«Blutiger Karneval» – die Entmystifizierung des Sacco di Roma von 1527

Volker Reinhardt: Blutiger Karneval. Der Sacco di Roma 1527 – eine politische Katastrophe. (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) Darmstadt 2009, 144 S.

Der 6. Mai, an dem alljährlich die neuen Schweizergardisten im Vatikan vereidigt werden, ist ein fester Bestandteil der Erinnerungskultur der Schweizer Katholiken. Denn am 6. Mai 1527 ermöglichte die Päpstliche Schweizergarde die Flucht von Papst Clemens VII. aus dem Apostolischen Palast in die sichere Engelsburg. Der Blutzoll dafür aber war hoch, zahlten doch 147 Gardisten mit ihrem eigenen Leben. Gut und Bös ist in der Erinnerungskultur klar zugeteilt: Die Schweizer, die dem zu Unrecht verfolgten Papst das Leben retten, sind die Helden, während die bluttrünstigen und gierigen spanischen und deutschen Söldner, die zum Teil Lutheraner waren, die Bösen sind. Irritierend ist aber, dass nur drei Jahre später der gleiche Papst und Karl V. einträchtig und feierlich sich trafen, als ob nichts gewesen wäre, ja Clemens VII. seinem Peiniger sogar die Kaiserkrone aufsetzte. Volker Reinhardt räumt im vorliegenden Buch nun mit einigen Mythen auf. Clemens VII., 1523–1534 Papst, betrieb wie sein Vetter und Vorvorgänger Leo X., 1513–1521 Papst, zu Gunsten seiner Familie Medici eine Schaukelpolitik, die selbstzerstörerisch war. Eine Folge dieser Schaukelpolitik war, dass er sich Karl V. zum Feind machte, auf den er in der Bekämpfung der Reformation dringend angewiesen gewesen wäre. Aber die beiden Medici-Päpste stellten eben ihre Familienpolitik in den Vordergrund, nicht die geistlichen Aufgaben ihres päpstlichen Amtes. Der Sacco di Roma, eine so unvorhersehbare Katastrophe in der Ewigen Stadt, wäre also vermeidbar gewesen. 

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.