Diakonat: Ein Amt sucht sein Profil

In der römisch-katholischen Kirche sind (verheiratete) Männer als ständige Diakone weltweit mehrheitlich nicht hauptberuflich im Einsatz. Das seit dem letzten Konzil wiedererrichtete Amt sucht vermehrt nach Klärung seines Profils.1

Diakone sehen sich vielfach im Dilemma zwischen ihrem Kernauftrag und der sakramentalen Grundstruktur der Kirche. Jüngst wird ausdrücklich dafür plädiert, "Männer aus dem Kreis der ständigen Diakone, die Teil des einen sakramentalen Ordo sind, unter bestimmten Bedingungen mit Dispens vom Weihehindernis der Ehe die Priesterweihe zu spenden (can. 1042 1 CIC). Darunter können auch ehemalige Pastoralreferenten sein, die nach ihrer Weihe eine Zeit lang als Diakone gearbeitet haben"2. Es fragt sich, ob dadurch nicht die Eigenständigkeit des Diakonats geschmälert würde. Zudem weisen Stimmen vermehrt auf die Rollenunsicherheit unter Diakonen, die in der Deutschschweiz mit den anderen kirchlichen Diensten zusammenarbeiten.

Welches Rollenmuster?

Eine Pastoralassistentin schreibt: "Das Rollenverständnis erlebe ich in der pastoralen Arbeit … als ständige Herausforderung, sei es in der (kontroversen) Diskussion mit anderen Seelsorgenden (Priestern), sei es als oft zu wenig bewusster und reflektierter Begleitumstand allen liturgischen Handelns." Was diese Seelsorgerin generell anmerkt, umschreibt ein ständiger Diakon deutlicher. Seine Aufgaben seien im CIC klar aufgelistet, sein Einsatz in den Pfarreien bezüglich Stellung und Zusammenarbeit mit LaientheologInnen in den Teams aber eher schwierig. Wenn man mehr in Ressorts und Teams arbeite, sollten Seelsorgende, die nicht zur Priesterweihe zugelassen sind, vom Stand her gleichwertig sein. Und wenn Frauen zum Amt der Diakonin zugelassen wären, dürften sie auch nicht der Eucharistie vorstehen, die Krankensalbung spenden und die Lossprechung bei der Beichte aussprechen. "Das Amt des ständigen Diakons in unserer CH-Pastoral ist das schwierigste in den grossen Teams. Es ist auch schwierig in Österreich und Deutschland, wenn nebenamtliche ständige Diakone, als Geweihte, in der Liturgie mitwirken und so die vollamtlichen und theologisch ausgebildeten PastoralreferentInnen verdrängen." In seinem Team selber sieht sich dieser Diakon akzeptiert. Wenn er aber "Pastoralassistent wäre" und sich zum "ständigen Diakon weihen lassen wollte, wären sie sicherlich dagegen und würden mich auf eine freie Stelle kaum anstellen". Ein perfektes Dilemma, in welchem nicht nur das Berufsbild des Diakons verzerrt wird.

"Spielbälle" im Transformationsprozess3

Die Berufsrollen der LaientheologInnen und Diakone wurden mit ihrer Einführung kurz nach dem Konzil im "tieferen Verständnis des Volkes Gottes und der Charismen in der Kirche" begründet. Zugleich seien diese Berufsgruppen "schnell in die bekannten Rollenmuster der Pfarrer" geraten, "deren Zahl zu schwinden begann". Auf sie übertrug sich schnell "die nahezu ausschliessliche Orientierung am Bild des ‹guten Hirten› (als Ideal des Pfarrers)" und dürfte in der Schweiz besonders einer "eigenständigen diakonischen Entfaltung des Berufsbildes der Diakone – jenseits von Aufgaben in der Pfarreiseelsorge – im Weg gestanden haben". Für die Laientheologen und Diakone gelte es (vielleicht erstmals?), "die eigene Berufsrolle in der Kirche ganz neu und weitgehend ohne Vorbild zu entdecken und zu erproben", als Chance auch dort, wo zwischen theologisch ausgebildeten Laien und "manchmal – weniger theologisch ausgebildeten Diakonen eine schwer zu vermittelnde Diskrepanz der Kompetenzen liegt". Ist die Unklarheit in den Rollen überwindbar angesichts ausstehender theologischer und kirchenpraktischer Lösungen?

Diakonat als "kritische" Hierarchiestufe

Es sei "dringlich, bzgl. der sakr. Wesensgestalt des Diakonats eine gesamtkirchl. Entscheidung zu treffen", bilanzierte Gisbert Greshake.4 Demgegenüber wurde mit dem Motu proprio "Omnium in mentem" (Okt. 2009)5 basierend auf LG 29 dem Diakon die Befähigung, in der Person Christi des Hauptes zu handeln, nicht mehr zugesprochen. Dies sei "nicht überzeugend"6, meinte Helmut Hoping und blieb betreffend Diakonat der Frau (ohne Frauenpriestertum!) eher zurückhaltend. Ständige Diakone hätten also keinen Anteil am sakramentalen Ordo und wären als dazu Bevollmächtigte "dem Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebe zu dienen" (Can. 1008/1009) allen anderen Getauften und Gefirmten in ihren ebenso gewichtigen Diensten in Kirche und Gesellschaft gleichgestellt.

Den Diakonen bleibt keine andere Wahl, als deutlicher danach zu fragen, was ihre Identität und ihr Profil sein kann. Als Nicht-Priester sind sie nach ihrer Weihe Kleriker, die ihre Funktionen in der Verkündigung (Predigt) ebenso wie ihre liturgische Rolle ausüben und ihr Spezifikum auch in sozial-diakonischer Tätigkeit finden.7

Diakonat als Amt des Wandels

Als Diakon und Organisationsberater im Bistum Hildesheim ist Michael Bonert8 daran interessiert, Diakone nicht als "Priesterreserve" zu sehen, sondern als "Amt des Wandels". Zwar im Dreiklang Bischof/Priester/Diakon erwähnt und "irgendwie zum Amt" gehörend, fehle Diakonen eine "eigene Amtsbestimmung im Kontext des Wandels". Die "sozial-diakonische Motivation" überwiege heute bei Männern, die sich zum Diakon weihen lassen. Bonert bittet darum, in den Wandel und die Zukunftsfähigkeit zu investieren und "die Rollen aller kirchlich Beauftragten" genauer zu fassen. Für den Wandel notwendig seien "Pioniere, die rausgehen (…) in die Ortschaften und Stadtteile, um das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen. Das gewünschte Kirchenbild der ‹Gemeinschaft von Gemeinden› lässt sich ohne sie nicht erreichen". Für den gewünschten Kulturwandel brauche es diese Pioniere, zieht Bonert als Fazit und mahnt das Entdecken und Fördern der Charismen nicht allein durch den Priester als "amtlichen Anstifter" an. Das Diakonat sei "ein Amt, das nahe bei den Sorgen der Menschen und beim Evangelium ist; verankert im sozialen Handeln der Menschen und in der Eucharistie".

Tatsächlich ist Sozialraumorientierung, Not- Sensitivität und Nähe zum Evangelium ein Qualitätszeichen jedes diakonischen Tuns – kann jedoch durch Fixierung auf amtliche Beauftragung allein nicht genügend entfaltet werden. Ständige Diakone und Diakoninnen – dies zeigen auch Beispiele in Schwesterkirchen – vermögen es nicht allein, den Wandel voranzubringen. Zwar können sie als amtliche "Initiatoren und Begleiter" lokaler und kontext-sensitiver Gemeinschaften gesehen werden, darin aber erschöpft sich der notwendige Wandel im Kirchenbild nicht. Das von Michael Bonert vertretene Postulat, bleibt hingegen wichtig: "Anstelle der Debatte über die Zulassung der viri probati zur Priesterweihe wäre (…) jetzt eher die Klärung der Frage dran, wie eine sakramentale Stärkung der Frauen als Pionierinnen oder im diakonischen Dienst erfolgen könnte."

Ausbildung schärft das Diakonats-Profil

In der Liturgie hat "der Diakon (…) in der Rolle des Vermittlers, der die Brücke zwischen den Menschen und dem liturgischen Geschehen bildet und als ‹Übersetzer› zwischen Lebens- und Glaubenswelten fungiert, eine liturgische Selbstständigkeit".9 Für die weiteren pastoralen Bereiche fragt sich, ob ein auf die individuellen Fähigkeiten zugeschnittenes Profil von Männern und Frauen in der allgemeinen Diakonie als nächstes Ziel vorstellbar ist – dies etwa in Kontexten des Sozial- und Gesundheitswesens oder in der Schulpastoral.

Besonders im Blick auf die Ausbildung solcher Dienste zeigt die Dissertation von Michael Wollek10, worauf zu achten ist. Wollek wählte mit Bezug zur Theologie und den anstehenden Fragen in der röm.- kath. Kirche einen religionspädagogischen Ansatz und hat mit Leitfadeninterviews die Erfahrungen von Diakonen im Zivilberuf erhoben. Interessiert an deren Ausbildung in der Transformationsgesellschaft, bezieht er sich auf Ortfried Schäffter und dessen Weiterbildungsmodelle (55–105). Allen Modellen eignet der Charakter des Übergangs (linear, zielvorwegnehmend, zieloffen, zielgenerierend, korrelativ und iterativ), welche in der Diakonenausbildung ineinandergreifend durchschritten werden können. Wollek sieht nun das Diakonat nicht allein auf das Sozial-Caritative eingeschränkt und kann diesen Aspekt auch nicht in der Bibel, noch im Wortfeld oder der Kirchengeschichte festmachen (109–131 und 162 ff.). Das auslösende Moment für die Neuprofilierung des Diakonats ist zwar dem II. Vatikanum geschuldet, es hat ihn jedoch in ein "Experimentierstadium entlassen" (131: A. Weiss).

Amts-Diakonat variabler gestalten

Auch in Zukunft werden Diakone (Diakoninnen?) von aussen als kirchliche Dienste wahrgenommen werden. Mehr als ein Experimentieren wird es sein, wenn den zahlreichen Charismen im Volk Gottes der Vorzug gegeben werden könnte. Diakonisch Engagierte werden die Kooperation mit anderen Engagierten und Gruppen vor Ort suchen und das Knüpfen an Netzen der Solidarität verstärken und so dem christlichen Alleinstellungsmerkmal "Nächstenliebe" deutlichere Konturen in der Gesellschaft verleihen. Kirchliches Tun weist im besten Fall auf den Anbruch des Reiches Gottes, feiert dies in Liturgien, verweilt jedoch nicht dabei. Darum wäre auch Frauen und Männern, die ausdrücklich als kirchlich Beauftragte (ob in Quartieren oder Spitälern) tätig sind, nach einer Spezialausbildung die Möglichkeit zur Feier der Krankensalbung mit den ihnen Anvertrauten zu eröffnen. Man würde damit zumindest den Intentionen des Jakobusbriefes nicht widersprechen und die Ämtertheologie in der Kirche variabler gestalten. Liegt der Sinn jedes kirchlichen Dienstes nicht darin, Menschen in vielfältigsten Situationen des Alltags und der Gesellschaft zu begleiten und sie zur Begegnung mit Christus einzuladen?

 

 

 

1 Grundlegende Aspekte zum Diakonat finden sich im Beitrag von U. Corradini in dieser Ausgabe. Dieser Beitrag diskutiert offene Fragen zum Diakonat.

2 H. Hoping, Ph. Müller: Ein Vorschlag: Viri probati zur Priesterweihe zulassen, in: HK 76 (2017) 13–16. Dazu R. Hartmann: Zu kurz gedacht, in: HK 76 (2017) 50 f.; M. Seewald: Zölibatäre Frauen weihen, in: HK 76 (2017) 49–51. Vgl. St. Reis Schweizer: Der Zölibat ist nicht sakrosankt, in: NZZ 10. 6. 2017, 8. Kontrovers mit Hinweis auf "Ordinatio sacerdotalis" als letztgültige Entscheidung G. Bier: Frauen weihen?, in: HK 76 (2017) 45–47 und J. Rahner: Eine Frage der Theologie, ebd. 48–49 mit Anmahnung, die Entscheidung nicht als definitiv einzuordnen.

3 Zitate aus dem Dokument der PPK der SBK (Hg.): Seelsorgeberufe in Veränderung, SPI St. Gallen 2014, 47 f.

4 Ders. Art. Diakon, V. Gegenwärtige Diskussion, in: LTHK Sonderausgabe 2006, Sp. 183 f.

5 AAS CII, Vatikan, 2010, 8–10 erläutert durch Michael Wollek: "Ich bin bereit!" Die Ausbildung zum Diakon mit/im Zivilberuf in Zeiten gesellschaftlicher und kirchlicher Transformation. Bd 5 Diakonie und Ökumene, Berlin 2016 (Diss.), 133 f., 172 Vgl. G. Anger www.muenster.de/~angergun/neuesmp.html (MFThK 16. 12. 2009).

6 H. Hoping: Der ständige Diakonat – ein Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: SKZ 167 (1999) Seiten 400–404, und ders.: Diakonat der Frau ohne Frauenpriestertum? in: SKZ 168 (2000) 18, Seiten 281–284.

7 Stephan Steger: Der Ständige Diakon und die Liturgie. Anspruch und Lebenswirklichkeit eines wiedererrichteten Dienstes (Regensburg 2006) hält fest: "So kam es in der amtstheologischen Umsetzung häufig stärker zur Ableitung als zur Zuordnung zum Presbyter und in der pastoralen Konkretion zum Ersatzdienst statt zur Kooperation." (471)

8 http://kirchenentwicklung.de/diakone-amt-des-wandels/ (Stand 3. 4. 2017).

9 St. Steger aaO. (Anm. 7) 470.

10 M. Wollek aaO. Nachfolgende Ausführungen aus dieser Dissertation (Anm. 5).


Stephan Schmid-Keiser

Dr. theol. Stephan Schmid-Keiser promovierte in Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie. Nach seiner Pensionierung war er bis Ende 2017 teilzeitlich Redaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung. (Bild: zvg)