Ein grosser Beitrag zur Bildung

In der langen Geschichte der Benediktiner in der Schweiz bildete ab dem 18. Jahrhundert das Wirken in Bildung und Erziehung einen Schwerpunkt. Damit knüpften die Benediktiner wieder an ihrem Ursprung an.

Das Kloster Engelberg ist eines der drei Benediktinerklöster in der Schweiz, das noch ein Gymnasium unterhält. (Bild: Romano1246 / Wikimedia)

 

Bis heute besteht für manche der prägendste Kontakt zu einem Benediktinerkloster darin, dass sie in einem solchen die Schulbank gedrückt haben. Dass Benediktinermönche Schulen führen, ist keinesfalls ungewöhnlich, im Gegenteil: Bereits in ihrer Regel – geschrieben von Benedikt von Nursia im 6. Jahrhundert – wird klar, dass ihnen von Anfang an Kinder zur Erziehung und Ausbildung anvertraut wurden.

Eine Zeit der Reformation

Eine entscheidende Wegmarke in der Geschichte des benediktinischen Mönchtums war im 9. Jahrhundert der Beschluss der karolingischen Herrscher, in den Klöstern ihres Reiches fortan ausschliesslich die Benediktsregel zuzulassen. Auf dem Gebiet der heutigen Schweiz waren schon davor mehrere männliche und weibliche Benediktinerklöster entstanden, darunter Disentis GR, Pfäfers SG und Müstair GR. Andere Gemeinschaften befolgten – zum Teil gleichzeitig – andere Mönchsregeln. Die vereinheitlichende Kirchenreform der Karolinger erfasste nun auch sie, wobei ihr Einbezug ins politische System auch mit dem karolingischen Auftrag für Bildung und Kultur einherging.

Das geflügelte Wort «Ecclesia semper reformanda» (die Kirche muss beständig erneuert werden) besass in den kommenden Jahrhunderten auch für die Benediktiner Gültigkeit, da man immer wieder vom eigenen Ideal abkam und Einseitigkeiten sowie Extremen verfiel. So wurden etwa das 10. und 11. Jahrhundert zu einer Zeit der Klosterreform. Zu den Reformklöstern gehörte unter anderem die 934 gegründete Abtei Einsiedeln, deren Erneuerungsbewegung zwar eine grosse Ausstrahlung hatte, aber nur von kurzer Dauer war. Reformen anderer Klöster hatten längeren Bestand, etwa jene von Hirsau (D) und St. Blasien (D), denen neben anderen die Klöster Beinwil SO, Muri AG und Engelberg OW folgten. Das Mönchtum blieb allerdings weiterhin ausschliesslich benediktinisch geprägt. Erst mit dem Aufkommen neuer Orden ab dem 12. Jahrhundert – zum Beispiel der Prämonstratenser, Dominikaner und Franziskaner – wurde die Ordenswelt auch in der Schweiz vielfältiger.

Neue Impulse

Von weit einschneidenderer Bedeutung war die Reformation ab den 1520er-Jahren, im Zuge derer in der Eidgenossenschaft eine grosse Zahl von Benediktiner(innen)klöstern aufgehoben wurde. Aber auch für die bestehen gebliebenen Gemeinschaften war das 16. Jahrhundert eine herausfordernde Zeit, nachdem sich an ihnen schon länger eine Krise des Mönchtums gezeigt hatte, geprägt etwa von disziplinarisch bedenklichen Zuständen. Viele dieser Gemeinschaften schienen nun vor ihrem Ende zu stehen und wurden oftmals nur aufgrund des Eingreifens weltlicher Parteien gerettet.

Kirchlicherseits wurden ihnen durch die Impulse des Konzils von Trient und der Katholischen Reform neues Leben eingehaucht. Zur gegenseitigen Stärkung diente die 1602 gegründete Schweizerische Benediktinerkongregation, ein bis heute bestehender Zusammenschluss aller Benediktinerklöster auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft. Mit der Abtei St. Gallen an der Spitze war sie eine entscheidende Grundlage für die Erneuerung des benediktinischen Lebens in der Schweiz.

Das neugewonnene Selbstverständnis manifestiert sich bis heute in den repräsentativen, im 18. Jahrhundert entstandenen barocken Bauten der zum Teil über grossen Landbesitz und Untertanen verfügenden (Fürst-)Abteien. Jüngste Forschungen zeigen, dass auch die darauffolgende Aufklärung neue, fruchtbare Impulse in die Benediktinerklöster bringen konnte, nicht zuletzt auf dem Gebiet der Bildung, wo sich Mönche in theoretischer und praktischer Arbeit für eine Modernisierung des Schulwesens einsetzten. Ihre Klosterschulen blieben allerdings zahlenmässig mit bis zu zwei Dutzend Schülern bescheiden.

Eine neue Herausforderung brachte der Einfall französischer Truppen 1798 sowie die anti-klösterliche Politik der Helvetik. Die Einsiedler Mönche waren geflohen, ihr Kloster als aufgehoben erklärt, während Disentis 1799 niedergebrannt wurde. Ähnlich erging es anderen Gemeinschaften. Für alle Klöster gleichermassen einschneidend war mit dem Ende des feudalistischen Ancien Régimes der Verlust ihrer weltlichen Macht. Der letzte Fürstabt von St. Gallen konnte sich damit nicht abfinden und versuchte, die alte Macht wiederzuerlangen; seine Bestrebungen waren allerdings nicht nur von Misserfolg gekrönt, sondern kosteten seinem Kloster auch die Weiterexistenz.  

Folgen des Kulturkampfes

Das 19. Jahrhundert blieb eine Zeit politischer Unsicherheit, in der die Klöster manche einschränkenden Bestimmungen seitens der staatlichen Obrigkeiten hinzunehmen hatten. Zwar garantierte der Bundesvertrag von 1815 ihren Bestand, doch wurden während des Kulturkampfes ab den 1830er-Jahren auch einige benediktinische Gemeinschaften aufgehoben: Pfäfers 1838, Rheinau ZH 1862, Muri AG 1841, Fischingen TG und Münsterlingen TG 1848, Beinwil-Mariastein 1874.

Während des Kulturkampfes standen sich zwei Parallelwelten gegenüber: eine katholische und eine protestantische. In diesem Kontext erlebten die Benediktinerklöster ab 1848 einen einmaligen Aufschwung, der von innerer Erstarkung und Festigung geprägt war – sowie von einer neuen Aufgabe: Nachdem nämlich die Jesuiten aus der Schweiz ausgewiesen worden waren, die bis dahin die höhere Bildung der katholischen Jugendlichen übernommen hatten, sprangen die Benediktiner in die Bresche und bauten ihre Klosterschulen zu Vollgymnasien mit Internaten aus, die zur eidgenössisch anerkannten Maturität führten. Die ausgewiesenen und nun in Österreich weilenden Konvente von Muri und Mariastein hielten mit ihren Schulstandorten in Sarnen bzw. Altdorf weiterhin ein Bein in ihrer alten Heimat. Damit erfüllten die Mönche eine Forderung, die schon länger immer lauter zu hören war: jene nach gemeinnütziger Tätigkeit, insbesondere hinsichtlich des Schul- und Bildungswesens. Diese neue Aufgabe prägte die Konvente in mehrfacher Hinsicht: Zum einen förderte sie die akademische Ausbildung der Mönche, während sich zum anderen aus der Schülerschaft ein grosser Teil des Nachwuchses rekrutierte.

Im Bildungswesen betätigten sich im 19. Jahrhundert neu auch die Benediktinerinnen, nachdem zu den eingesessenen Nonnenklöstern mit strenger Klausur (In der Au SZ, Claro TI, Müstair GR, Hermetschwil AG, Sarnen OW, Fahr AG, Seedorf UR und Glattburg SG) neue Schwestergemeinschaften mit karitativ-erzieherischer Tätigkeit hinzukamen: Heiligkreuz ZG, Niederrickenbach NW, Melchtal OW und Wikon LU. Freilich öffneten sich auch einige der erstgenannten Gemeinschaften entsprechenden Aufgabenfeldern. 1944 gründeten die Benediktinerinnen des Klosters Fahr eine Bäuerinnenschule, die bis 2013 bestand.

Der Aufschwung der Benediktiner(innen)klöster zeichnete sich auch in ihren Konventzahlen ab, deren Zunahme es Mitte des 19. Jahrhunderts Einsiedeln und Engelberg erlaubte, in den USA Neugründungen vorzunehmen. Im 20. Jahrhundert kamen Gründungen in Südamerika und Afrika hinzu.

Nach einem davor noch nie da gewesenen Höchststand an Mönchen und Nonnen nimmt deren Zahl seit den späten 1950er-Jahren kontinuierlich ab. Der Rückgang an Neueintritten führt in allen Gemeinschaften zu einer voranschreitenden Verkleinerung und Überalterung sowie zur Aufgabe verschiedener Tätigkeiten. So zogen sich die Frauengemeinschaften inzwischen alle aus ihren erzieherischen Aufgaben zurück. Die Benediktinerklöster Disentis, Einsiedeln und Engelberg behielten bis heute ihre Gymnasien bei, wenngleich dort heute nur noch wenige Mönche unterrichten und zum Teil angestellte Kräfte die Schulleitung bilden. Gleichwohl bietet die entsprechende Tätigkeit nicht nur eine Möglichkeit, mit Menschen von heute in Kontakt zu kommen und ihnen neben dem üblichen Schulstoff auch die Botschaft des Evangeliums mitzugeben. Vielmehr ist es auch für die Mönche selbst eine sinnstiftende Aufgabe, die sie mit ihren allerersten Ursprüngen in Verbindung bleiben lässt.

Thomas Fässler

 

 


Thomas Fässler

P. Thomas Fässler (Jg. 1984) ist seit 2006 Mönch des Benediktinerklosters Einsiedeln. Er unterrichtet an der klösterlichen Stiftsschule Geschichte und Latein und ist dort auch als Schulseelsorger tätig.