Aufbruch ins Weite

Die Klostergemeinschaft brachte durch den Kapitelsbeschluss vom 23. Januar 2018 das Projekt «Aufbruch ins Weite – Mariastein 2025»1 auf den Weg. Wie kam es dazu? Was sind seine Zielsetzungen?

Zwei Faktoren gaben den Anstoss zum Projekt «Aufbruch ins Weite – Mariastein 2025». Schon seit den 90er-Jahren zeichnete sich ab, dass sich die Mariasteiner Wallfahrt als religiöses Urphänomen in katholischer Ausprägung nachhaltig veränderte. Das veranlasste uns, das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut mit einer Studie zu beauftragen. Im Januar 2015 legten Eva-Maria Baumann-Neuhaus und Simon Foppa den Schlussbericht vor: «Mariastein im Wandel. Eine empirische Analyse des Wallfahrtsortes und seiner Besucherinnen und Besucher». Fast gleichzeitig schloss Theres Brunner, seit Oktober 2010 Betriebsleiterin des Klosters, ihr Studium in Nonprofit und Public Management ab. Der Titel ihrer Masterarbeit lautete: «Wallfahrt in Mariastein. Ökonomische Planung eines religiösen Auftrags». Die beiden Dokumente bildeten die Grundlage für weitere Schritte.
Der andere Impuls ergab sich aus der Tatsache, dass die personellen und wirtschaftlichen Ressourcen unserer Klostergemeinschaft seit Jahren abnehmen. Gestützt auf die Weisung Benedikts, wonach der Abt «alles vorausblickend und gerecht ordnen» solle (RB 3,6), kamen wir zur Einsicht, dass wir in Zukunft zwei Ziele anstreben wollen: Der Wallfahrtsort Mariastein, seit 1636 in der Obhut von uns Benediktinern, muss als religiös-kultureller Kraftort und als Heiligtum der Muttergottes erhalten bleiben, unter Berücksichtigung der heutigen Bedürfnisse der Pilger. Gleichzeitig müssen wir Mönche uns entlasten von den wirtschaftlichen Geschäften, ebenso von der Arbeit, die zum täglichen Wallfahrtsbetrieb gehört. In einem Vorprojekt (2016/17) wurden diverse Teilziele formuliert und die organisatorischen Leitlinien festgelegt. Damit war der Weg frei für das Projekt «Aufbruch ins Weite – Mariastein 2025».

Offener Horizont mit Bodenhaftung

Neben der Realisierung einiger Teilprojekte (Reorganisation der Klosterbibliothek, umfangreiche bauliche Sanierungsarbeiten usw.) beanspruchen heute zwei Vorhaben unsere volle Aufmerksamkeit: Aufbau einer neuen Trägerschaft für die Wallfahrt und, mit Blick auf die angestrebte Aufwertung des Wallfahrtsortes, die attraktive Neugestaltung des Klosterplatzes. Wir bemühen uns, die Vorhaben geistlich-religiös zu verankern, in der Öffentlichkeit einen Resonanzraum zu schaffen (z. B. durch das «Gedenkjahr 2021» in Erinnerung an die staatsrechtliche Wiederherstellung unseres Klosters im Jahr 1971) und möglichst weite Kreise in das Projekt einzubeziehen (z. B. über den Verein «Freunde des Klosters Mariastein» und über das Patronatskomitee). Das erfreuliche Echo auf die Spendenaktionen zeigt, dass «Mariastein» bei der Bevölkerung der Region einen guten Namen hat. Gleichzeitig stellen wir uns nüchtern der Realität. Die Entwicklung der Orden und der eigenen Klostergemeinschaft, die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche und in der Kirche, die Verwerfungen infolge der Pandemie, die Ungewissheit der wirtschaftlichen Entwicklung usw. machen Neubewertungen und Anpassungen nötig, lassen uns an provisorische Lösungen denken, ohne dass wir dabei die erwähnten Prioritäten und Zielsetzungen aus den Augen verlieren.
Unsere 16-köpfige Klostergemeinschaft ist am Abwägen, am Überlegen und Entscheiden, was wir loslassen wollen, was wir loslassen müssen; was wir, stets in Treue zu unserer benediktinischen Berufung, in andere Hände legen sollten und kompetenteren Leuten überlassen dürfen, ob es neue und differenzierte Formen der Zugehörigkeit zum Kloster braucht. Es geht, biblisch gesprochen darum, die Zeichen der Zeit wahrzunehmen und zu deuten, im gemeinsamen Hören auf Gottes Wort seinen Willen zu erkunden. Und wenn nicht immer alles wie am Schnürchen läuft, so wollen wir doch, wie Benedikt lehrt, «an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln» (RB 4,74).


Abt Peter von Sury

 

1 Informationen zu «Aufbruch ins Weite – Mariastein 2025» unter www.mariastein2025.ch; Mariano Tschuor leitet dieses Projekt seit dem 1. Januar 2019.


Peter von Sury

Peter von Sury (jg. 1950) studierte in Bern und Freiburg Recht, Journalistik, Geschichte und Philosophie. 1974 bat von Sury um die Aufnahme ins Benediktinerkloster Mariastein. Von 1976 bis 1982 studierte er in Einsiedeln und in Rom Theologie; anschliessend spezialisierte er sich an der Lateran-Universität im Fach Kirchenrecht und schloss mit dem Lizentiat ab. 2008 wurde er zum Abt von Beinwil und Mariastein gewählt.