Die gestellte Frage lässt vermuten, dass «global» im Gegensatz zu «sozial» und «ökologisch» steht. Ich möchte mich in der gebotenen Kürze möglichst differenziert damit auseinandersetzen.
In der Landwirtschaft wird der Tausch zwischen Produzenten und Abnehmern und Konsumenten weltweit durch die Agrarpolitik geregelt. In diesem Sinne sind die Märkte nicht frei. Dort, wo die Regulierung stark ist wie in der Schweiz, wird Konkurrenz durch andere Landwirtschaften befürchtet oder findet aus Verbraucherschutzgründen statt. Dort, wo die Regulierung schwach ist, kann man sie sich entweder nicht leisten oder man braucht den Zugang zu internationalen Märkten, um zu überleben.
Ich führe zwei Beispiele an, um die Komplexität rund um die Fragestellung «wieviel global?» zu beleuchten.
Schweiz: Marktzugangsbeschränkung und Direktzahlungen
Durch den Standort und die Strukturen sind hohe Kosten entstanden. Will man die Produktion unter solchen Bedingungen ermöglichen, ist man gezwungen, der Landwirtschaft unter die Arme zu greifen. Dies geschieht mit Beschränkung des Marktzuganges für Dritte (Zölle, Importkontingente) und vor allem mit Direktzahlungen. Entgegen der verbreiteten Meinung verursacht die Beschränkung des Marktzuganges sehr oft eine zu starke Intensivierung der Produktion (z. B: Regionen mit zu vielen Schweinen). Direktzahlungen haben mit den daran geknüpften Bedingungen die entgegengesetzte oder zumindest eine neutralere Wirkung. Aufgrund der zu geringen Flächenverfügbarkeit pro Kopf der Bevölkerung ist die Importquote in der Schweiz hoch. Hier ist die Schweiz auf Globalität angewiesen. Ebenso gilt dies für ihre Exporte von einzigartigem Käse, der sich teuer im Ausland verkaufen lässt.
Indien, Araku Valley: Sozial und ökologisch dank Zugang zum globalen Markt
Ich konnte kürzlich das Araku Valley in Ostindien besuchen. Dieses Tal gehörte seit Jahrhunderten zu den ärmsten Indiens. Produziert wurden in der Vergangenheit Reis, lokales Gemüse und etwas Kaffee für den Weltmarkt. Die Bauern kamen in Bezug auf die Armut nicht vom Fleck, denn Armut kann nicht bekämpft werden, wenn eine Region nicht Einkünfte von aussen generiert. Die starke Ausrichtung auf das Lokale und den Verkauf von billigen Kaffeebohnen verunmöglichte ein Wachstum der Einnahmen. Nach zehn Jahren Weiterentwicklung in Richtung Globalität hat sich der Wohlstand vervielfacht und ökologisch ist die Region zum Vorzeigebeispiel geworden. Was war geschehen? Dank internationaler Unterstützung wurden sowohl die Kaffeeproduktion als auch der Absatz umgekrempelt. Heute wird ein sehr edler Kaffee teils bis zur Rösterei vor Ort hergestellt. Dieser lässt sich nun in Europa, Amerika und Asien zu Top Preisen verkaufen. Die Ökologisierung wurde vor allem durch Kompostierung statt Verbrennung und durch Verstärkung der Biodiversität ermöglicht. Das Araku Valley nimmt an einem Co2 Kompensationsprogramm teil und erhält durch zertifizierte Carbon Sequestrierung1 sehr bedeutende globale Einnahmen zum Klimaschutz. Dies ohne jegliche produktive Einschränkung. Globalisierung führt für die dort lebenden 20'000 Bauernfamilien zu zunehmendem Wohlstand. Dieses Beispiel zeigt wie Armut mit Hilfe des Zugangs zur Globalität reduziert wird und wie globale Agrarwirtschaft im Dienst des Sozialen und Ökologischen stehen kann.
Zwei Überlebensstrategien
Was kann aus den zwei Beispielen abgeleitet werden? Obwohl die beiden Fälle bei weitem nicht alle Konfigurationen weltweit abdecken, kann in der Tendenz Folgendes festgehalten werden:
- Landwirtschaften in Ländern mit hohem wirtschaftlichem Wohlstand, wie die Schweiz, operieren mit hohen Standortkosten. Es gibt zwei sich ergänzende Strategien für das Überleben gegenüber den günstiger produzierenden Landwirtschaften: die Anpassung mit Effizienzgewinnen und Ausrichtung auf weniger ersetzbare Produkte und Leistungen (lokal, ökologisch, Einzigartigkeit) auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Unterstützung mit Direktzahlungen und gezielter Beschränkung des Marktzugangs.
- Am Schweizer Beispiel lernen wir auch, dass der Zugang zu globalen Märkten eminent wichtig ist, wird doch die Hälfte des Nahrungsmittelverbrauchs und grosse Teile dessen, was die Landwirtschaft zum Produzieren braucht, importiert (Maschinen, Erdöl, usw.); im weiteren ist die Schweiz sehr erfolgreich im Topsegment der internationalen Käsemärkte.
- Aus dem indischen Beispiel kann abgeleitet werden, dass Armutsbekämpfung ohne Handelsfluss nach aussen mit Einnahmen von ausserhalb kaum denkbar ist. Hier heisst es «dank global, ökologischer und sozialer».
Für mich bedeutet dies: Es braucht die Signale und Potenzialerkennung aus der Globalität, um richtige Entscheide zu treffen. Dies führt zu einer vernünftigen Arbeitsteilung und fördert den ökologischen Qualitätswettbewerb. Zudem ist es zentral, dass in unseren Breitengraden der Marktzugang für ökologisch und fair produzierte Hochqualitätsprodukte gewährleistet wird.
Bernard Lehmann