«Die Erwartungen sind ganz klar gestiegen»

Olaf Kapitschke ist seit 2008 Küchenchef in der Propstei Wislikofen. Er wuchs in Deutschland auf und absolvierte die Ausbildung zum Koch. Seit 16 Jahren ist er in der Schweiz tätig, davon zehn in der Propstei Wislikofen – ein Ort, an dem er seine Leidenschaft fürs Kochen ganz entfalten kann. (Bild: mh)

 

In einer Talsenke zwischen Hügeln gelegen ist die Propstei Wislikofen* der ideale Ort für Seminare oder einfach zur Entspannung. Auch kirchliche Gruppierungen wie Pfarreiteams, Verantwortliche von Seelsorgeeinheiten oder die Bistumsleitung sind hier gerne zu Gast. Kulinarisch verwöhnt sie Olaf Kapitschke. Er wirkt seit zehn Jahren mit grosser Leidenschaft als Küchenchef. Mit ihm traf ich mich an einem trüben Novembernachmittag zum Gespräch bei Kaffee und selbstgemachten Guetzli im Kreuzgang der Propstei.

SKZ: Worauf achten Sie bei der Menügestaltung?
Olaf Kapitschke: Sie sollte abwechslungsreich sein. Ich achte auf eine saisonale Küche und beziehe Fleisch, Gemüse und Früchte aus der Region; Äpfel und Birnen direkt vom Bauernhof. Das Fleisch kaufe ich beim Metzger in Döttingen. Zu 80 bis 90 Prozent verwenden wir Fleisch aus der Schweiz oder dem nahen Ausland. Saisonal und regional sind mir sehr wichtig.

Mit saisonal und regional stecken Sie sich ein hohes Ziel.
Ja, und es würde konsequenterweise bedeuten, dass beispielsweise jetzt in der Obstschale keine Orangen oder Bananen sind. Aber die Gäste erwarten mehr als Äpfel und Birnen. So gibt es eine Diskrepanz zwischen meinen Idealen und der Realität. Die Gäste schätzen zwar, dass wir saisonal kochen und regionale Produkte bevorzugen, erwarten aber dennoch Nahrungsmittel, die dem nicht entsprechen. Das hängt auch mit der in unseren Breitengraden üblichen ganzjährigen Verfügbarkeit der Nahrungsmittel zusammen.

Immer mehr Menschen leiden an Aller- gien und Unverträglichkeiten, was ein hohes Mass an Flexibilität erfordert ...
Personen mit wirklichen Allergien und Intoleranzen sind äusserst dankbar und schätzen unsere Arbeit sehr. Ich versuche, mit ihnen gleich zu Beginn ihres Aufenthalts hier ins Gespräch zu kommen. So können wir eruieren, welche Nahrungsmittel vertragen werden und welche nicht, und ich bin auf der sicheren Seite, wenn Komplikationen auftreten. Allergien sind eine spannende Herausforderung: Man entwickelt ein Gefühl für laktose- oder glutenfreie Ernährung und ein Verständnis für die Situationen der betroffenen Personen; man erarbeitet sich Wissen und macht wertvolle Erfahrungen in der Zubereitung der Menüs. Ich habe mir so ein grosses Repertoire an neuen Möglichkeiten erschaffen. Jene, die von sich aus, ohne fachliche Abklärung und Beratung, eine laktose-, glutenfreie oder andere Diät angehen, sind sehr fordernd. Ihnen fehlt oft das Hintergrundwissen, z. B. wo überall Milchpulver drinsteckt. Manchmal beobachte ich Gäste, die eine laktosefreie Ernährung anmeldeten, sich aber in der Pause einen Latte macchiato gönnen. Das sind 2 dl Milch! Ich nehme es gelassen und koche für sie weiterhin konsequent laktosefrei. So bin ich abgesichert, wenn sie über Bauchweh klagen.

Laktose-, glutenfreie oder auch vegane Menüs zu kochen bedeutet für Sie zusätzliche Arbeit.
Für Suppen verwende ich gar kein Mehl mehr. Ich binde sie mit Kartoffeln und versuche, die Suppe bis kurz vor dem Servieren möglichst neutral zu halten, damit ich auf die eine oder andere Unverträglichkeit und Allergie reagieren kann. So köcheln in der glutenfreien Suppe auch weder Milch noch Rahm mit, sondern der Rahmtupfer kommt ganz am Schluss oben drauf oder eben nicht. Auch backe ich Kuchen aus glutenfreiem Mehl, mit pflanzlichem Fett, ohne Milch und Ei – vegan, laktose- und glutenfrei. Anders würde es zeitlich nicht gehen.

Sie gehen stark auf die Wünsche der Gäste ein.
Die Erwartungen der Gäste voll zu erfüllen, gehört zum Hotelgewerbe. Aber die Erwartungen sind ganz klar gestiegen. Bei uns ist Essen überall und jederzeit verfügbar. Aus dieser ständigen Verfügbarkeit heraus erwächst eine Haltung, die wir auch hier spüren. Ich beobachte, dass die Menschen wenig daran denken, was es alles braucht, damit diese Verfügbarkeit überhaupt möglich ist.

Zum Schluss erlaube ich mir eines der leckeren Guetzli, es schmeckt ausgezeichnet. Danach führt mich der Koch in seinen sehr gepflegten Kräutergarten. Einzelne Kapuzinerkresseblüten trotzen dem Novembergrau, ich entdecke Thymian, Salbei, Rosmarin und Lorbeer – Kräuter, die dem Essen die Würze und das spezielle Etwas geben, genau das, was Kapitschke seinen Menükreationen verleihen will.

Interview: Maria Hässig

 

* Das altehrwürdige Gebäude in ländlicher Umgebung wurde in den 1970er-Jahren umfassend, die alte Baumasse erhaltend saniert. Es gehört der römisch-katholischen Landeskirche Aargau und wird als Bildungs- und Seminarhaus geführt. Seine Wurzeln gehen bis ins 9. Jahrhundert zurück. Als Seminar- und Bildungshaus beherbergt es heute nicht nur die Kursteilnehmer, die schmucken Räume und der idyllische Innenhof des ehemaligen Benediktinerklosters werden auch von Familien für Feiern wie Hochzeiten, Geburtstage und Taufen gerne genutzt. www.propstei.ch

BONUS

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