Christliche Spiritualität entdecken

Der Leitsatz 11 des Leitbildes1 schaut auf die Spiritualität der katechetisch Tätigen. Wie kann spirituelle Kompetenz erworben werden? Wo geschieht dieser Prozess in der Ausbildung?

«Beten eigentlich Religionslehrerinnen und -lehrer mehr als andere Leute?», fragte mich neulich unser Nachbarsjunge. Ich fand das eine berechtigte Frage, die nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten ist, und es ergab sich ein gutes Gespräch. Gut deshalb, da der Junge wirklich interessiert war und immer noch mehr wissen wollte und ich meine Worte, seinem Verständnis angepasst, bewusst wählen musste. So bin ich auch gleich mittendrin im Thema des Leitsatzes 11. Spirituelle Kompetenz kann kompakt in wenigen Schlagworten zusammengefasst werden: Den eigenen Glauben im Alltag konkret leben, vertiefen, reflektieren, in Worte bringen können und das Ganze als Weg verstehen. Das ist gehaltvoll für alle, die darin involviert sind. Als Mentorin im Ausbildungsteam für kirchliche Berufe im Bistum Basel (Seminar St. Beat) kann ich von unserem Studienbegleitprogramm berichten. Wir stellen uns der Herausforderung, angehende Katechetinnen und Katecheten (RPI), Theologiestudentinnen und -studenten auf ihrem Weg zu einem kirchlichen Dienst zu unterstützen und zu begleiten.

 

Verborgener Schatz

Der reiche Schatz an christlicher Spiritualität ist nicht selbstverständlich als bekannt vorauszusetzen. Es gilt, ihn zu suchen. Dafür braucht es die Sehnsucht. Es gilt, ihn zu finden. Dafür braucht es Orientierung. Es gilt, ihn zu heben. Dafür braucht es Werkzeuge. Es gilt ihn zu pflegen. Dafür braucht es Zeit.
In der Geistlichen Begleitung, die für alle Studierenden für mindestens ein Jahr verbindlich ist, kann dieser Prozess persönlich gestaltet werden. Gleichwertig dazu sind gemeinschaftliche Elemente gesetzt. Zusammen beten wir und feiern Gottesdienst, entdecken darin die reiche christliche Tradition und setzen uns gemeinsam an den Tisch, um zu essen und auszutauschen. Natürlich braucht es da Hände, die auftischen, welche die Mahlzeit servieren, die abräumen und abwaschen. In solchen Tätigkeiten zeigt sich, dass christliche Spiritualität geerdet ist und sich dem Alltag stellen muss. Weitere inhaltliche Aspekte sehen wir im Thematisieren der Lebensgestaltung, Einüben in die Stille, Wahrnehmung von Leib und Schöpfung, Austausch über ein aktuelles Thema, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Gemeinschaft soll nicht nur punktuell stattfinden; aus diesem Grund nehmen die Studentinnen und Studenten in Gruppen am Begleitprogramm teil und sind so auch unter der Woche und über unser Angebot hinaus vernetzt. Dieser kurz zusammengefasste Inhalt der Studienbegleitung findet wöchentlich statt, da die Regelmässigkeit eine wichtige Partnerin im Einüben und Vertiefen der eigenen Spiritualität ist. Intensiver ist die Auseinandersetzung und Erfahrung mit dem eigenen Glaubensleben in den Besinnungstagen und Exerzitien, an welchen die Studierenden ebenfalls teilnehmen.

 

Mitten im Leben

Der Begriff Spiritualität ist in der säkularen Umwelt salonfähig, macht neugierig und hat durchaus Anknüpfungspotenzial. Authentisch und verwurzelt im eigenen Glauben auf andere Menschen zuzugehen, kann eine Beschreibung für spirituelle Kompetenz sein. So gesehen ist sie für katechetisch Tätige eine Eigenschaft, die es anzustreben gilt, weil es so gelingen kann, mit kirchenfernen Menschen über «erste und letzte Dinge» ins Gespräch zu kommen. Spiritualität als «Verwirklichung des Glaubens unter den konkreten Lebensbedingungen» (Paul Michael Zulehner) bleibt eine Herausforderung in der Ausbildung und macht unsere Aufgabe anspruchsvoll und bereichernd.

Jeannette Emmenegger Mrvik

 

1 «Leitbild Katechese im Kulturwandel» (2009).

Die SKZ veröffentlicht in loser Folge Beiträge zu den zwölf Leitsätzen zum «Leitbild Katechese im Kulturwandel». Weitere Informationen zum Leitbild finden sich unter www.reli.ch


Jeannette Emmenegger

Dr. Jeannette Emmenegger Mrvik (Jg. 1971) ist Mentorin im Ausbildungsteam Seminar St. Beat des Bistums Basel.