Den Wissenshunger stillen

Im Projekt «Culinaria» bilden sich Jugendliche aus brasilianischen Armenvierteln in der Gastronomie aus. Ihre neu erworbenen Kompetenzen öffnen ihnen den Weg zu einer Arbeit und einem Leben in Würde.

Andreza (vorne links) mit weiteren Jugendlichen vor der Kochschule «Pimenta do Reino», wo sie ihre beruflichen und sozialen Kompetenzen stärken. (Bild: Brücke –·Le Pont)

 

Andreza Barbosa da Costa blickt mit Freude auf ihre Ausbildung zurück: «Die Schule hat mein Leben stark bereichert.» Die junge Brasilianerin ist eine von 120 Jugendlichen, die sich im Projekt «Culinaria» in der Gastronomie ausbilden, etwa als Köchinnen, Bäcker oder Eventmanager für kulinarische Anlässe. Sie alle kommen aus armen Verhältnissen und hätten ohne das Projekt kaum Berufsaussichten. Ihre Heimat Piauí im Nordosten Brasiliens gehört zu den ärmsten Regionen des Landes, durch die anhaltende Wirtschaftskrise gibt es viel zu wenig Ausbildungsplätze. Viele Jugendliche rutschen aufgrund der Perspektivlosigkeit in die Drogensucht oder Kriminalität ab. Dem wirkt Brücke – Le pont mit Berufsbildungsprojekten entgegen.

Eine Koch- und Lebensschule

Im Projekt «Culinaria» erwerben die Jugendlichen in der Berufsschule «Pimenta do Reino» («schwarzer Pfeffer») fachliche und soziale Kompetenzen. Sie lernen insbesondere, lokale Nahrungsmittel zu gesunden Mahlzeiten zu verarbeiten. Zusätzlich besuchen sie Kurse zu Arbeitsrechten und Umweltthemen und erstellen einen individuellen Lebensplan mit ihren beruflichen und persönlichen Zielen. Nach der Ausbildung unterstützt sie das Projektteam beim Bewerbungsprozess. Dazu macht es das Projekt auch bei Restaurants und Hotels in der Region bekannt, die qualifiziertes Personal suchen. Jugendliche, die sich stattdessen selbstständig machen wollen, erhalten Unterstützung beim Aufbau ihres eigenen Unternehmens. Andreza gehört zu ihnen: Sie hat eine eigene Marke aufgebaut und verkauft erfolgreich Gebäck mit Zutaten aus ihrer Heimatregion. Andere gründen Cafés oder Lieferdienste – letztere haben in der Corona-Pandemie einen grossen Aufschwung erlebt.

Das Erlernte weitertragen

Andreza ist von ihrer Ausbildung so begeistert, dass sie sich selbst in der Berufsbildung engagieren möchte. Sie steht noch am Anfang ihrer Karriere, aber sie hat grosse Pläne: Ihr Unternehmen soll wachsen und dringend benötigte Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Region schaffen. Andreza will die Menschen mit gutem Essen begeistern und gleichzeitig dafür sorgen, dass sie selbst und andere von ihrer Arbeit leben können: «Ich glaube, dass wir alle einen Zweck auf dieser Erde haben, und wenn mein Diplom oder mein Beruf nur mein eigenes Leben verändern, ist das nicht viel wert.»

Damit spricht Andreza Brücke – Le pont aus dem Herzen. Das Hilfswerk unterstützt Menschen gezielt dabei, ihr Leben durch eine menschenwürdige Arbeit in die eigenen Hände zu nehmen. Gleichzeitig zielt jedes Projekt darauf ab, auch das Umfeld der Teilnehmerinnen und Teilnehmer positiv zu verändern. Junge Menschen wie Andreza setzen diese Vision in die Tat um, indem sie sich für ihre Gemeinschaft engagieren. Ihre Zielstrebigkeit und das grosse Engagement des Projektteams stimmen zuversichtlich, dass noch viele weitere Jugendliche eine gute Stelle in der Gastronomie und damit einen Weg aus der Armut finden.

Fabienne Jacomet

 

Mai-Aktion: Brücke – Le pont unterstützt mit dem Programm «Arbeit in Würde» mit rund 30 Projekten seit 65 Jahren benachteiligte Menschen in Afrika und Lateinamerika. Jedes Jahr stellt das KAB-Hilfswerk den katholischen Pfarreien einen Gottesdienstvorschlag zu. Manche Pfarreien führen diese Aktion an einem Mai-Wochenende durch, andere zu einem späteren Zeitpunkt. Aktueller Vorschlag zum Thema «Hunger nach Wissen»: www.bruecke-lepont.ch/aktionen


Fabienne Jacomet

Fabienne Jacomet (Jg. 1986) ist seit Oktober 2018 beim KAB-Hilfswerk Brücke − Le pont für Kommunikation und Entwicklungspolitik zuständig. Sie hat Spanisch, Ethnologie und Gender Studies studiert und engagiert sich auch privat für Frauen- und Menschenrechte.