines als «liberal» verfemten Kollegen scheint es angebracht, Stil und Argumentation anhand von drei klassischen Themen, die seit Jahrzehnten für Aufruhr, auch ausserhalb der katholischen Theologie, gesorgt haben, vorzustellen: die Jungfrauengeburt, die leibliche Auferstehung Jesu und das Wesen der einen Kirche.

Die Kirche glauben

Im vierten Abschnitt zum Apostolikum («Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria») zitiert Imbach gleich zu Beginn schweizerisch bauernschlau Josef Ratzinger (die Gottessohnschaft Jesu nicht als biologisches, sondern ontologisches Faktum) und arbeitet sich dann vor allem am Vergleich von Vergils viertem Hirtengedicht mit der Verkündigungsszene ab: Für das frühe Christentum beginnt mit der Geburt des Kindes Jesu aus der Jungfrau Maria ein neues, ein goldenes Zeitalter der Menschheitsgeschichte. Die Bezüge zu den antiken Vorlagen sind bewusst gewählt, die Falschübersetzung des hebräischen Wortes almáh’2 eventuell auch. Die theologische Argumentation von der immerwährenden Jungfrauschaft hat christologische Wurzeln und schützt die Würde des Gottessohnes. So deckt sich Imbachs These mit der meines verehrten Lehrers Alois Müller, der sagte, dass die gesamte Mariologie nichts als Fortdenken der Christologie sei.

Im siebten Abschnitt («Am dritten Tag auferstanden von den Toten») begibt sich Imbach mitten hinein in die hartnäckige Diskussion, die Willi Marxsens berühmt-berüchtigtes Diktum, dass mit Ostern die «Sache Jesu» weitergegangen sei, geschaffen hat. Ist da etwa mehr als eine psychologisch innere Änderung im Empfinden des Kreises der Jünger und Jüngerinnen, wie Imbach es am Beispiel Raskolnikows3 auch andeutet? Für ihn ist da mehr, sind die unterschiedlichen biblischen Ostererzählungen «narrative Ausgestaltung» einer tiefen Überzeugung von der «gnadenvollen Zuwendung des Auferweckten», wohl aufgrund nicht zu widerlegenden Visionserfahrungen. Es besteht kein Grund, «innerweltliche Zweitursachen auszublenden».

Und schliesslich ist genau hinzuhören, wie ein ge- und verbannter katholischer Theologe nun im elften Abschnitt («Die heilige katholische Kirche») den Kirchenteil des Apostolikums würdigt, der uns in manchen der grossen Messen jeweils heiliges Schaudern über den Rücken zu jagen vermochte. Natürlich zitiert er (wie auch Ratzinger) Loisys berühmtes Diktum4 und schiebt auch Nietzsche hinterher5, doch weist er uns liebevoll darauf hin, dass wir nicht «an», sondern «die» Kirche glauben. Eine «Totalidentifikation» (wieder eine kleine Rache) kann nicht gemeint sein, sondern ein Glauben der »Heilswirklichkeit», insofern die Kirche das Werk Jesu durch die Zeiten trägt.

Ein süffiger, aber auch anregender und sehr persönlicher Katechismus eines Franziskaners für die Zeit unter Papst Franziskus liegt da vor.

Heinz Angehrn

 

1 Imbach, Josef, Ja und Amen, 11.

2 A. a. O., 104 f.

3 Vgl. Dostojewski, Fjodor Michailowitsch, Schuld und Sühne.

4 Alfred Firmin Loisy (1857–1940) war ein französischer Theologe und Historiker. Er wurde 1908 exkommuniziert. Ein berühmter Satz von ihm lautet: «Jesus hatte das Reich angekündigt, und dafür ist die Kirche gekommen.»

5 «Eine Art von Staat, und zwar die verlogenste.»

Buchempfehlung: «Ja und Amen. Was Christen glauben». Von Josef Imbach. Würzburg 2020. ISBN 978-3-429-05441-0, CHF 26.90. www.echter.de

 


Heinz Angehrn

Heinz Angehrn (Jg. 1955) war Pfarrer des Bistums St. Gallen und lebt seit 2018 im aktiven kirchlichen Dienst als Pensionierter im Bleniotal TI. Er ist Präsident der Redaktionskommission der Schweizerischen Kirchenzeitung und nennt als Hobbys Musik, Geschichte und Literatur.