«Die Katechese wird modulartiger»

Geringe religiöse Praxis, Auflösung der volkskirchlichen Strukturen u. a. m. erfordern ein Überdenken der bisherigen Erstkommunionvorbereitung. Die SKZ suchte das Gespräch mit Monika Jakobs und Iris Maria Blecker-Guczki.

SKZ: Welche Entwicklungen beobachten Sie in der Erstkommunionvorbereitung in den letzten Jahren?
Monika Jakobs (MJ)1: In ihr treffen die hohe theologische Bedeutung der Eucharistie und die harte Realität der Fremdheit vieler gegenüber der Liturgie, die fehlende und geringe religiöse Praxis und die hohen Erwartungen der Familien an ein schönes Fest aufeinander. Das ist die Situation seit langem und macht die Erstkommunionvorbereitung für die katechetisch Tätigen zu einer grossen Herausforderung. Umfang und Art der Vorbereitung sind je nach Ort unterschiedlicher geworden. Es gibt zwar viel Material für die Katechese. Dieses ist nach wie vor auf ein System kontinuierlicher Gruppenarbeit mit einer homogenen Gruppe ausgerichtet. In der Didaktik hat es sich seit Jahrzehnten nicht verändert. Heute ist es selbstverständlich, dass die Eltern in die Katechese einbezogen werden. Das von ihnen erwartete Engagement ist unterschiedlich. In Deutschland werden die Eltern oft als ehrenamtliche Katechetinnen und Katecheten eingesetzt, während in der Schweiz die Katechese i. d. R. nicht ehrenamtlich ist. Für die Eltern ist das Fest nach wie vor ein Familienfest und absorbiert entsprechend familiäre Ressourcen.

Iris Maria Blecker-Guczki (IMB)2: So sehe ich das auch. Seit Jahrzehnten wandelt sich das familiäre, gemeindliche und gesellschaftliche Umfeld für eine Katechese, wie es sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gibt. Immer mehr Menschen haben kaum gottesdienstliche Erfahrungen, die zu deuten wären. Und auch die Vorstellung davon, was Erstkommunion ist, wandelt sich. Immer mehr Eltern wollen oder können ihre Kinder auf dem Weg des Christwerdens nicht begleiten und überlassen dies den pastoralen Fachleuten. Das führt zu einer hohen Erwartungshaltung an die Verantwortlichen.

Wohin geht die Entwicklung?
MJ: Es ist zu erwarten, dass in Zukunft der volkskirchliche Charakter, den das Fest immer noch hat, abnimmt, weil die Zahlen abnehmen werden. In einzelnen Pfarreien wird versucht, die katechetische Vorbereitung individueller zu gestalten, im Sinne einer differenzierten Katechese. Sie wird modulartiger: Es gibt Auswahlmöglichkeiten, was Inhalt, Intensität und Partizipation am Pfarreileben betrifft. Damit wird ein Minimalanspruch definiert und gleichzeitig haben diejenigen, welche die katechetische Vorbereitung intensiver nutzen wollen, die Gelegenheit dazu.

IMB: Ich glaube, dass die Erwartungen vieler Familien an die Feier der Erstkommunion sich noch weiter von der Eucharistietheologie entfernen. Pastoral steht dann die grundsätzliche Entscheidung an, welchen Kurs man mit der Katechese und der Feier selbst fahren will: möglichst niederschwellig den Kindern und ihren Eltern entgegenkommen und ein schönes Fest vorbereiten und feiern oder das Verständnis und das Feiern des Sakraments der Eucharistie vermitteln und vertiefen.

Diese Entwicklungen machen einen ganz anderen Modus der Glaubensweitergabe notwendig. Wie kann die Glaubensweitergabe in Zukunft geschehen?
MJ: Ein Perspektivenwechsel ist notwendig. Katechese wird meist nur von der Perspektive der Traditionserhaltung und -weitergabe gedacht und von der Sicherung der Kirche her, jedoch nicht von dem her, was Menschen brauchen. Das wäre jedoch notwendig. Katechese wurde von der Würzburger Synode in «Das katechetische Wirken der Kirche» schon 1974 so definiert: dem Menschen zu helfen, dass sein Leben unter dem «Zuspruch und Anspruch Gottes» gelingt. Die heutige Situation zwingt dazu, noch einmal genau zu überlegen, worin die Lebensrelevanz des Glaubens besteht, und die Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenswelten vorbehaltlos wahrzunehmen. Das ist aber nicht nur Aufgabe der Katechese, sondern der gesamten Pastoral. Überhaupt kann Katechese nicht ausgleichen, was sonst in der Pastoral nicht gut klappt: Mangelnde Partizipation, unattraktive Liturgien, wenig Gemeinsinn. Katechese funktioniert hingegen dort gut, wo das gesamte pastorale Umfeld gut ist.  Natürlich kann man sagen: Noch bessere Sprache, noch geschicktere Elementarisierung, aber dies ist eben nicht nur Sache der Katechese. Der Denkfehler liegt darin, dass allein die Katechese dafür verantwortlich gemacht wird, dass die Glaubensweitergabe nicht klappt.

Für Christian Hennecke ist es nicht mehr einsichtig, «warum neben den Gründen gewachsener Tradition eine Jahrgangskatechese sinnvoll sein sollte, führt sie doch eben nicht zur Weitergabe des Glaubens im Sinne einer nachhaltigen Einführung in den christlichen Glauben». Was spricht dennoch für die Fortsetzung jahrgangsweiser Erstkommunionvorbereitung?
MJ: Ich finde die Argumentation Henneckes überzeugend, insbesondere dort, wo man es mit kleinen Zahlen und mit Minderheitssituationen zu tun hat. Es ist zu überlegen, ob es nicht günstiger sein könnte, wenn die Erstkommunion zu einem geeigneten Zeitpunkt für mehrere Geschwister einer Familie stattfinden könnte, und zwar nicht nur aus praktischen Gründen, sondern weil die Familie bereit ist, sich auf einen solchen Prozess einzulassen. Der Nachteil ist, dass dann der Anlass sehr in die Privatisierung geht. Das Gemeinschaftselement über die Familie hinaus in eine grössere Glaubensgemeinschaft muss gewahrt bleiben. Dennoch ist die jahrgangsweise Vorbereitung absolut nicht zwingend. Die Konsequenzen der Entscheidung, diese aufzugeben, sehen an verschiedenen Orten unterschiedlich aus. Es könnte sein: der Anblick der einheitlich gekleideten Kommunionkinder am Weissen Sonntag, die Atmosphäre des Festes, das tatsächlich mehr ist als ein Familienfest, der Rhythmus des pfarreilichen Festkalenders, die Einfachheit der Organisation. Mit der jahrgangsweisen Erfassung werden (noch) eine Reihe von Menschen angesprochen, die eigentlich der Kirche fernstehen und sonst den Kontakt nicht hätten. Wenn das allerdings das Ziel ist, dann darf man sich nicht über die religiöse Unkenntnis und Kirchenferne beklagen.

IMB: Es spricht eigentlich alles gegen eine jahrgangsweise Katechese. Kinder und Familien sind unterschiedlich. Religiöse Sozialisation ist unterschiedlich. Entsprechend ist auch der Zeitpunkt, an dem ein Kind reif ist, die Eucharistie sowohl bewusst mitzufeiern als auch sie als das zu empfangen, was sie ist, nämlich Leib Christi, bei jedem Kind anders. Wenn Eltern, Lehrpersonen und Seelsorgende Kinder gut und aufmerksam begleiten, werden sie merken, wann es Zeit ist, mit der Eucharistiekatechese zu beginnen. Sinnvoller sind differenzierte Wege der Katechese sowie Kinder und Eltern, die von sich aus kommen und nicht per Automatismus dazu aufgefordert werden.

Viele Kinder erleben bei der Erstkommunion einen ihrer ersten Gottesdienste überhaupt. Eltern und Taufpaten bringen wenig liturgische Erfahrungen mit. Das Erschliessen der Feier baut auf Erfahrung auf. Wie kann dies in der Katechese umgesetzt werden?
IMB: Erstkommunion ist unter mehreren Perspektiven zu betrachten, und das macht eine klare pastorale Position auch so schwierig: Für die meisten Familien ist es eine biografisch motivierte, einmalig begangene religiöse Feier. Aus dieser Sicht ist die Anforderung, einen so komplexen Gottesdienst wie eine Eucharistiefeier in «voller, bewusster, aktiver und geistlich fruchtbarer Teilnahme» mitzufeiern, sehr sehr hoch! Auf der anderen Seite steht die theologische Sicht, für die die Erstkommunionfeier in erster Linie eine Eucharistiefeier ist. Genauer: der feierlich begangene erste Empfang der Eucharistie, dem dann noch viele weitere folgen. Liturgietheologisch ist die Feier der Eucharistie Realisierung des Auftrags Jesu: «Tut dies zu meinem Gedächtnis!» und seiner Zusage: «Immer, wenn ihr dies tut, bin ich bei euch!» Sie ist erinnerndes Vergegenwärtigen und somit eine der dichtesten Formen, in Beziehung mit Gott und mit Jesus Christus zu treten. Das gilt für jede Eucharistiefeier und auch für die Feier der Erstkommunion. Ekklesiologisch ist jede Eucharistiefeier Selbstvollzug und Auferbauung der Kirche als Volk Gottes in der Gegenwart Jesu Christi, und die Erstkommunionfeier ist nach der Taufe ein weiterer Schritt der Eingliederung in die Gemeinschaft der Kirche. Theologisch haben wir es also mit einer der bedeutungsschwersten und anspruchsvollsten liturgischen Feiern zu tun. Wie kann eine Erstkommunionkatechese den Beteiligten all diese Facetten erschliessen? Ganz klar: Sie kann es nicht! Nur ein längerer, ja lebenslanger Prozess der Feierpraxis und des Lernens, persönlich und v. a. in Gemeinschaft kann die Bedeutung der Eucharistiefeier annähernd erschliessen. Ich kenne nur einen Weg, wie das gelingen kann, und den gibt es seit der frühen Kirche: Eine Art Katechumenat, während dessen Kinder und Eltern durch wiederholtes Feiern und Deuten in die feiernde Gemeinschaft und die Beziehung mit Gott hineinwachsen können, wobei sie von bewährten Menschen begleitet werden. Eine solche Katechese richtet sich nicht nur an Kinder, sondern auch an ihre Eltern, Paten, Grosseltern, Geschwister. Sie besteht im Wesentlichen aus liturgischen Feiern, u. a. Sonntagseucharistiefeiern, Wort-Gottes-Feiern und sogenannten Weggottesdiensten, die im Nachgang mystagogisch erschlossen werden. Und eine solche Katechese dauert mindestens ein Kirchenjahr lang, um die ganze Feier des Pascha-Mysteriums Christi wenigstens einmal in seiner Fülle zu erleben und zu deuten.

Sie sprechen von einer Art Katechumenat. Bei den Publikationen mache ich eine Tendenz aus, in der vermehrt der Akzent auf die Initiation und das Katechumenat gelegt wird. Worin sehen Sie, Frau Jakobs, hier die Chancen und die Herausforderungen?
MJ: Das ist absolut unrealistisch. Wenn man sich unsere Kirche anschaut, die im Umbruch ist – grosse Pastoralräume, ein kleiner Prozentsatz aktiver Beteiligung, Anzahl der Gottesdiensteilnehmenden –, muss man sich fragen: Wo hinein soll ganz konkret initiiert werden? Wollen die Eltern eine solche Initiation, wenn sie die Kinder anmelden? Zugespitzt könnte man sagen: Ist eigentlich Kirche am Ort bereit für Initiation, wie sie oben beschrieben wird? Ausserdem ist das sakramententheologisch problematisch, weil die Initiation bereits in der Taufe geschieht. Die Grundfrage, die dahinter steckt ist die: Wie gehen wir mit der Heterogenität der Familien um, deren Kinder in die Katechese kommen? Schraubt man die Anforderungen im Sinne eines Katechumenates hoch, und gibt sich damit zufrieden, dass nur wenige dazu bereit sind? Was kann und will man den Menschen anbieten, die aus ganz unterschiedlichen Gründen immer noch so interessiert sind, dass sie ihre Kinder zu den Sakramenten anmelden? Das ist keine triviale und wahrscheinlich auch nicht eine eindeutig zu beantwortende Frage.

Wo bieten sich für die Katechese theologische Anknüpfungspunkte an, die auf die inhaltliche Mitte der Eucharistie verweisen und gleichzeitig für Kinder wie für Erwachsene verständlich und erfahrbar sind?
IMB: Das Wichtigste ist tatsächlich, dass Katechese verstanden und nachvollzogen werden kann. Dafür ist aber vor allem Lebensbezug und das persönliche Auftreten der in der Katechese Tätigen wichtig. Kinder verstehen mich immer dann, wenn ich theologische Sachverhalte nicht in Floskeln und Lehrsätzen, sondern mit eigenen Worten erkläre; wenn ich von mir, meinem Glauben und Fragen und dem Wirken Gottes in meinem Leben spreche. Gut gelingen solche katechetischen Gespräche, wenn sie gerade nicht von theologischen Axiomen ausgehen, sondern von Erfahrungen, z. B. Liedern und Gesängen, biblischen Erzählungen, Zeichenhandlungen oder auch Gebeten, die in der Feier von Gottesdiensten vorkamen. Die Theologie wird dann im Erzählen vermittelt. Dafür finden sich ganz viele Anknüpfungspunkte, wenn die Katechese sich an die liturgische Feier anschliesst. Spezifisch im Blick auf die Feier der Eucharistie können in der Katechese folgende Elemente im oben genannten Sinn erschlossen werden: Sich-Versammeln; in der Gegenwart Jesu Christi zusammenkommen; das Heilshandeln Gottes in der Geschichte Israels, im Leben Jesu, in der Geschichte der Kirche und im Leben der Menschen bis heute; Lobpreis und Dank; das Bekennen eigener Schuld; das Für-andere-Beten; das erinnernde Vergegenwärtigen des Geschehens beim letzten Abendmahl und in Emmaus; Segen und Sendung; ggf. auch Bitten und Klagen.

Wie können diese eben genannten Elemente didaktisch-methodisch aufbereitet und eingesetzt werden?
MJ: Die Aufzählung ist sehr umfangreich und anspruchsvoll. Für die didaktisch-methodische Umsetzung gibt es keine Patentrezepte, jedoch einige Prinzipen. Gerade in der Katechese ist es möglich – anders als im schulischen Unterricht – Erfahrung und Deutung zusammen zu bringen. Dazu gehört der Mut und die Fähigkeit, sich auf Weniges zu beschränken und es so zu gestalten, dass idealerweise das Interesse an der Sache bleibt. Wenn man das Sich-Versammeln ansieht, ist genau zu überlegen, wie man sich in der Katechese versammelt und wie das Zusammensein sorgfältig ästhetisch, sinnlich, symbolhaft gestaltet werden kann. Wird dabei etwas gemeinsam gegessen? Wie wird das Zusammensein reflektiert? Damit wäre eine Grunderfahrung geschaffen, die notwendig ist, damit die theologischen Deutungen überhaupt verstanden werden können.    

Welche Wünsche haben Sie als Liturgiewissenschaftlerin an die Erstkommunionkatechese?
IMB: Keine wissenschaftliche, aber eine liturgiepastorale Sicht: Ich wünsche mir vor allem kompetente, mutige und spirituelle hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger, die sich mit dem Feiern der Liturgie auskennen, die wissen, was sie im Gottesdienst wann, warum und wie tun; die selber bewusst, aktiv und mit geistlichem Gewinn Eucharistie feiern; die ihren gottesdienstlichen Erfahrungsschatz gern mit ihren Schützlingen teilen; die keine Angst haben, über die theologischen Bedeutungen von Erstkommunion und Eucharistie zu sprechen; die auch persönlich Zeugnis geben von ihrer Beziehung zu Gott; die mit Kindern und Erwachsenen beten, singen und feiern können und die ehrenamtliche, in der Katechese Tätige mit Sachverstand und Freundlichkeit begleiten.

Und Sie als Professorin für Religionspädagogik?
MJ: Dass die Menschenfreundlichkeit Gottes in ihr sichtbar wird.

Interview: Maria Hässig

 

1 Prof. Dr. Monika Jakobs (Jg. 1959) ist Professorin für Religionspädagogik und Leiterin des Religionspädagogischen Instituts an der Universität Luzern.

2 Iris Maria Blecker-Guczki (Jg. 1970) ist Theologin und Referentin am Deutschen Liturgischen Institut. Sie leitet «Liturgie im Fernkurs» und koordiniert den Bereich «Kinder- und Familiengottesdienste».

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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