Dokumentation RKZ

«Der mit der Kirche tanzt»

 Am 20./21. März 2015, ziemlich genau zwei Jahre nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus, hielt die RKZ ihre Plenarversammlung in Emmetten (NW) ab. Im Zentrum des thematischen Teils der Versammlung stand denn auch das Wirken des Papstes. In der Geschäftssitzung bildeten Finanzthemen und die Zusammenarbeit mit der Schweizer Bischofskonferenz die thematischen Schwerpunkte.

Nicht nur abwarten und nach Rom schauen

"Papst Franziskus hat in den zwei zurückliegenden Jahren viel in Bewegung gebracht. Er hat grosse Hoffnungen geweckt und die Herzen der Menschen erobert. Vor allem hat er begonnen, das Bewusstsein in unserer Kirche tief greifend zu verändern." Mit diesem Zitat aus der Bilanz des Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, eröffnete der Präsident der RKZ, Hans Wüst, die Versammlung. Und er fügte – nochmals Alois Glück zitierend – hinzu: "Wir müssen hier in unserem Land, in unserer Kirche noch aktiver werden. Wir dürfen nicht nur abwarten und nach Rom schauen. Wir sollten ganz konkret in unserem Land daran arbeiten, dass der Ruf des Papstes nach einer Kirche der Barmherzigkeit und der radikalen Zuwendung zu denen, die in Gesellschaft und Kirche am Rand stehen, Wirklichkeit wird. Das ist die beste Unterstützung für Papst Franziskus. In unserer Kirche können wir daran mitwirken, dass die helfende Hand – ganz im Sinne von Franziskus – den moralisch erhobenen Zeigefinger ersetzt."

Begegnungen auf Augenhöhe

In seinem Referat zu Papst Franziskus nahm Bruder Niklaus Kuster diesen Faden auf. Als Kenner der franziskanischen Spiritualität und Verfasser mehrerer Publikationen über den Papst rief er sprechende Zeichen des Papstes in Erinnerung und erschloss deren Tiefendimension. Papst Franziskus begegnet allen auf Augenhöhe, seien es Präsidenten oder Bettler, von Krankheiten entstellte Menschen oder Mitglieder des Europa- parlaments, Kardinäle oder Bootsflüchtlinge. Solche Begegnungen auf Augenhöhe prägten auch den Stil des Franz von Assisi. Bereits der erste Auftritt des Papstes am Wahlabend setzte programmatische Zeichen. Er präsentierte sich als einer, der lange schaut und hört, bevor er spricht. Er forderte die Gläubigen auf, zum "Vater unser im Himmel " zu beten, statt "Viva il santo padre" zu rufen, und lud alle auf den gemeinsamen Weg der Geschwisterlichkeit ein.

Aus dieser Grundhaltung, allen auf Augenhöhe zu begegnen, ergeben sich weit reichende Konsequenzen für den Auftrag der Kirche in der Gesellschaft wie für die Kirche selbst. Denn eine grosse Zahl der Töchter und Söhne des himmlischen Vaters sind arm – und entsprechend ist die Kirche gefordert, "eine arme Kirche für die Armen" zu sein. Und damit tatsächlich Geschwisterlichkeit und Barmherzigkeit das Zusammenleben in der Kirche prägen, braucht es Reformen. Aus einer von oben herab lehrenden Kirche muss ein Ort des Dialogs, des Ringens und manchmal sogar des Streitens um die Wahrheit werden, wie es etwa die Familiensynode gezeigt hat.

Dass es auf einem solchen Weg auch Rückschritte gebe, sei unvermeidlich, meinte Niklaus Kuster. Und erinnerte an den in Kreistänzen üblichen Pilgerschritt "Zwei Schritte vor – ein Schritt zurück". So tanze Franziskus mit der Kirche.

Regierungsrätliches Grusswort und Rückmeldungen

Karin Kaiser, für den Kontakt mit den Kirchen zuständige Regierungsrätin des Kantons Nidwalden, griff in ihrem Grusswort dieses Bild auf und machte deutlich, dass es ein Verlust für den Staat wie für die Kirche wäre, würden diese nicht mehr voneinander lernen und vertrauensvoll miteinander zusammenarbeiten, etwa wo es darum geht, den Schwachen eine Stimme zu geben.

Viele RKZ-Delegierte brachten zum Ausdruck, das Referat habe sie berührt und formulierten gleichzeitig die Sorge, dass die Impulse, die von Papst Franziskus ausgehen, in der Schweiz zwar wahrgenommen würden, aber wenig Wirkung zeigten. Das gelte sowohl für die Stossrichtung seiner kirchlichen Reformen als auch für sein gesellschaftspolitisches Engagement.

Am intensivsten diskutierten die Delegierten das Thema der Verteilung der finanziellen Lasten innerhalb der RKZ. Geregelt wird diese durch einen Beitragsschlüssel. 50 Prozent der Zielsumme werden nach Anzahl Katholiken auf die Mitglieder verteilt. Für die anderen 50 Prozent kommt das Prinzip der Solidarität zur Anwendung, indem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kantons und die kirchliche Finanzkraft berücksichtigt werden. Trotzdem entrichten einzelne Mitglieder nicht den gesamten erwarteten Beitrag. Sind die Gründe für diese Minderleistungen überzeugend, kann die Plenarversammlung einen Teil des Beitrags erlassen. Die verschiedenen Wortmeldungen zeigten, dass die Leistung des vollen Beitrags vor allem in jenen Kantonen schwierig ist, in denen die kantonalkirchliche Organisation bzw. das Bistum nicht die Möglichkeit hat, von der lokalen Ebene ausreichend Mittel auf die obere Ebene zu bringen. Entsprechende Veränderungen erfordern die Schaffung entsprechender rechtlicher Grundlagen, Überzeugungsarbeit und einen entsprechenden politischen Willen. Fehlt es daran, kann dies die gesamte Solidarität gefährden, beruht diese doch darauf, dass alle sich bemühen und dass es keine "Trittbrettfahrer" gibt. Andernfalls könnten finanziell gut gestellte RKZ-Mitglieder versucht sein, nur noch einen Teil des Beitrags zu zahlen, vor allem, wenn auch sie zum Sparen gezwungen sind.

Zusammenarbeit mit der Bischofskonferenz

Ein weiteres gewichtiges Traktandum war die Zusammenarbeit der RKZ mit der Schweizer Bischofskonferenz. Diese soll künftig nicht mehr nur für die finanziellen Fragen, sondern insgesamt auf der Basis einer Vereinbarung beruhen und verbindlicher werden. Nicht zuletzt im Hinblick auf diese Thematik hatte RKZ-Präsident Hans Wüst die Geschäftssitzung mit einer Erinnerung an den im Januar zum Kardinal erhobenen ehemaligen Nuntius in der Schweiz, Karl-Josef Rauber eröffnet. Dieser hatte in seinem Dankbrief an die RKZ für deren Glückwünsche festgehalten, er habe "die Jahre, die ich in der Schweiz verbringen durfte nicht vergessen. Für mich waren es sehr fruchtbare Jahre, in denen ich mich mit vielen Fragen und Problemen zu befassen hatte. Wenn ich alles so überdenke, bin ich der Meinung, dass der Heilige Vater Franziskus sicherlich viel Verständnis für bestimmte Besonderheiten hat, die aber auch richtungweisend sein können für noch viel grössere Bereiche".

Die Einschätzung, dass Papst Franziskus eine positive Grundhaltung zu unseren staatskirchenrechtlichen Strukturen hat, teilt auch der ebenfalls zitierte Kirchenrechtler und Kanzler des Bistums St. Gallen, Claudius Luterbacher: "Als kleine Sensation sind die würdigenden Worte des Papstes zur Schweizer Kirchenorganisation zu werten. In fast allen Kantonen existieren parallel zu den Pfarreien und Bistümern demokratisch organisierte Kirchgemeinden und kantonale Körperschaften. Demokratisch gewählte Verwaltungsräte der Kirchgemeinden und kantonalen kirchlichen Körperschaften arbeiten mit den Seelsorgenden in Pfarreien und den Verantwortlichen in den Bistümern zusammen. Dass ein Papst wünscht, dass diese Besonderheit ‹ruhig weitergeführt werden› soll und sie als ‹Reichtum in einer besonderen Zusammenarbeit› würdigt, ist noch nie vorgekommen." Solche Aussagen belegen, dass die medienwirksam vertretene These, die kantonalkirchlichen Körperschaften seien mit dem Selbstverständnis der Kirche unvereinbar und deshalb abzuschaffen, sich nicht mit der Haltung des Papstes deckt, und ermutigen die RKZ, sich im Dialog mit der SBK beharrlich für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe einzusetzen.

Zürich, 24. März 2015 Daniel Kosch

 

 

 

 

Daniel Kosch

Daniel Kosch

Dr. theol. Daniel Kosch (1958) ist seit 2001 Generalsekretär der Römisch- Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz. Zuvor leitete er während rund 10 Jahren die Bibelpastorale Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Kirchenfinanzierung, Kirchenmanagement und Staatskirchenrecht.