Christkönigssonntag – Gesucht: Ein guter König

Christkönigssonntag: Kol 1,12–20 (2 Sam 5,1–3; Lk 23, 35–43)

Sind Sie mit unseren Politikerinnen und Politikern zufrieden? Ärgern Sie sich über das Salär und das Benehmen von Topmanagern? Schaffen Sie selbst es immer, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerecht und motivierend zu führen? Und wie sieht es in der Familie aus, fällt es Ihnen leicht, dem Partner/ der Partnerin und dem Nachwuchs gegenüber fair und geduldig zu sein? Um eine gute Führung, um gute «Chefinnen» und «Chefs», kurz: Um Könige geht es in den Lesungen zum Christkönigssonntag.

Der Christkönigssonntag ist der letzte Sonntag im kirchlichen Jahr, mit dem Advent beginnt das neue Kirchenjahr. Das Jahresende – wenn auch nicht unbedingt das kirchliche – ist für viele Menschen eine Zeit, in der sie das Vergangene Revue passieren lassen und gute Vorsätze für die Zukunft fassen. Vielleicht sieht die Leseordnung aus diesem Grund einen Text vor, den wir in diesem Jahr, nämlich im Frühsommer, bereits einmal gehört haben: den Hymnus aus dem Kolosserbrief. Unser heutiger Abschnitt beginnt allerdings bereits drei Verse vorher. Und in diesen drei Versen geht es um das Königreich Gottes. Königreich, Umbruch und Neuanfang scheinen also zusammenzugehören.

Doch das Christkönigsfest hat nicht nur resümierend-besinnlichen Charakter, sondern auch eine deutliche politische Dimension: Es wurde 1925 eingesetzt – unter dem Eindruck des Zusammenbruches der grossen Kaiser- und Königreiche im Ersten Weltkrieg. Diese Erfahrung erschütterte das Vertrauen in irdische Könige und führte zu einer stärkeren Betonung des eschatologischen Königreiches Gottes. Einige Jahre später sollten Umzüge und Prozessionen am Christkönigsfest ein Zeichen gegen die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten setzen. Die Betonung des endzeitlichen Königreiches am Christkönigsfest darf demnach nicht dazu führen, die Hoffnung auf ein gerechtes Zusammenleben im Hier und Jetzt aufzugeben!

Was in den Schriften geschrieben steht

Auch für das Judentum beginnt das neue Jahr jeweils im Herbst: Das jüdische Neujahrsfest Rosch Haschana fällt meistens in den Monat September. Und auch für das Judentum spielt Gott als König in der Liturgie rund um das Jahresende und den Jahresanfang eine wichtige Rolle: So wird Gott in den Gebeten zum Neujahrstag speziell als König und Richter angerufen.

Das Wort «König» (Hebräisch: Melech) ist neben den beiden Gottesbezeichnungen «Jahwe» und «Elohim» das vierthäufigste Nomen in der Hebräischen Bibel! Diese Häufigkeit ist wohl ein Zeichen, dass auch die Autoren der Bibel mit der Königsherrschaft und den Qualitäten des guten Königs gerungen haben. Der Begriff «König » wird denn auch sehr unterschiedlich gebraucht: So können fremde Könige damit gemeint sein, z. B. «Ahasveros, der König war vom Indus bis zum Nil» (Est 1,1). Mit der Errichtung des Königtums unter Saul (1 Sam 10,17) wird «König» zu einem innerjüdisch verwendeten Begriff. Der König ist der «Gesalbte Gottes», steht also unter dessen besonderem Schutz (2 Sam 23,1). Ein guter König zeichnet sich dadurch aus, dass er sein Volk in Sicherheit, Gerechtigkeit und Wohlstand leben lässt (z. B. 2 Sam 8,15). Doch wie schwierig es ist, mächtig zu sein und zugleich gerecht zu bleiben, zeigt die Geschichte von David, dem wohl berühmtesten König Israels. Sogar David nutzte seine Macht schamlos aus indem er den Mann der schönen Batschewa, Uria, zuvorderst an die Front schickte, um sich mit Batschewa zu vergnügen (2 Sam 11–12). Die späteren Propheten kritisierten die Könige sowie die Oberschicht teilweise heftig (vgl. Hos 1,4; 3,4). Spätestens mit dem Niedergang des Königtums im ersten nachchristlichen Jahrhundert wird die Hoffnung auf die Einsetzung eines idealen Königs für die messianische Zeit zu einer zentralen Hoffnung des Judentums. Diese ist bereits in der hebräischen Bibel angelegt (z. B. Num 24,17), erfährt aber ihre volle Ausprägung erst in der pseudepigrafischen und rabbinischen Literatur.

Der König par excellence ist aber sowohl in der Bibel als auch in späteren Texten Gott selber. Besonders in den Psalmen wird die Königsherrschaft Gottes hervorgehoben: «Der Herr ist König ewiglich, dein Gott, Zion, für und für, Hallelujah!» (Ps 146,10). Bereits in der hebräischen Bibel scheint demnach die Gesellschaftsform «Königsherrschaft», d. h., einer herrscht über zahlreiche andere, umstritten gewesen zu sein: Einerseits wird sie als Notwendigkeit für die Organisation einer grösseren sozialen Gruppe akzeptiert, andrerseits werden die ihr inhärenten Gefahren deutlich erkannt. Eine ideale Herrschaft scheint kein gewöhnlicher Mensch ausüben zu können, diese bleibt Gott oder eben dem Messias vorbehalten. Der Gefahr, angesichts dieser Einsicht in Resignation zu verfallen, begegnet das Judentum dadurch, dass der Mensch aufgefordert wird, «das Joch des himmlischen Königtums auf sich zu nehmen», d. h. den Geboten gemäss zu leben.

Die Zuversicht, dass es den guten und gerechten König dennoch gibt, bringen jüdische Menschen in der täglichen Liturgie zum Ausdruck: Im «Achtzehngebet», einem Gebet, das drei Mal täglich gebetet wird und dessen Grundbestandteile wohl auf die Zeit des zweiten Tempels zurückgehen, werden einige Eigenschaften dieses guten Königs, Gottes, erwähnt, die hier zitiert werden sollen1: «Gedenke unser zum Leben, König, der Wohlgefallen hat am Leben», «König, Helfer, Retter und Schild!», «Vergib uns, unser König, denn wir haben gefrevelt, denn du vergibst und verzeihst», «denn Gott, König, ein bewährter und barmherziger Arzt bist du», «Gelobt seist du, Ewiger, König, der du Gerechtigkeit und Recht liebst». Aus diesen wenigen Texten wird klar: Gott als König will das Leben, er hilft und rettet, wenn es nötig ist, er vergibt, obwohl sein Volk Übertretungen begeht, und er heilt. Diese Eigenschaften erinnern an eine hingebungsvolle Mutter oder einen liebevollen Vater. Und es ist wohl nicht zufällig, dass die beiden Begriffe «Vater» und «König» häufig miteinander vorkommen – nicht nur in der hebräischen Bibel und im Achtzehngebet, sondern auch im Kolosserbrief.

Mit dem Verfasser des Kolosserbriefes im Gespräch

Der Verfasser des Kolosserbriefes macht ein sehr gewagtes Statement: Er dankt dafür, dass Gott die Gemeinde bereits in sein Reich versetzt hat, dass das Königtum Gottes also bereits im Hier und Jetzt existiert! Dieser Dank wirkt angesichts der offenkundigen Unerlöstheit der Welt verstörend. Auf dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist damit jedoch keinesfalls gemeint, sich bequem zurückzulehnen, da man und frau sich ja bereits im Reich Gottes befinde. Diese Worte sind wohl nicht so sehr als Feststellung, sondern als Aufforderung zu verstehen: Trotz der vielen schlechten Könige in allen Sparten darf die Hoffnung auf Gerechtigkeit nicht resignierend ins Jenseits verschoben werden. Alle sind dazu aufgerufen, würdige Untertanen in Gottes Königreich zu sein. Und was für gute Könige gilt, gilt auch für die Untertanen: Knapp formuliert dies – quasi als Zusammenfassung des Achtzehngebetes – 2 Sam 5, 3, die Lesung aus der Hebräischen Bibel zum Christkönigsfest: «du sollst mein Volk Israel weiden» (2 Sam 5,2): Ein guter König und ein guter Untertane sind wie ein Hirte väterlich und mütterlich um die Mitmenschen besorgt.

 

1 Zitiert nach: Siddûr Sefat Emet. Mit deutscher Übersetzung von Rabbiner Dr. S. Bamberger, Basel 1986, 40–43.

Simone Rosenkranz

Simone Rosenkranz

Dr. phil. Simone Rosenkranz ist nach dem Studium von Judaistik, Islamwissenschaft und Philosophie in Luzern, Basel und Jerusalem als Fachreferentin an der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern sowie als Lehrbeauftragte an der Universität Luzern tätig