Bildung und Pastoral neu zusammen denken

Gut 90 Verantwortliche aus Pfarreien, kantonalen, diözesanen und schweizweit tätigen Institutionen folgten der Einladung zur TBI-Eröffnungstagung am 20. März 2017 ins C 66 nach Zürich.

Das Theologisch-pastorale Bildungsinstitut der deutschschweizerischen Bistümer bündelt die kirchlichen Bildungsangebote, die bis Ende 2015 von theologiekurse.ch, dem Institut für kirchliche Weiterbildung IFOK und den interdiözesanen Lenkungsausschüssen Vierwochenkurse bzw. Kurs Gemeinde leiten verantwortet wurden. Entsprechend dem Grundauftrag des neuen sprachregionalen Kompetenzzentrums für kirchliche Bildung1 ging es in Impulsreferaten, Ateliers und dem abschliessenden Podium darum, Bildung als Grunddimension zukunftsfähiger Pastoral stark zu machen.

Christiane Bundschuh-Schramm, Hauptabteilung Pastorale Konzeption des Ordinariats der Diözese Rottenburg-Stuttgart, zeigte neue Wege der Entdeckung und Kommunikation des Evangeliums auf, die auf Sinnsucher setzen. Da Kirchenbeziehungen mehrheitlich temporär und biografisch-situativ seien, brauche es zeitgemässe Rituale und seelsorgliche Zuwendung, spirituelle Übungs- und Reflexionsorte der Lebenspraxis, die die Entwicklung von Christsein ermöglichen. Statt den diffusen Transzendenzglauben der Mehrheit als defizitär abzuwerten, sei die Aufmerksamkeit einer impulsgebenden Pastoral gefragt, um das christliche Repertoire an die Existenz heutiger Menschen anschliessen zu können.

Entdeckungsräume des Evangeliums

Rainer Bucher, Pastoraltheologe in Graz, legte den Fokus auf die Bildungspastoral. Die christliche Religion teile das Ziel jedes Bildungsprozesses: die Menschwerdung vor Gott und in Gottes Liebe. Ein Zurück zur Kirche als geschlossenes System mehr oder weniger homogener Biografien und kultureller Milieus sei angesichts der Verflüssigung der Kirchen als religiöse Herrschaftssysteme unmöglich. Erwachsenenbildung solle sich am neuen Pastoralbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils ausrichten, der die kreative Konfrontation von Evangelium und Existenz in Wort und Tat meint. Sie könne so ein herausgehobenes Experimentierfeld darstellen, auf dem die säkulare Bedeutsamkeit des Glaubens und der religiöse Sinn des Säkularen in den Kontrasten der Gegenwart entdeckt werden. Der drohenden Exkulturation des Christlichen solle sich Bildungsarbeit entgegenstellen, um den Glauben inkulturieren und seine Bedeutung erhalten zu können.

Personal- und Kirchenentwicklung

Ausgehend von kirchlichen Stellenausschreibungen, die morphologisch erstarrte Kirchenberufsbilder spiegeln, regte Arnd Bünker, Leiter des SPI und Geschäftsführer der Pastoralkommission der SBK, Verlernprozesse für die Begegnung mit Neuem und Unbekanntem an. Religiosität und Spiritualität suchen heute neue Formen, dies verlange andere Konzepte von Beruflichkeit der Kirche. Hilfreich sei eine Neuorientierung im Blick auf zukunftsträchtige konkrete Handlungsfelder und Kompetenzen. (Weiter-) Bildung ist ein Schlüssel zum konstruktiv-kreativen Umgang mit dieser weithin offenen Situation.

Eine Podiumsdiskussion mit Franz Kreissl (Pastoralamt St. Gallen), Monika Jakobs (Vizepräsidentin des Bildungsrats D-CH), Daniel Kosch (RKZ), Ralph Kunz (Zentrum für Kirchenentwicklung der Universität Zürich) und Claudia Mennen (Fachstelle Bildung Propstei Wislikofen) verdichtete Eindrücke der Tagung im Blick auf die kirchliche Bildungslandschaft der Schweiz. Die Wertschätzung von Bildung als einem eigenen Ort von Pastoral und Kirche wurde lebhaft begrüsst. Zugleich wurden vermehrte Bildungsanstrengungen für Erwachsene angeregt, das Christentum sei keine Kinderreligion. Es brauche nachhaltige, evtl. abgestuft differenzierte Entwicklungswege. Wo Kirche durchschnittsgelähmt erscheine, gelte es die Glaubenskommunikation derer zu fördern, die sich in ihr engagieren, dadurch sei insbesondere die Selbstreflexivität der Hauptamtlichen gefordert. Die gegenwärtigen Veränderungen nicht als persönliche Demütigung wahrzunehmen, setze einen spirituellen Prozess voraus. Gefragt, wozu sie dem TBI in 10, 15 Jahren gerne gratulieren möchten, wurden Wünsche laut wie: Das TBI solle Intellektualität, Spiritualität und Solidarität verbinden und zu einem Ort werden für die praxisbezogene Bildung kirchlicher Mitarbeitender auf der Höhe der Zeit entsprechend dem Leitbild des Konzils, zu einer Agentin des Wandels, die die Kirche der Deutschschweiz mit wegweisenden Projekten wirksam unterstützt. In seinem geistlichen Schlusswort benannte Abt Urban Federer als Präsident des Bildungsrates der katholischen Kirche in der Deutschschweiz mit Meister Eckhart und Papst Franziskus die mystische und prophetische Dimension, die es in Bildung und Pastoral zu suchen und zu fördern gelte, um Haltungen und Mentalitäten zu verändern. Mit dieser Ermutigung verband er den Wunsch, auf dem Wirken des TBI möge Gottes Segen liegen.

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Das TBI vermittelt Basiswissen über Religion(en), Christentum und Kirche und erweitert berufsbegleitend theologische Kompetenz. Beschreibung der Kurse Studiengang Theologie, Bibel verstehen, Gott und Welt verstehen, Theologie 60 plus auf www.tbi-zh.ch/theologische-grundbildung

 

1 Nähere Informationen zu den drei TBI-Bereichen Theologische Grundbildung, Kirchliche Weiterbildung und Personalkurse auf www.tbi-zh.ch, die Thesen der drei Referenten sowie die Diskussionen im Rahmen der Eröffnungstagung werden voraussichtlich Anfang Juni im nächsten TBI-PRISMA zugänglich gemacht (zum Abonnieren: www.tbi-zh.ch/Newsletter).

Christoph Gellner

Christoph Gellner

Dr. theol. Christoph Gellner ist Leiter des Theologisch-pastoralen Bildungsinstituts der deutschschweizerischen Bistümer (TBI) in Zürich und freier Mitarbeiter des Ökumenischen Instituts der Universität Luzern.