Aufmerksamkeit der Lebensphase Jugend widmen

Bereits das Vorbereitungsdokument zur Bischofssynode 2018 ist Wegzeichen für die Jugendpastoral, meint Viktor Diethelm, Leiter der Deutschschweizer Fachstelle für offene kirchliche Jugendarbeit, OKJ.

Durch den Verlauf dieser Synode möchte die Kirche ihren eigenen Wunsch wiederholen, jeden Jugendlichen, ohne Ausnahme, zu treffen und zu begleiten und sich seiner anzunehmen.»* Die 22. Frage (Zugehörigkeit einer Religionsgemeinschaft) in der Online-Umfrage1 unterstreicht dies, wenn Antworten von «Ja, der katholischen Kirche» bis «Nein, und ich glaube auch an nichts Religiöses» möglich sind.

Dieser Vielfalt, welche «alle Jugendlichen» beinhaltet, angemessen zu begegnen, erfordert ein ausdifferenziertes Engagement der Jugendpastoral. Das Subjekt in dieser Lebensphase benötigt verschiedene Ansprechpartner und -partnerinnen, die ihre Ressourcen für ein gelingendes Erwachsenwerden anbieten. Wenn im Vorbereitungsdokument der Sport als «erzieherische Ressource»* anerkannt wird, sollte in der Jugendpastoral ebenfalls eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung bestehen. Die Beiträge an den Auftrag «jeden Jugendlichen, ohne Ausnahme, zu treffen und zu begleiten und sich seiner anzunehmen» müssen in einer Pluralität verwirklicht werden. Einen Gradmesser in Bezug auf «Kirchlichkeit» zu installieren, ist künstlich und erinnert an den Rangstreit der Jünger (Mk 9,33–37).

Jugendliche sind Teil der katholischen Kirche

«Wenn wir wollen, dass in der Gesellschaft oder in der Gemeinschaft der Christen etwas Neues geschieht, müssen wir Raum schaffen, damit neue Menschen handeln können.»* Die Aufmerksamkeit gegenüber den Jugendlichen richtet sich auch auf deren Beteiligungsmöglichkeiten. Die Integration der Jugendlichen fordert diese nicht auf, sich in Schubladen zu legen, sondern fordert uns heraus, aus dem «bequemen pastoralen Kriterium des ‹Es wurde immer so gemacht›* auszusteigen und uns von der Art, wie Jugendliche ‹Kirche sein› gestalten, inspirieren zu lassen. Damit ist der Paradigmenwechsel von ‹die Jugend ist die Zukunft der Kirche› zu ‹die Jugend ist Teil der Kirche› vollzogen. Es ist die Anerkennung der Subjekte in der Jugendphase mit ihren eigenen Sensibilitäten, Vorstellungen und Interessen. Sie beinhalten Ressourcen, welche die katholische Kirche für ihre Zukunft benötigen wird, und sie haben das Anrecht, Protagonisten* der Pastoral zu sein.»

Hohe Anforderungen an Jugend-seelsorgende

«Es braucht angesehene Gläubige mit einer klaren menschlichen Identität, einer festen kirchlichen Zugehörigkeit, einer sichtbaren spirituellen Qualität, einer starken erzieherischen Leidenschaft und einer tiefen Fähigkeit zur Unterscheidung.»* «(...) der nicht vom Gewissen des Anderen Besitz ergreifen oder den Weg der göttlichen Gnade, ausgehend von den eigenen Schemata, vorherbestimmen will.»*

Die Glaubwürdigkeit spielt bei Jugendlichen eine primäre Rolle. Daher gilt es, einen Qualitätsanspruch gegenüber Jugendseelsorgenden und kirchlichen Jugendarbeitenden zu erheben, der persönliche und ins-titutionelle Investitionen erfordert. Es geht um intime Bereiche der menschlichen Existenz, das Innerste, wo der Mensch mit Gott alleine ist, die verborgene Mitte, das Heiligtum im Menschen.2 Hier unwissend herumzustochern, verbietet sich, insbesondere in der prägendsten Lebensphase Jugend.

Freiheiten schaffen, statt Defizite suchen

«Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine grosse Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt.»3 Zu vergessen ist dabei nicht, dass die Gesellschaft immer multikultureller und -religiöser wird. «Den Augen des Glaubens erscheint dies wie ein Zeichen unserer Zeit, das ein Wachsen in der Kultur des Zuhörens, des Respekts und des Dialogs erforderlich macht.»*

Dies bedarf einer Freiheit, die gerade in unserer Gesellschaft organisiert werden muss. Im Buch «Organisierte Freiheit»4 wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die weit ausgedehnte Jugendkultur unserer Gesellschaft nicht dazu führen darf, das Spezifische an der Lebensphase Jugend zu vernachlässigen. Es braucht daher jugendspezifische Erlebnisräume, die echte Ereignisse und ein qualifiziertes, personales Angebot bieten; in denen Jugendliche mit ihresgleichen in den Austausch über Fragen des Glaubens kommen können, konfessions- und religionsübergreifend. Freiräume, um dem Weg zur Selbstverwirklichung fundiert nachgehen können. Es braucht die Freiheit, nicht primär auf die Teilnehmerzahl achten zu müssen, sondern auf die Wirkung, welche das Erlebnis, die Person ausgelöst hat.

Es müssen Erfahrungen ermöglicht werden, die aufzeigen, dass das Leben mit Beziehung zum Göttlichen Fülle bringt und es sich daher – über die Jugendphase hinaus – lohnt, diese verborgene Mitte miteinzubeziehen. 

* http://www.vatican.va/roman_curia/synod/documents/rc_synod_doc_20170113_documento-preparatorio-xv_ge.html Vorbereitungsdokument zur Bischofssynode 2018

1 https://survey-synod2018.glauco.it/limesurvey/index. php/147718 Altersspanne: 16–29-Jährige. In der Deutschschweiz wird Jugend zwischen 12 und 25 Jahren definiert, wobei sich der Begriff «junge Erwachsene» für die ab 18-Jährigen etabliert.

2 Vgl. Gaudium et spes 16

3 Evangelii gaudium, I. 7. (Zitat Benedikt XVI.)

4 Dominik Schenker: Organisierte Freiheit, Zürich, 2017