Das Bistum Chur und seine Geschichte

Im Herbst 2017 erschien das Buch «Das Bistum Chur» von Diözesan- archivar Albert Fischer. Nach über 100 Jahren gibt es wieder eine umfassende Publikation zur Geschichte des Bistums.

Dr. theol. Albert Fischer (Jg. 1964) ist Diözesanarchivar des Bistums Chur und seit 2009 Mitglied des Churer Domkapitels. Seit 2014 ist er Dozent für Kirchengeschichte der frühen Neuzeit und Churer Diözesangeschichte an der Theologischen Hochschule Chur.

 

Als Albert Fischer 2004 seine Stelle als Diözesanarchivar des Bistums Chur antrat, fand er ein ziemlich ungeordnetes Archiv vor. Als passionierter Historiker nutzte er das Durchsehen und Kategorisieren der Akten auf seine Weise: Er ordnete nicht nur die Akten, sondern setzte sich mit der jeweiligen Zeitgeschichte auseinander und ordnete die Dokumente richtig ein. So entstanden mehrere Bücher.1

Für seine Vorlesungen an der Theologischen Hochschule in Chur muss er die Themen jeweils stark zusammenfassen und «auf den Punkt bringen». Da ist ihm der Gedanke gekommen, dass es gut wäre, 100 Jahre nach der Veröffentlichung der letzten umfangreichen Bistumsgeschichte2 ein neues Buch zu schreiben.

Quellenlage als Auswahlhilfe

Schnell war Fischer klar, dass er die Geschichte des Bistums in zwei Teile untergliedern will. Im vorliegenden ersten Band geht es um das historische Bistum Chur mit Vorarlberg und Vinschgau. Die Geschichte ist nach Jahrhunderten geordnet und es werden aus jeder Zeit wichtige Ereignisse erzählt. Die Auswahl wurde teilweise durch die Quellenlage vorgegeben: Über die Romanisierung des Alpenraums gibt es keine schriftlichen Quellen. Alles muss aus den Ergebnissen der Archäologie hergeleitet werden. Bis zum 9. Jahrhundert gibt es auch nur eine einzige Urkunde (Schutzurkunde Karls des Grossen). Hilfreich waren die Bischofslisten, auch wenn nicht alle korrekt sind. Ab dem 12. Jahrhundert sind mehr Urkunden vorhanden und ab dem 14./15. Jahrhundert gibt es verschiedene Dokumente. «Je besser die Quellenlage, desto mehr konnte ich schreiben», führt Fischer aus.

Persönliche Highlights

Ein wichtiges Kapitel für den Archivar ist jenes über den Barock und die damit zusammenhängen- de Intensivierung der Pfarrseelsorge. Er staunt noch immer über die unglaubliche Baukultur in dieser Zeit: «Die vielen Kirchen und Kapellen in den Tälern – und alles war finanziert!» In diese spannende Zeit gehört auch die rhätische Kapuzinermission.

Ein Highlight der besonderen Art war die Aufarbeitung der leidvollen Zeit der Hexenverfolgung. Einige Beispiele waren bereits gut bekannt, eins aber noch nicht: das Schicksal des Kaplans Gerold Hartmann aus Schaan (FL). Beim Ordnen des Archivs fand Fischer die Verhörprotokolle aus dem Jahr 1679. Der Kaplan war 43 Wochen im Marsölturm in Chur inhaftiert. Bei umfassenden Sanierungsarbeiten kamen unter dem Verputz Graffiti zum Vorschein, die grösstenteils von Gefangenen stammten. So auch die 43 Striche, die Hartmann an der Wand angebracht hatte. Zum Glück wurde der Kaplan an den damaligen Gross- inquisitor, den Erzbischof von Mailand, überstellt. Dieser befand ihn für unschuldig und liess ihn frei. Geholfen hat es dem Kaplan aber nicht viel – er kehrte als gebrochener Mann in seine Heimat zurück.

Spannend findet Albert Fischer auch die Geschich- te des Priesterhauses in Meran (1801–1807), dem Vorgänger des Priesterseminars St. Luzi in Chur. Streng genommen war es kein Seminar, sondern ein Haus für die – wie wir heute sagen würden – Pastoralkursabsolventen.

Die Forschungsarbeiten, die er für seine Bücher und die Vorlesungen geleistet hatte, kamen ihm bei seinem neuesten Projekt zugute. «Ich konnte so die Bistumsgeschichte durch neue Forschungen von mir füttern», meint er und lächelt dabei verschmitzt.

Bistum Zürich und andere «heisse» Themen

Der zweite Band der Bistumsgeschichte, der im Herbst 2019 erscheinen soll, umfasst die Zeit von 1816/19 bis heute. Dabei warten spannende Themen auf ihn wie z. B. die Geschichte Zürichs, das als Teil des ehemaligen Bistums Konstanz der apostolischen Administration des Churer Bischofs untersteht. Etwas, das bis heute nie richtig geregelt wurde. Auch die überraschende Zuordnung des Kantons Glarus zum General- vikariat Zürich ist eine interessante Geschichte. «Beim zweiten Band werde ich mir noch genauer überlegen müssen, was ich schreibe», meint der Buchautor, «denn einige der behandelten Personen leben noch.»

Rosmarie Schärer

 

1 Fischer, Albert, Das Priesterhaus in Meran 1801–1807: Ergebnis einer späten tridentinischen Umsetzung und intensiver Bemühungen des Churer Episkopats um eine diözesaneigene Bildungsstätte, Innsbruck 2010; ders., «Visitiere deine Diözese regelmässig!» Klerus und kirchliches Leben im Dekanat Vinschgau im Spiegel der Churer Visitationen zwischen 1595 und 1779 (Schlern-Schriften 358), Innsbruck 2012; ders., Klosteraufhebungen, Pfarrei- und Diözesanregulierung. Die Auswirkungen der theresianisch-josephinischen Kirchenpolitik auf das Territorium des österreichischen Anteils des Bistums Chur 1780 bis 1806/16. Ein Beitrag zum 200-jährigen Gedenken an das Ende des Bistums Chur in seinen historischen Grenzen 1816, Konstanz 2016.

2 Mayer, Johann Georg, Geschichte des Bistums Chur, 2 Bde., Stans 1907/1914.

 

 


«Das Bistum Chur»

Band I: Seine Geschichte von den Anfängen bis 1816. Von Albert Fischer, 2017, ISBN 978-3-86764-807-3, EUR 49.−, www.uvk.de

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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