Ein Fest der Hoffnung und des Trostes

Zum Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel: Offb 11,19a.12,1–6a.10.ab; 1 Kor 15,20–27; Lk 1,39–56.

Ob Maria eines gewöhnlichen Todes gestorben sei: Mit dieser Frage befasste sich Karl Rahner in einem mariologischen Werk, an dem er bereits seit den 1940er-Jahren im Blick auf die erwartete bzw. bevorstehende Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel gearbeitet hatte.1 Seine Antwort verweist auf die Heilsordnung Jesu Christi, in der Leiden und Tod eine neue Bedeutung gewonnen haben. Sie seien nicht mehr nur als Sündenfolge zu deuten, sondern zum Ort der Gemeinschaft und des Mitsterbens mit Jesus Christus geworden. Damit trug Rahner zur Rückbindung der Mariologie an die Christologie ebenso wie zur christlichen Situierung menschlicher Existenz bei.

Erzählungen

Seit die christliche Frömmigkeit im 5. Jahrhundert begonnen hatte, über den Tod Marias nachzudenken, und in diesem Kontext am 15. August ein Fest der Entschlafung Mariens Einzug gehalten hatte, rankten sich um diesen Tod Erzählungen über wundersame Begebenheiten.2 Dazu gehören das besondere Vorauswissen Marias um ihren eigenen Tod, welches die Versammlung aller Apostel an ihrem Sterbebett ermöglichten, ebenso wie ein kämpferisches Auftreten des Erzengels Michael bei ihrem Begräbnis. Maria habe bei ihrem Tod keinen Schmerz empfunden, sei nicht – in Schwäche – liegend, sondern, – ein Zeichen von ungebrochener Lebenskraft – sitzend gestorben und habe reichen Trost durch die Apostel und die Engel sowie ihren Sohn erfahren. Schon früh artikulierte sich, freilich nicht unumstritten, die Überzeugung, dass Maria kurz nach ihrem Tod mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden sei. Daneben war es eher eine Aussenseiterposition und erst im 20. Jahrhundert häufiger vertretene Meinung, Maria sei sogar vor dem Tod bewahrt worden. Problem einer Theologie, die sich auf das Wunderbare und Besondere konzentriert, ist der Verlust des Trostes für das alltägliche Leben der Menschen. Darauf ist bei der Deutung des Festes am 15. August zu achten.

Wie Jesus aus dem Tod geführt

Fehl greift zunächst der umgangssprachliche Name des Festes «Mariä Himmelfahrt». Die christliche Hoffnung richtet sich auch für Maria darauf, dass Gott sie und uns – wie Jesus selbst – aus dem Tod zum Leben führt. Am Ende steht nicht machtvolle Selbstbehauptung, sondern ein Rettungsgeschehen und geschenkte Aufnahme bei Gott – das Fest heisst darum «Mariä Aufnahme in den Himmel». Schon im Blick auf Jesus spricht das Neue Testament ja nicht nur von seinem Auferstehen (1 Thess 4,14) und Auffahren zum Himmel (Apg 1,10), sondern auch von seinem Auferweckt-Werden (1 Kor 15,4) und seinem Emporgehoben-Werden (Apg 1,9) bzw. Erhöht-Werden durch Gott (Phil 2,9). Gemäss 1 Kor 15 ist er so sehr Glied der Menschheit und als solcher Erst- Auferweckter (Kol 1,18: Erstgeborener von den Toten), dass sich an ihm die Hoffnung auf Auferweckung festmacht, nicht primär – wie manchmal am 15. August zu hören ist – an Maria.

Mit Jesus in der Vollendung verbunden

Bereits in die Anfänge der Marienverehrung gehört die grundlegende Überzeugung, dass Maria mit ihrem Sohn auch in der Herrlichkeit der Vollendung verbunden ist. Die Dogmatisierung von 1950 zielt in der Bulle «Munificentissimus Deus» pointiert auf die Vollendung «mit Leib und Seele». Nicht zuletzt deswegen sind am 15. August hierzulande Kräutersegnungen üblich. Das eschatologische Fest mit Blick auf die Herrlichkeit des Himmels würdigt gleichzeitig den spätsommerlichen Reichtum der Natur in ihrer Schönheit und insbesondere ihre Heilkraft für den Leib. Aus der Erfahrung der Schöpfungsgaben, die den Sinnen und dem Leib wohltun, nährt sich die Hoffnung darauf, dass Gott die Menschen ganzheitlich, mit Leib und Seele, vollendet, wie es an Maria – wiederum: ebenso wie an der verklärten Menschheit Jesu – ablesbar wird.

«Frau aus dem Volk»

Zur Hoffnung auf die Vollendung des Leibes gehört aber auch die tröstliche Hoffnung, dass die gesamte irdische Lebensgeschichte nicht vergeblich war und nicht ins Leere läuft. Deswegen ist es von Bedeutung, wie über den «irdischen Lebenslauf» Mariens, nach dessen Vollendung sie «zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen worden ist» (Munificentissimus Deus: DH 3903), gedacht wird. Ist es ein Lebenslauf, der immer schon von dieser Herrlichkeit durchleuchtet war, ohne Glaubensnot, ohne Ungewissheit, ohne tödliches Bedrohtsein, ohne Schwachheit und – auch mit dieser Theorie setzte sich Rahner auseinander – ohne Erleiden von Geburtsschmerzen? Die Volksfrömmigkeit, die Maria als «Frau aus dem Volke» und «Schmerzensmutter» verehrt, hat ein besseres Gespür für die irdischen Nöte, die auch Maria erleiden musste! Wenn das Festevangelium das Magnifikat vorsieht, benennt es pointiert, welche Art von menschlichem Leben in der Vollendung Marias gewürdigt wird: «Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen» (Lk 1,52).

 

1 Nach der Dogmatisierung 1950 arbeitete er deren theologischen Ertrag ein. Zu einer Veröffentlichung kam es wegen Schwierigkeiten mit der kirchlichen Druckerlaubnis vorerst nicht. Die Publikation erfolgte erst im Zusammenhang der Sämtlichen Werke: Assumptio Beatae Mariae Virginis, in: Karl Rahner: Sämtliche Werke. Bd. 9: Maria, Mutter des Herrn. Mariologische Studien. Freiburg i. Br. 2004, 1–392. Siehe dort vor allem 135–140.

2 Vgl. ebd., 50–85 sowie Klaus Schreiner: Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin. München 1994, 463–490.

Eva-Maria Faber

Eva-Maria Faber

Prof. Dr. Eva-Maria Faber ist Ordentliche Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule Chur