«Hier bin ich, sende mich!»

Mit der Kollekte zugunsten von Missio werden nicht nur finanziell schwächere Diözesen unterstützt, sondern wird auch Ortskirchen die Möglichkeit gegeben, Kirche zu leben.

«Ein Christ kann keiner folgenlosen Wohlfühlspiritualität das Wort reden» schreiben die Deutschen Bischöfe in «Evangelisierung und Globalisierung»1. Sie möchten mit diesem Bischofswort eine Diskussion anstossen, «wie die Kirche im Kontext unserer Zeit das Evangelium mitteilen und mit den Zeitgenossen teilen kann»2. Zwei Dimensionen dieser Evangelisierung bzw. Mission heute sind dabei wie die zwei Seiten einer Medaille miteinander verbunden: die spirituelle Seite und die soziale Seite. 

Im Monat der Weltmission, der unter dem Leitwort «Hier bin ich, sende mich!» (Jes 6,8) steht und das westafrikanische Land Guinea als Gastkirche vorstellt, werden diese beiden Dimensionen vertieft. Mit der spirituellen Dimension werden die Menschen ermächtigt und befähigt, sich für ihre Mitmenschen einzusetzen. In Guinea sind es die kleinen christlichen Gemeinschaften in den Dörfern, Weilern und Stadtvierteln, die sich um das Wort Gottes versammeln, sich davon berühren lassen und ihr Leben so gestalten, dass sie eine Anziehungskraft auf ihre Mitmenschen ausüben. Ein Beispiel für die soziale Dimension ist der Einsatz der Gefängnisseelsorger während der Coronakrise sowohl für die Gefangenen als auch für das Personal. Sie beschafften Hygienematerial, verteilten es in den Gefängnissen und erklärten die korrekte Verwendung, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. Hier zeigt sich, dass die kleine Gruppe der Christen aktiver ist, als ihre Grösse vermuten lässt. 

Von Laien getragene Kirche

Es waren vor allem die Weissen Väter (Afrikamissionare) und die Spiritaner, die in Guinea als Missionare aktiv waren. Dabei ist die Verbindung zwischen der Schweiz und Guinea vielfältig. Der aus dem Jura stammende Weisse Vater Eugène Maillat übernahm 1951 als 32-Jähriger die Leitung von N’Zérékoré, damals noch ein Apostolisches Vikariat; 1959 wurde N’Zérékoré Diözese und Maillat ihr erster Bischof. Noch heute ist er in N’Zérékoré vor allem der älteren Generation in bester Erinnerung. Neben ihm waren zahlreiche Frauen und Männer aus der Schweiz am Aufbau der Kirche beteiligt. Wie alle anderen Ausländerinnen und Ausländer mussten sie aber 1967 auf Befehl des Diktators Sékou Touré das Land verlassen. Eine junge, wachsende Kirche war plötzlich verwaist und quasi auf sich allein gestellt. Bischof Maillat versuchte, aus der Schweiz seine Diözese weiter zu leiten. Es war die Stunde der Laien: Es galt, die weitere Entwicklung der Kirche in die eigenen Hände zu nehmen. Einen wichtigen Grundstein dafür hatte Bischof Maillat bereits 1953 mit der Gründung der Katechistenschule in Gouécké gelegt, die auch heute noch aktiv ist. Am Ende einer dreijährigen Ausbildung der Ehepaare standen im Glauben gefestigte Persönlichkeiten, die die Kirche als ihre Kirche durch die Krise der Diktatur trugen. Ebenso tragen heute Laien die Kirche von Guinea, auch wenn es immer mehr Priester gibt, die vielfach aus Katechistenfamilien stammen.

Den Rücken stärken

Um die spirituelle und soziale Dimension realisieren zu können, sind wir in der Weltkirche aufeinander verwiesen. Die weltweite Kollekte ist die grösste Solidaritätsaktion der katholischen Kirche und ein unübersehbares Zeichen für die Geschwisterlichkeit in der katholischen Kirche. Über 1100 Diözesen in Lateinamerika, Afrika, Asien und Ozeanien erhalten daraus eine Basisfinanzierung für ihre spirituellen und sozialen Aufgaben. Die kirchlichen Strukturen sind für viele Menschen ein tragendes Gerüst, das ihnen in den schwierigen Situationen hilft, zu überleben. Besonders für die Diözesen, die nur über wenig finanzielle Mittel verfügen, ist die Basisfinanzierung aus dem Solidaritätstopf der Weltkirche wichtig. Wir stärken ihnen damit den Rücken und schicken ein klares Zeichen, dass wir sie weder in guten noch in schlechten Zeiten vergessen.


Siegfried Ostermann

 

1 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Evangelisierung und Globalisierung, Bonn 2019, 57.

2 Evangelisierung und Globalisierung, 13.

 


Siegfried Ostermann

Siegfried Ostermann (Jg. 1970) ist Theologe und arbeitet bei Missio in den Bereichen Kommunikation, Weltkirche und Aktion Sternsingen.