Der erste Lehrstuhl seiner Art

Die Hochschulkollekte unterstützt neben Projekten im Bereich Ethik auch solche der Umweltwissenschaften. In Freiburg i.Ue. wurde nun der erste Lehrstuhl für Environmental Humanities eingerichtet.

Mit der Globalisierung der Wirtschaft, mit den in Zeit und Raum immer schwerwiegenderen Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die Umwelt werden auch die Umweltprobleme immer komplexer. Es reicht nicht mehr, Umweltzerstörung zu vermeiden. Wir müssen mit den Folgen der Umweltbelastungen leben und die Risiken minimieren. Der Klimawandel führt zu Veränderungen nie gesehenen Ausmasses, die ein grundlegendes Umdenken und neue Praktiken im Alltag erfordern. Dabei erscheinen rein technische, ökonomische oder naturwissenschaftliche Lösungsansätze häufig unzulänglich.

Vernetztes Denken

Ein jüngerer Forschungszweig versucht hier, zu neuen und innovativen Lösungen beizutragen: die Environmental Humanities – die Umweltgeisteswissenschaften oder «les humanités environmentales». Diese vereinen verschiedene Disziplinen der Geisteswissenschaften. Untersu- chungen zu Umweltproblemen werden zum Beispiel aus historischer Perspektive angestellt. Es gibt Analysen zur literarischen Verarbeitung von Umweltkatastrophen oder soziologische Untersuchungen zur Veränderung der Gerechtigkeitsvorstellungen bei erhöhten Umweltrisiken. Nicht zuletzt gehören zu den Umweltgeisteswissenschaften auch philosophische und ethische Auseinandersetzungen. Dabei geht es zum Beispiel um die Rechte von Tieren, die gerechte Verteilung von Lawinenrisiken oder die faire Umsetzung von Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.

Es gibt zwar bereits einige Forschungsinstitutionen, welche die verschiedenen Disziplinen der Umweltgeisteswissenschaften vereinen. Häufig sind diese aber auf verschiedene Forschungseinrichtungen verteilt. Die Universität Freiburg i. Ue. geht hier einen neuen Weg und richtet mit der grosszügigen Unterstützung des Hochschulrats den ersten Lehrstuhl für Environmental Humanities in der Schweiz, wenn nicht in ganz Europa ein. Die neue Forschungsgruppe untersucht die Schnittstellen zwischen Umweltethik, Umweltrecht, Umweltgeografie, Umweltpolitik, politischer Ökologie und Ressourcenmanagement.

Dies ermöglicht einen wichtigen Beitrag zur Formulierung und Ausarbeitung von Lösungsansätzen für heute drängende Umweltprobleme. Durch die Koordination und Vernetzung der gesamten universitären Forschung zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen in Freiburg i. Ue. entsteht ein neuer Forschungsschwerpunkt. Die Universität wird damit zu einem äusserst innovativen Forschungsstandort für Umweltfragen. Dessen Strahlkraft wird hoffentlich nicht nur in der Schweiz Wirkung zeitigen, sondern zur internationalen Sichtbarkeit der Schweizer Spitzenforschung insgesamt beitragen.

Neue Generation Umweltwissenschaftler

Konkreter untersucht die neue Gruppe die mit Umweltveränderungen wie dem Klimawandel einhergehenden sozialen und ökologischen Verantwortlichkeiten. Dabei stehen die ethische Beleuchtung nachhaltiger Ressourcennutzung und Abfallentsorgung, die Herausforderungen des Klimawandels sowie die Bewertung von Massnahmen zur Lösung von Verteilungskonflikten im Zentrum. Zur Strukturierung der impliziten und expliziten Wertediskussionen in der Umweltpolitik und -praxis nimmt die Analyse von Gerechtigkeitskonflikten eine zentrale Stellung ein. Dies führt zur Klärung der Bedingungen für faire, demokratische Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse. Ebenso werden zentrale Aspekte der Gerechtigkeit in Bezug auf die Verteilung von Umweltrisiken und den Nutzen nachhaltiger Politik untersucht.

Mit der neuen Professur fördert die Universität Freiburg i. Ue. die Vernetzung dringend nötiger Forschung zur Lösung der drängendsten Probleme, denen die Menschheit heute gegenübersteht. Da die neue Gruppe darüber hinaus auch mit der Koordination und Weiterentwicklung der Lehre im Bereich der Umweltwissenschaft betraut ist, ist eine Reihe von jungen Experten in Umweltfragen zu erwarten. Freiburg i. Ue. wird so zu einem neuen Kompetenzzentrum für die Ausbildung in Umweltberufen und für die Umweltpolitik in der Schweiz und weltweit.

Ivo Wallimann-Helmer* und
Olivier Graefe**

 

* Ivo Wallimann-Helmer (Jg. 1975) ist neuberufener Assistenzprofessor für Umweltgeisteswissenschaften an der Universität Freiburg i.Ue. und übernahm am 1. Oktober 2018 die Leitung der Umweltwissenschaften.

** Olivier Graefe (Jg.1965) war Professor für Humangeografie an der Universität Freiburg i.Ue. und Leiter der Umweltwissenschaften bis zum 1. Oktober 2018.

Seit 1949 wird jeweils am ersten Adventssonntag (Hochschulsonntag) die Kollekte zu Gunsten der Universität Freiburg i.Ue. aufgenommen. Infos unter: www3.unifr.ch/hsr/de