Die Betreuten wollen nicht mehr

Eine Polemik zur halbherzigen Einlösung des Konzils in den Pfarreien

1988 wies Hermann Steinkamp unter dem Titel «Selbst wenn die Betreuten sich ändern» darauf hin, dass die territoriale Struktur der katholischen Kirche die Bildung lebendiger (Basis-)Gemeinschaften und das Engagement von Christinnen und Christen nicht fördere, sondern verhindere.1 Das Pfarreisystem symbolisiert, dass jeder Katholik und jede Katholikin flächendeckend einen direkten Zugang zu den Angeboten seiner/ihrer Kirche hat. Engagement für den Glauben wird identisch mit der Aufgabenübernahme in der Pfarrei und der Teilhabe an ihren lebensweltlichen Vollzügen. Gleichzeitig wurde eine Kundenmentalität geschaffen, die nur wenig mit lebendigem Christsein zu tun hat. Eine Mehrheit nimmt die Kirche an den Knotenpunkten des Lebens in Anspruch und will ansonsten von ihr unbehelligt bleiben. Und selbst wenn die durch den Pfarrer Betreuten ihr Verhalten wirklich ändern wollten, stehen die subtilen Abhängigkeiten innerhalb des Parochialprinzips dem im Wege.

Aktuelle Gründe für die Passivität der Betreuten

Im Jahr 2013 hat sich diese Diagnose verschärft. Die Betreuten treten nicht gemäss ihrer Würde als Christenmenschen aus ihrer passiven Rolle in der Kirche heraus, sondern sie treten gleich ganz aus der Kirche aus. Die Erfahrungen, die Partner einer konfessionsverschiedenen Ehe, Geschiedene und Homosexuelle, aber auch manche Beichtkinder und Zöglinge in Internaten und Heimen mit der Kirche gemacht haben, geben dieser Entscheidung eine hohe persönliche Plausibilität. Andere bleiben formell Kirchenmitglieder, aber sie sind nicht mehr bereit, sich in die bestehenden Pfarreien einzubringen. Sie geben ihrem Glauben auf andere Weise und in anderen Zusammenhängen eine für sie besser passende Form. Das gilt gerade für Menschen, die spirituell und liturgisch besonders anspruchsvoll und häufig selber hoch kompetent sind.

Die Betreuer, also die pastoralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, und die Kirchenleitungen sind mit ihrem Latein am Ende. Sie fordern die Laien ständig zu einem verstärkten Engagement auf, weil die Zahl der Hauptamtlichen zurückgeht und Aufgaben in der Pfarrei liegen bleiben. Offensichtlich sind immer weniger Katholiken und Katholikinnen bereit, diesem Aufruf Folge zu leisten. Die Tatsache allein, dass die Laien zu mehr Engagement aufgefordert werden, ist Ausdruck ihrer untergeordneten Rolle in der Kirche. Gemeindepastorale Aktivierungsprogramme offenbaren manchmal eine paternalistische Grundtendenz, die die Getauften als Subjekte ihres Glaubens und als vollwertige Glieder der Kirche letztlich nicht ernst nimmt. Dabei bietet gerade das Schweizer Modell der lokalen Kirchenfinanzierung von unten den Gemeinden eine wirksame Basis für ein selbstbewusstes Auftreten gegenüber den Bistumsleitungen. Es gibt weitere Ursachen für den Rückzug vieler Katholiken und Katholikinnen aus den Pfarreien. Ich will sechs Gründe exemplarisch anführen:

1. Das religiöse Monopol der Kirchen besteht in der spätmodernen Gesellschaft nicht mehr, insofern ihre Mitglieder nun einen Markt mit alternativen Möglichkeiten antreffen und sich selbstbewusst auf diesem Markt bewegen. Viele Angebote ermöglichen ein believing without belonging (Grace Davie), und das scheint attraktiver zu sein als die Kirchenmitgliedschaft.

2. Die postulierte Offenheit vieler Pfarreien für das Engagement aller Getauften entpuppt sich bei näherem Zusehen als Abgrenzungsstrategie.2 Denn faktisch gesellt sich nur Gleich und Gleich gerne in den Pfarreien. Deren milieu- und altersspezifische Homogenität schliesst das Mittun von Christinnen und Christen aus anderen ästhetischen Erlebniskulturen aus.

3. Die Laien fühlen sich nur als Lückenbüsser zu mehr Einsatz aufgerufen. Der geweihte Amtsträger personifiziert in dieser Perspektive den gewünschten Normalzustand in den Pfarreien. Der Rückgang der Zahl kompetenter Gemeindeleiter muss nun durch den verstärkten Einsatz von Ehrenamtlichen kompensiert werden. Dabei ist es nicht unbedingt überzeugend, Priestermangel zum Gläubigenmangel umzuetikettieren.

4. Die Formen des zivilgesellschaftlichen Engagements und der Partizipation haben sich in der Spätmoderne grundlegend verändert. Sie erweisen sich häufig als inkompatibel mit den Möglichkeiten, die eine Pfarrei bietet. Der Wunsch nach direkter Teilhabe insbesondere junger Menschen wird durch Tagesordnungen, Gremiensitzungen, Satzungen und feststehende Hierarchien frustriert.3 Hinzu kommen die kirchenrechtlichen Begrenzungen der Mitsprachemöglichkeit.

5. Es gibt geschlechtsspezifisch eine ungleiche Verteilung in der Kirche: Frauen bilden mehrheitlich die aktive Basis in den Pfarreien und Männer immer die Spitze. Diese Verteilung wird durch die mangelhafte Kooperationsbereitschaft oder -fähigkeit man- cher Amtsträger extra prekär. In der demokratischen Gesellschaft gilt zudem das Inklusionsgebot, wonach jeder und jede im Prinzip Zugang zu jeder sozialen Rolle haben sollte. Darum erscheint der Ausschluss der Frauen von der kirchlichen Leitungsverantwortung besonders unglaubwürdig.

6. Die Gemeindepastoral ist Teil der spätmodernen vicarious religion, das heisst, sie wird als wichtig für das eigene Leben anerkannt, ohne dass dies aber mit persönlichen Konsequenzen verbunden sein darf.4 Das komplementäre Verhältnis von Professionellen und Nicht-Professionellen sowie die Akzeptanz dieser Rollenverteilung prägen auch Teile der Kirche. Die Laien berufen sich in religiösen Dingen, genauso wie sie dies in den meisten anderen Bereichen ihres Lebens gewöhnt sind, auf einen Experten. Die Kleriker und Laientheologinnen und -theologen sollen den Glauben stellvertretend für alle leben und verkündigen.

Pastoralhistorische Ursachen

Es gibt noch weitere Gründe dafür, dass die Betreuten in der Kirche sich nicht zu mehr Engagement in den Pfarreien motivieren lassen. Mir scheint, dass darin eine bestimmte Mentalität zum Ausdruck kommt, die pastoralhistorisch gewachsen ist. Weil die Laien in der Kirche lange Zeit als Katholiken zweiter Klasse galten, fällt der Wechsel aus dem Betreutenmodus in die Rolle selbstbewusster Subjekte des eigenen Glaubens und mündiger Glieder der Kirche schwer. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Mentalität zwar grundsätzlich überwunden. Es schaffte (erneut) das Bewusstsein für die eigenständige Würde und Autorität der Laien in der Pfarrei, von der «vor dem Konzil weder in der Theologie noch in der kirchlichen Praxis die Rede war».5 Trotzdem hat sich dieser Wandel nicht überall durchgesetzt. Es droht sogar ein Rückfall hinter die nach dem Konzil erreichte innerkirchliche Emanzipation der Laiinnen und Laien. Man kann diese restaurativen Tendenzen vor dem Hintergrund der lange Zeit prekären Stellung der nichtgeweihten Christinnen und Christen in der Kirche interpretieren.

 

Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil war der normale Gläubige vor allem der Empfänger des sakramentalen Heilsdienstes des Klerikers. Allerhöchstens war er dessen verlängerter Arm in der Seelsorge und Katechese. Denn «das traditionale Verständnis von Pastoral denkt diese aus der Perspektive des Priesters und seines sakramentalen Handelns am Volk Gottes. Alle Seelsorge zielt darauf hin und soll vom Volk Gottes subsidiär unterstützt werden».6

Die geweihten Amtsträger waren demnach lange die eigentlichen Subjekte in der Pfarrei. Die Teilhabe der Laien an der heilsamen Bewegung Gottes auf den Menschen hin wurde durch ihr Handeln verstetigt und gesichert. Die Laien wurden zu reinen Rezeptoren. Mit diesem gemeindetheologischen Konzept wurde einerseits ein Gegensatz zwischen geweihten und nichtgeweihten Christinnen und Christen festgeschrieben. Andererseits wurden beide Seiten aber auch in ein komplementäres Verhältnis zueinander gesetzt: Vermittler des Heils und des Glaubens – Empfänger des Heils und des Glaubens. Die Priester formten dazu als Kleriker einen eigenen Stand, die Laien wurden ihnen unter- beziehungsweise zugeordnet und so erst zu echten «Laien».

In den Schriften des Alten und Neuen Testaments dagegen bedeutet dieser Begriff zunächst etwas ganz anderes. Laie ist hier jeder und jede, der/die zum Volk Gottes gehört. Es geht also keinesfalls um einen abwertenden Begriff. Im Gegenteil: Wer Israel zugehört, als dem durch Gott zuerst auserwählten Volk, und wer später als Getaufter Glied der christlichen Gemeinde ist, der gehört zum laós, also zum Gottesvolk. Er ist ein laikos beziehungsweise ein laicus.7 Insofern ist in der Kirche jede(r) Getaufte ein Laie beziehungsweise eine Laiin.

Dieser Begriff markierte demnach in der frühen Kirche keine Defizitanzeige, sondern gerade das kollektive Bewusstsein, auserwählt zu sein. Und der Begriff markierte auch keine binnenkirchliche Unterscheidung zwischen Geweihten und Nichtgeweihten, sondern die Grenze zwischen Gemeindemitgliedern und Nichtgetauften. Er diente also zunächst der externen Differenzierung und nicht der internen.

Diese nach innen zunächst egalitäre Sicht auf den Laien – denn jeder und jede war ein solcher beziehungsweise eine solche – wurde allerdings mit der Zeit durch eine Struktur überlagert, in der die Geweihten immer mehr Macht an sich zogen. Die ursprüngliche Definition von Inklusion und Exklusion nach aussen wurde dabei in ein internes Unterscheidungskriterium umgeformt. Dieses bestimmte fortan die Kirchengeschichte, auch wenn die hierarchische Amtsstruktur historisch ganz unterschiedliche Gestalten angenommen hat. «Doch im Ganzen und als Resultat ist festzuhalten, dass die Amtsträger sich zu einem eigenen innerkirchlichen Stand, zur ‹Amtskirche› zusammengeschlossen haben und die ‹Laien›, definiert als die Nicht-Priester, übrig bleiben.»8 Zusätzlich kam es zu einer Konzentration des Amtes auf kultisch-sazerdotale Vollzüge.

Natürlich ist diese Grundtendenz in der Kirchengeschichte nie ohne Gegenbewegungen geblieben, wie man etwa an der Entstehung von Orden als ausdrückliche Laienbewegungen oder an den Manifestationen einer autonomen Volksreligiosität zu allen Zeiten sehen kann.9 Auch von Seiten des Amtes gab es seit dem Spätmittelalter ein ausdrückliches Interesse an der Förderung der Laien. Man kann darum schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil von einem Langzeittrend zur Aufwertung der Laien in der katholischen Kirche sprechen.10 Geschichtliche Beispiele hierfür sind der Aufschwung der Katechese in der Gegenreformation oder die sozialen Laienbewegungen in der Katholischen Aktion im 20. Jahrhundert. Kennzeichnend für diese Tendenzen war freilich, dass das Laienengagement sowie die Schulung und Förderung der Gläubigen unter klerikaler Führung verblieben. Das gilt teilweise auch für die gesellschaftliche Emanzipation der Katholikinnen und Katholiken in der Moderne, etwa durch höhere Bildung oder durch organisierte politische Teilhabe. An diesem Punkt gibt es freilich länderspezifische Unterschiede: Die Entwicklung in der Schweiz ist zum Beispiel anders verlaufen als bei ihren südlichen und nördlichen Nachbarn.

Der Umbruch des Konzils und seine halbherzige Rezeption

An dieser pastoralhistorischen Skizze wird deutlich, wie gross der Einschnitt war, den das Zweite Vatikanische Konzil für die Position der Laien in der Pfarrei bedeutete. Davor war ihre Rolle im Wesentlichen untergeordnet und abhängig: die Laien profitierten vom Dienst der Kleriker, die ihrerseits das Wesen der Kirche in Wort und Sakrament in Gänze realisierten.

Diese Zentralität des geweihten Amtsträgers blieb auch dann noch bestehen, als die katholische Kirche in den Modernisierungs- und Säkularisierungsschüben seit der Aufklärung immer mehr an Einfluss verlor. Wohl führte dies zu einer weiteren Differenzierung der Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien in der Kirche.11 Denn mit der autonomen Staatsgewalt war ein eigenständiger Bereich ohne die Vorherrschaft der Kirche entstanden. Die Kleriker wurden in der Folge dem Heilsdienst zugeschlagen, den sie weiterhin nach innen verrichteten. Auf der anderen Seite ging es um den Weltdienst nach aussen, der nun die bevorzugte Aufgabe der Gläubigen war.

Diese Leitunterscheidung zwischen Heilsund Weltdienst ist auch in den Dokumenten des Konzils zu finden: LG 31–37; AA 2; 7; 29. Seine Texte sind an diesem Punkt aber nicht eindeutig. So betont etwa AA 5, dass die Laien «ihr Apostolat in der Kirche wie in der Welt ausüben, in der geistlichen wie in der weltlichen Ordnung». Auch in GS 43 wird mit der typisch katholischen Leitdifferenz von Heils- und Weltdienst gebrochen.

Ganz grundsätzlich machten die Konzilsväter deutlich, dass auch «der Apostolat der Laien Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst ist. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt» (LG 33). Sie erlangen damit Anteil am Priesteramt Jesu Christi (LG 31; 34). Damit eröffnete das Konzil eine völlig neue Sicht auf die eigenständige Bedeutung und Rolle der Laiinnen und Laien in der Kirche, auch wenn es bei der Ausformulierung dieser Grundeinsicht offensichtlich eine gewisse Pluralität gibt. In jedem Fall ist klar: Der Laie in der Kirche ist nicht mehr nur Objekt von Seelsorge, passives Mitglied der Pfarrei oder höchstens Helfer bei den pastoralen Aufgaben, die aber eigentlich dem Pfarrer vorbehalten sind. Und er ist auch nicht nur ein Übersetzer der christlichen Botschaft in seinen zunehmend entkirchlichten Alltag hinein. Der Laie hat stattdessen in Taufe und Firmung Anteil an der gemeinsamen Berufung, die jedem Christen und der Kirche als Ganzem von Gott zukommt, nämlich Zeichen und Werkzeug für das Heil der Welt zu werden. Die Getauften sollen dieser gemeinsamen Berufung als christliche Gemeinde Ausdruck verleihen.

Allerdings wurden nicht immer auch die entsprechenden Konsequenzen aus dieser Grundeinsicht des Konzils gezogen.12 Das zeigt sich etwa mit Blick auf die Teilhabe der Laien an der Leitungsverantwortung in einer Pfarrei. Zwar kam es nach dem Konzil zu einem neuen Miteinander in der Kirche: auf der Ebene der Teilkirchen in Synoden und auf der Ebene der Bistümer und Pfarreien in der Einrichtung von Beratungs- und Mitbestimmungsgremien. Damit wurden die strukturellen Voraussetzungen geschaffen, um mit dem Mentalitätswechsel von einem Betreuungsverhältnis zu einem Partizipationsverhältnis in der katholischen Kirche zumindest zu beginnen. In der Spätmoderne kehrt aber offenbar die alte Mentalität zurück, und zwar sowohl an der Basis als auch bei manchen Pfarreileitern. Sie erweist sich als hartnäckig und verhindert letztlich eine umfassende Rezeption des Konzils in der Kirche.

Die traditionelle Gemeindepastoral mit einem komplementären Verhältnis von Betreuten und Betreuern ist also trotz ihrer prinzipiellen Überwindung durch das Zweite Vatikanum nicht ausgestorben. Sie hält sich bis heute in vielen Pfarreien und gewinnt in den letzten Jahren sogar an Einfluss. Dies äussert sich in einer «infantilen Versorgungsmentalität»13, die manche Pfarrei und manchen Getauften noch immer prägt, und im «Messiaskomplex»14 mancher Priester. In der kirchlichen Praxis verhalten sich die Laien also manchmal weiterhin als echte Laien. Und manche Geweihte verhalten sich trotz des Paradigmenwechsels des Konzils als wirkliche Kleriker.

Beide Verhaltensweisen sind noch immer komplementär zueinander und schliessen aneinander an. Das Erscheinungsbild einer Pfarrei begünstigt einen bestimmten Typus von Gemeindeleitung. Umgekehrt lockt der Stil eines Pfarrers ein entsprechendes Verhalten bei den Pfarrkindern hervor. Wenn beide Seiten mit dieser Verteilung einverstanden sind, dann lässt dies die Gemeindepastoral erfolgreich verlaufen. Das gilt zumindest so lange, wie auf beiden Seiten noch eine ausreichend grosse Zahl bereit ist, das System insgesamt aufrechtzuerhalten. Diese Vo- raussetzung gerät aktuell unter Druck. Man kann dann aus der Not eine Tugend machen. So wird gerade der Auszug vieler Getaufter aus den Pfarreien und der Priestermangel als Chance gesehen, um die Aporien einer klerikerzentrierten Gemeindepastoral endlich zu überwinden.15

Fazit

Ich habe versucht deutlich zu machen, dass der Erfolg des symbiotischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Betreuten und Betreuern in manchen Pfarreien im Gegensatz zu einer zentralen Grundeinsicht des letzten Konzils steht. Dieses bahnte den Weg für ein selbstbewusstes Laienengagement. Es gehört zu den tragischen Momenten der Konzilsrezeption, dass immer weniger Katholiken und Katholikinnen bereit sind, diesen Weg zu beschreiten, und dass er inzwischen wieder verbaut wird.

Der genannte Paradigmenwechsel des Zweiten Vatikanums mit Blick auf die Laiinnen und Laien in der Kirche hatte gerade auch Konsequenzen in der Gemeindetheologie: Aus klerikerzentrierten Territorialpfarreien sollten lebendige christliche Gemeinschaften werden. Im Rückblick muss man festhalten, dass diese Grundoption bis heute nur halbherzig eingelöst ist. Neben den oben genannten Ursachen scheint der lange Schatten einer anders ausgerichteten Pastoral in der Vergangenheit noch immer und sogar zunehmend wirksam zu sein. Das ernüchternde und zugegebenermassen polemische Fazit muss demnach lauten: Die Betreuten und ihre Betreuer in vielen Pfarreien wollen sich nicht ändern.

 

 

 

 

1 Vgl. Hermann Steinkamp: Selbst « wenn die Betreuten sich ändern». Das Parochialprinzip als Hindernis für Gemeindebildung, in: Diakonia 19 (1988), 78 – 89.

2 Vgl. Gerhard Wegner: «Niemand kann aus seiner Haut». Zur Milieubezogenheit kirchlichen Lebens, in: Pastoraltheologie 89 (2000), 53–70.

3 Vgl. Hans Hobelsberger: Jugendpastoral des Engagements. Eine praktischtheologische Reflexion und Konzeption des sozialen Handelns Jugendlicher. Würzburg 2006, 33–149.

4 Vgl. Grace Davie: Vicarious religion. A methodological challenge, in: Nancy T. Ammerman (ed.): Everyday religion. Observing modern religious lives. Oxford-New York 2007, 21–37.

5 Hubert Filser: Das Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, in: Franz-Xaver Bischof / Stephan Leimgruber (Hrsg.): Vierzig Jahre II. Vatikanum. Zur Wirkungsgeschichte der Konzilstexte. Würzburg 2004, 252–279, hier 252.

6 Maria Widl: Was ist Pastoral? Herausforderungen für Theologie und Praxis, in: Pastoraltheologische Informationen 25 (2005/2), 137–141, hier 138.

7 Das mittelniederdeutsche Wort leye geht auf diese lateinische Form zurück, woraus dann der heutige Wortgebrauch entstanden ist.

8 Peter Neuner: Pastoralreferentinnen und -referenten als Laien. Eine theologische Herausforderung, in: Stephan Mokry / Katharina Döhner (Hrsg.): Nur Schönwetterberufe? Laien im pastoralen Dienst zwischen Finanznot und Idealismus. Würzburg 2006, 92–99, hier 94.

9 Vgl. Anton Grabner- Haider: Das Laienchristentum. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Darmstadt 2007.

10 Vgl. Staf Hellemans: Das Zeitalter der Weltreligionen. Religion in agrarischen Zivilisationen und in modernen Gesellschaften. Würzburg 2010, 121–124.

11 Vgl. Barbara Henze: «Die Laien als Feinde der Kleriker von alters her»? Zur Geschichte der Beziehung z wischen Laien und Klerikern, in: Georg Kraus (Hrsg.): Wozu noch Laien? Für das Miteinander in der Kirche. Frankfurt a. M . u. a. 2001, 69–102, hier 85–101.

12 Vgl. Wolfgang Beinert: «Der eine und gleiche Geist in Haupt und Gliedern» (LG 7). Die Laien in der Kirche aus pneumatologischer Sicht, in: Kraus Wozu noch Laien? (wie Anm. 11), 17–37, hier 24 –29; Leo Karrer: Die Stunde der Laien. Von der Würde eines namenlosen Standes, Freiburg i. Br. u. a. 1999, 114 –130.

13 Hermann Steinkamp: Die sanfte Macht der Hirten. Die Bedeutung Michel Foucaults für die Praktische Theologie. Mainz 1999, 16.

14 Rein Nauta: Paradoxaal leiderschap. Schetsen voor een psychologie van de pastor. Nijmegen 2006, 75.

15 Vgl. Paul M. Zulehner / Fritz Lobinger: Der Weg in ein neu gestaltetes Priesteramt, in: Paul M. Zulehner u. a.: Leutepriester in lebendigen Gemeinden. Ein Plädoyer für gemeindliche Presbyterien. Ostfildern 2003, 9 –20.

Stefan Gärtner

Stefan Gärtner

Dr. habil. Stefan Gärtner, geboren 1965, ist Assistant Professor Praktische Theologie an der Universiteit van Tilburg in Tilburg (NL ).