Zeit der Erneuerung! Nun also auch Thema in dieser Ausgabe der SKZ. Gesagt, getan! Wenn das so einfach wäre! Versucht habe ich es immer wieder mal im Kleinen, so auch mit innerkirchlichen Erneuerungen; hier wortwörtlich als Erneuerung im Innenraum einer Kirche gemeint: Weg mit den Gummibäumen der 80er-Jahre, dem schon über zwei Meter hohen Ficus benjamina im Altarraum oder dem vergilbten Knüpfteppich einer vergangenen Klausurtagung. Der Aufschrei ist fast jedes Mal vorprogrammiert: Erneuerung ja, jedoch bitte nicht im Innenraum meiner Dorfkirche. Änderung von Gottesdienstzeiten brauche ich in diesem Zusammenhang gar nicht zu erwähnen.
Und jetzt stehen wir also da vor den grossen Fragen der Erneuerung in unserer römisch-katholischen Kirche. Dass nun jede und jeder Problemstellungen aus seinem eigenen Betrachtungswinkel beschreibt, ist ganz normal. Die verschiedenen Beschreibungen von zu lösenden Problemen können wir vielleicht mit der Parabel der zehn blinden Männer und dem Elefanten vergleichen. Jeder einzelne betastet blind Teile des Elefanten, und wir kennen das Ende der Geschichte: Am Schluss gibt es verschiedene Versionen in den Beschreibungen des Elefanten, die an und für sich nicht falsch sind, jedoch weit entfernt sind von der Wahrheit, was einen Elefanten im Ganzen wirklich ausmacht.
Die grossen Problemstellungen in der Kirche verhalten sich nun nicht wie der Elefant in dieser Parabel, sondern können meiner Meinung nach vielmehr mit dem «Elefanten im Raum» verglichen werden. Es sind nicht blinde Frauen oder Männer, die ein vorhandenes Problem nicht sehen könnten, sondern solche, die das Problem, den Elefanten im Raum, einfach ignorieren. Die Redewendung «ein Elefant im Raum» beschreibt eine Problemstellung, die wohl da ist, aber ob der Beschäftigung mit vielen einzelnen Details regelmässig übergangen wird.
Ich begegne diesem Elefanten im «Raum der Kirche» immer wieder: an Sitzungen, Beratungen, Tagungen. Wir haben uns mit ihm angefreundet und sind es gewohnt, dass er einfach dabei ist. Wir haben uns auch damit abgefunden, ihn nicht zu erwähnen. In der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in der Kirche, so sagt man, stehen grosse Umwälzungen an. Wie wäre es, den Elefanten einfach mal anzustossen und ihn in Bewegung zu bringen? Viele machen das schon und sind enttäuscht, dass sich der Dickhäuter nicht vom Fleck bewegt.
Ich persönlich glaube, dass die Zeiten vorbei sind, diesen Elefanten zu ignorieren. Selbstkritisch muss ich mir aber auch die Frage stellen, ob ich nicht auch Teil des «Elefanten im Raum» bin und ich mich gerade deshalb nicht bewegen lasse, weil ich es nicht mag, wenn mir jemand «Beine machen» will. Auch als Mitglied in einer Bistumsleitung muss ich mich der Frage stellen, wo ich Erneuerung innerhalb und ausserhalb des Raumes der Kirche mitverhindere.
Auf jeden Fall bin ich gespannt, wie es mit dem Elefanten im Raum weitergeht und wie sich dieser bewegen lässt.
Jürg Stuker