Auf dem Weg zur «Familiensynode» in Rom - eine Zwischenreflexion

Im Oktober 2015 wird die XIV. Generalversammlung der Bischöfe zu dem Thema "Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" tagen. Ihr ging eine Bischofssynode zur Familie im Oktober 2014 und ein langer Diskussionsprozess voraus. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat keine Bischofsversammlung in Rom die Menschen weltweit so sehr bewegt wie diese beiden. Doch anders als beim Konzil schauen und horchen nicht nur die Menschen nach Rom – auch Rom horcht auf die Gläubigen in der ganzen Welt. Sie werden gefragt, sie sind aufgefordert, selbst zu diskutieren und ihre Erfahrungen und Glaubensüberzeugungen in einen weltweiten Diskussionsprozess einzubringen. Dieses Vorgehen ist ein Novum, das ebenso bedeutsam ist wie das Thema selbst, das behandelt wird. Auch das Thema der Familie ist etwas Besonderes. Es hat mit der ganz profanen Lebensrealität eines jeden Menschen unmittelbar zu tun. Hier wird nicht von einer Glaubensfrage ausgegangen, um dann den Lebensbezug zu suchen, sondern hier wird ein zentraler Lebenszusammenhang der Menschen zum Ausgangspunkt genommen und im Licht des Glaubens reflektiert.

In der Schweiz sind die Umfragen zur Bischofssynode zur Familie auf ein sehr grosses Interesse gestossen. Gläubige, Gruppen in den Pfarrgemeinden, Verbände und Fachstellen haben engagiert diskutiert und Voten eingereicht. Doch manchmal ist auch die Befürchtung zu spüren, dass die Voten nicht die gewünschte Wirkung erzielen könnten. Wie wird es nach dem Abschluss der Synode weitergehen? Der folgende Beitrag wird einen Blick auf den gesamten Synodenprozess und seine weltkirchliche und theologische Bedeutung werfen und versuchen, die Schweizer Eingaben darin zu verorten.

Eine Chronologie des synodalen Prozesses

Der Vatikan hat Mitte 2013 ein Vorbereitungsdokument für die III. Ausserordentliche Vollversammlung der Bischöfe in Rom an alle Bistümer der Welt mit der Bitte gesandt, dass sich die Gläubigen dazu äussern mögen. Es enthielt nach einem einleitenden theologischen Teil 39 Fragen zu Ehe und Familie, die in neun Frageblöcken zusammengefasst waren. Diese Fragen waren allerdings teilweise schwer verständlich und von einer so theologischen – und teilweise neuscholastischen – Sprache und Weltsicht durchdrungen, dass sie an der Lebenswirklichkeit der Familien weithin vorbeigingen oder schlichtweg nicht richtig verstanden wurden. Zudem waren die Fragen teilweise suggestiv gestellt, sodass sie bereits eine Antwortrichtung enthielten, während viele Fragen, die die Familien selbst stark beschäftigen, überhaupt nicht vorkamen. Die nationalen Bischofskonferenzen und Bistümer gingen recht unterschiedlich mit dem Fragekatalog um. In einigen Bistümern wurde wenig diskutiert, in anderen engagierten sich die Gläubigen und Gruppen sehr stark. Einige Bistümer wurden kreativ und "übersetzten" die Fragen in eine verständlichere Sprache, was aber nicht unumstritten war. Eine weltweite Vergleichbarkeit der Antworten ist keineswegs gegeben, aber darauf kommt es nicht an, denn die Befragung hat nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Erhebung. Vielmehr geht es darum, einen Diskussionsprozess anzustossen, in den alle Gläubigen mit einbezogen werden, und einen gemeinsamen Reflexionsprozess im Glauben in Gang zu setzen.

Die weltweiten Umfragen fanden im November und Dezember 2013 statt. Die Antworten wurden von den nationalen Bischofskonferenzen gesammelt, ausgewertet, zusammengefasst und bis Mitte 2014 nach Rom gesandt. Einige Bischofskonferenzen veröffentlichten die Zusammenfassung der Ergebnisse auch online.

Auf der Grundlage der Antworten wurde im Vatikan ein Diskussionspapier erarbeitet, das Gegenstand der III. Ausserordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode vom 5. bis 19. Oktober 2014 war. Sie stand unter dem Thema: "Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung". 191 stimmberechtigte Bischöfe aus der ganzen Welt berieten sich, zudem nahmen 16 Fachleute, 38 Gasthörer und acht Repräsentanten anderer Kirchen teil. Die Gasthörer hatten am 10. Oktober eine eigene Anhörung. Als Vertreter der Schweiz nahm der Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Markus Büchel, an der Versammlung teil. Nun ist nicht zu übersehen, dass der Anteil der Frauen doch sehr gering war, obwohl unter den Gasthörern auch 13 Ehepaare eingeladen waren. Das Schlussdokument, die "Relatio Synodi", wurde mit einer Zweidrittelmehrheit absatzweise abgestimmt. Der Papst verfügte aber, dass jene Passagen, die die erforderliche Mehrheit nicht bekommen hatten, auch weiter diskutiert werden sollten.

Der Text der "Relatio Synodi" wurde durch einen Katalog von 46 Fragen ergänzt, die allerdings wieder weniger die Familien selbst als vielmehr lehramtliche und kirchenrechtliche Zusammenhänge im Blick haben. Ende 2014 wurde diese Zusammenstellung als [datei13386] den Bistümern zur erneuten Diskussion zugesandt.2 In dieser Phase ging es nun mehr um die Stellungnahmen der Gruppen, Verbände, Fachstellen und der theologischen Fakultäten, die bis April 2015 von den Bischofskonferenzen gesammelt, ausgewertet und nach Rom gesandt wurden ([datei13731]).

Am 23. Juni 2015 veröffentlichte der Vatikan das Instrumentum Laboris "Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute". Es enthält den vollständigen Text der "Relatio Synodi", der abschnittsweise ergänzt ist durch die Zusammenfassung der Antworten aus der weltweiten zweiten Befragung. Das Instrumentum Laboris dient als Arbeitsgrundlage für die XIV. Ordentliche Generalversammlung der Bischöfe zu dem Thema "Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute", die vom 4. bis 25. Oktober 2015 in Rom stattfinden wird.

Der Text ist in drei grosse Teile gegliedert. Der erste Teil mit dem Titel "Das Hören auf die Herausforderungen im Hinblick auf die Familie" widmet sich der Situationsanalyse der Familie. Das eigentlich Bedeutsame ist der Ansatz bei der Lebenssituation der Menschen, während die einzelnen Inhalte teilweise enttäuschen. Denn der Blick auf die Familie ist sehr pessimistisch; sie wird mit einigen wenigen Ausnahmen als problematisch, zerbrechlich und unter gesellschaftlichem Druck stehend dargestellt. Daran ändern auch die umfangreichen Ergänzungen durch die zweite Befragung wenig. Offenbar war gerade dieser Text sehr umstritten, denn kein anderer Teil des Textes ist so umfassend ergänzt worden wie dieser. Immerhin werden gerade in den Ergänzungen die Herausforderungen der Familien durch Krieg, Verfolgung, Armut, Migration oder Behinderung benannt. Dass die Familien Subjekte einer umfassenden Glaubenspraxis und Glaubensweitergabe sowie weitreichender diakonischer Tätigkeiten sind, kommt jedoch kaum zur Geltung.

Der zweite Teil des Textes ist der theologischen Fundierung der Ehe und Familie gewidmet, der dritte Teil beschäftigt sich mit pastoralen Perspektiven. Gerade im dritten Teil am Ende des Textes finden sich nur noch wenige Ergänzungen.

Was sagen die Schweizerinnen und Schweizer?

In der Schweiz wurde die erste Befragung vom 20. November bis Ende Dezember 2013 online durchgeführt; hinzu kamen interne Befragungen mit Papierbogen von Seelsorgenden und Experten. Insgesamt beteiligten sich rund 25 000 Personen aus allen Diözesen und Kantonen an der Befragung, wobei die grosse Mehrheit (87 Prozent) dem deutschen Sprachraum zugerechnet wird, 9 Prozent dem französischsprachigen und etwa 4 Prozent dem italienischsprachigen.

Insgesamt sind sich die Schweizerinnen und Schweizer bei den meisten Fragen sehr einig. Frauen und Männer, junge und alte Menschen, Angehörige verschiedener Regionen und Sprachgruppen gaben ein ähnliches Votum ab. Ein ganz grosses Anliegen ist 90 Prozent der Befragten in der Schweiz die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten und die kirchliche Anerkennung und Segnung ihrer neuen Ehe. Die Gläubigen in der Schweiz haben offenbar ein grosses Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes und sind überzeugt, dass auch Menschen, die in ihrer Ehe scheitern, Gottes Barmherzigkeit finden. Die weit verbreitete alternative Praxis in den Pfarreien, die den wiederverheirateten Geschiedenen die eucharistische Mahlgemeinschaft nicht verweigert, wird ausdrücklich begrüsst. Das Zusammenleben der Partner vor der Ehe wird von einer grossen Mehrheit akzeptiert, denn es führt zu einer reiferen Entscheidung und kann ein wichtiger Bestandteil einer Vorbereitung auf die dauerhafte Ehe sein. Die Befragten zeigen zudem übereinstimmend einen grossen Respekt vor der Vielfalt von Familienformen und vor den Gewissensentscheidungen der Menschen. Das lehramtliche Verbot der künstlichen Methoden der Schwangerschaftsverhütung hingegen ist den meisten Katholikinnen und Katholiken nicht nachvollziehbar. Sie wünschen sich, dass sich das kirchliche Lehramt zu Fragen der Sexualität zurückhaltender äussert und auf Restriktionen verzichtet. Unterschiedlicher Meinung sind die Befragten in der Schweiz allerdings in Bezug auf die gleichgeschlechtliche Partnerschaft, die eine leichte Mehrheit befürwortet, eine starke Minderheit aber ablehnt. In der Schweiz, in der viele Gläubige mit einem Partner oder einer Partnerin einer anderen Konfession verheiratet sind, stellt sich zudem die Frage nach der Mahlgemeinschaft zwischen den Konfessionen als drängend.

In dem gesamten Diskussionsprozess in der Schweiz wurde deutlich, dass die Gläubigen eine andere Zugangsweise zu Familienfragen haben als die Verfasser des Textes: Gehen die Gläubigen von ihren Erfahrungen von Partnerschaft und Familie aus, so ist der Text stark von Idealen und von lehramtlichen und kirchenrechtlichen Vorgaben geprägt. Auch können die Gläubigen mit der naturrechtlich ausgerichteten Argumentation nicht viel anfangen. Die Sprache des Textes wird von vielen als unverständlich, ja teilweise sogar als verletzend, überheblich und anmassend empfunden. Viele Gläubige wünschen sich eine Kommunikation, die Wertschätzung zum Ausdruck bringt und auf Ausgrenzungen und Verurteilungen verzichtet. Sie vermissen das Vertrauen auf ihr verantwortliches und von ihrem Glauben getragenes Handeln. So fehlt in der Lineamenta die Anerkennung des Gewissens vollständig; nur ein einziges Mal, und dort kritisch, wird auf das Gewissen Bezug genommen.

Auch an der zweiten Befragung beteiligen sich die Schweizerinnen und Schweizer lebhaft, nun aber mehr in Gruppengesprächen. Nach der ersten Anhörung der Gläubigen sollte es jetzt um eine theologische Vertiefung in den Gruppen und Verbänden gehen. Die Antworten wurden bis April 2015 vom Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut gesammelt und nach Rom gesandt. Auch die Bischöfe der Schweiz beschäftigen sich intensiv mit dem Thema der Synode und bereiten sich durch einen gemeinsamen Studientag mit Theologinnen und Theologen sowie mit Fachexpertinnen und -experten vor. Als Vertreter der Schweiz wird Bischof Jean-Marie Lovey an der Bischofssynode im Oktober 2015 teilnehmen.

Impressionen von der Bischofssynode 2014

An der Synode im Oktober 2014 hat als Vertreter der Schweiz der Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Markus Büchel, teilgenommen. Bei einem Vortrag an der Theologischen Fakultät Luzern gab er später einige Impressionen von dem beeindruckenden Treffen wieder. Besonders deutlich seien die zentralen Anliegen von Papst Franziskus geworden: aufeinander hören und einander zuhören, einander ernstnehmen, eine verständliche und angemessene Sprache, eine offene, dialogische Atmosphäre. Bereits im gesamten synodalen Prozess ist eine Sichtweise von unten nach oben angelegt. Die Bischöfe sollten auf die Gläubigen in den Pfarrgemeinden hören und die Voten aus ihren Bistümern einbringen. Die Redezeit der mehr als zweihundert Personen war auf jeweils vier Minuten begrenzt. Die Bischöfe mussten ihre Voten nicht zuvor schriftlich fixieren, sodass eine Dynamik im Denkprozess während des Treffens möglich war. Wesentlich, so Bischof Büchel, waren natürlich auch die Gespräche in den Pausen. In der Mitte der Tagungsperiode, am 13. Oktober 2014, wurde ein Zwischenfazit gezogen und an die Presse gegeben, sodass die Öffentlichkeit Anteil an den Beratungen nehmen konnte. In der zweiten Sitzungshälfte bearbeiteten die Bischöfe in Sprachgruppen den Zwischenbericht. Der Papst, so die Erinnerungen von Bischof Büchel, war die gesamte Sitzungszeit zugegen. Er sass in der Mitte eines halbkreisartigen Podiums, und er hörte zu, ohne in den Diskussionsprozess einzugreifen. Allein dies war schon ein überzeugendes Zeichen für sein Anliegen, zuzuhören, was die anderen zu sagen haben. Am Ende wurden die 62 Abschnitte des Abschlusstextes mit Zweitdrittelmehrheit abgestimmt. Der Papst entschied, dass auch jene Themen, die die erforderliche Mehrheit nicht bekommen hatten, weiterbehandelt werden sollten.

Obwohl der Papst bei der Ausserordentlichen Synode 2014 primär zugehört hat, bringt er doch an anderer Stelle seine Position in Worten und Zeichen eindeutig zur Geltung, etwa in seinen Predigten in den Frühmessen und bei seinen Audienzen. Zum 50. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils, am 8. Dezember 2015, wird er ein Heiliges Jahr der Barmherzigkeit ausrufen. Dieses zentrale Anliegen der Barmherzigkeit wird einen Lichtschein bereits auf die Synode im Oktober 2015 werfen. Wichtiger als eine in sich konsistente Lehre ist dem Papst eine lebendige, barmherzige Kirche, auch wenn sie "verbeult" ist, wie er es einige Male ausgedrückt hat.

Ein Zwischenfazit und Ausblick

Es werden nun erste Befürchtungen laut, dass die hohen Erwartungen, die durch den synodalen Prozess mit seinen Befragungen hervorgerufen worden sind, nicht erfüllt werden können. Dies mag sicher auf einzelne Themen zutreffen.

So ist kaum zu erwarten, dass es eine Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Paare geben wird. Dennoch hat der synodale Prozess bereits jetzt auf der strukturellen Ebene eine grosse kirchliche Bedeutung und spurt eine spezifische Richtung vor. Der zweijährige Prozess mit zwei Befragungen aller Gläubigen und zwei Bischofssynoden lässt eine neue Form von Kirche Wirklichkeit werden, in der auch die Erfahrungen und Reflexionen der Gläubigen einen konstruktiven Bestandteil bilden und eine lehramtliche Dimension besitzen.

Bereits in seinen Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" betont Papst Franziskus die lehramtliche Autorität der Gläubigen. Darin heisst es: "Das Volk Gottes ist heilig in Entsprechung zu dieser Salbung, die es ‹in credendo› unfehlbar macht. Das bedeutet, dass es, wenn es glaubt, sich nicht irrt, auch wenn es keine Worte findet, um seinen Glauben auszudrücken. Der Geist leitet es in der Wahrheit und führt es zum Heil. Als Teil seines Geheimnisses der Liebe zur Menschheit begabt Gott die Gesamtheit der Gläubigen mit einem Instinkt des Glaubens – dem ‹sensus fidei› –, der ihnen hilft, das zu unterscheiden, was wirklich von Gott kommt" (EG Nr. 119). Damit wird der kirchliche Zentralismus überwunden, der mit dem Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 einen Höhepunkt gefunden hat. Bereits das Zweite Vatikanische Konzil hatte die Unfehlbarkeit der Gesamtheit der Gläubigen betont: "Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung vom Heiligen haben, kann im Glauben nicht irren" (LG 12). In dem Synodalen Prozess, den wir gegenwärtig erleben, wird diese Überzeugung nun in kirchliche Strukturen eingegossen. Der Prozess selbst und die Erfahrungen, die die Bischöfe und Gläubigen mit diesem Prozess machen, schreiben Geschichte. Sie werden die Kirche nachhaltig verändern.

Damit verbunden ist die Methode des Prozesses. Dieser geht, zumindest im Prinzip, von der Lebenswirklichkeit der Menschen und nicht von Inhalten der Lehre aus und versucht, sie im Glauben zu verstehen und zu reflektieren. Die Verfasser der Vorbereitungsdokumente und der Fragen zu ihnen tun sich noch merklich schwer mit diesem Vorgehen. Sie sprechen eine lebensfremde Sprache und stellen Fragen, die sich aus der Perspektive der Lehre ergeben und die zum Teil an den zentralen Fragen des Lebens vorbeigehen. Doch kann es einen Lernprozess in der Kirche geben, der jetzt begonnen hat.

Wie geht es weiter? Wir dürfen gespannt sein, zu welchen Ergebnissen die Bischöfe bei der Synode im Oktober kommen werden. Papst Franziskus setzt Vertrauen in die eigene Dynamik von Bischofssynoden, die er bereits bei Synoden in Lateinamerika erlebt hat. Sie kann ein Einfallstor des Heiligen Geistes sein. Auch das Zweite Vatikanische Konzil hat ungeplante Wendungen genommen und Texte hervorgebracht, die niemand im Voraus geplant hatte. Inhaltlich mag es vielleicht für die einen und für die anderen in dem Schlussdokument einige Enttäuschungen geben – aber doch nur, wenn man einen zentralistischen Blick behält und sich aus Rom alles erwartet. Etwas Entscheidendes ist jedoch bereits jetzt in Gang gesetzt worden, und dieser Erfolg hat bereits begonnen und realisiert sich in der Gegenwart: Die Gläubigen sind nicht allein Empfänger der lehramtlichen Botschaften, sondern sie werden befragt und als Subjekte auch lehramtlichen Nachdenkens ernst genommen. Das Lehramt hört auch auf die Gläubigen und bezieht sie in seine Reflexionen mit ein, und zwar weltweit. Dafür sind mit dem synodalen Prozess nun auch erste Strukturen geschaffen worden. Das nimmt auch die Gläubigen in die Pflicht, denn auch sie müssen nun ihren kulturellen Rahmen überschreiten und auf die Gläubigen in anderen Regionen der Welt hören. Dennoch müssen nicht alle Kulturen unter einen römischen Hut zusammengefasst werden. Es gibt durchaus auch die Möglichkeit, dass in manchen kirchlichen Fragen den lokalen Bischofskonferenzen ein grösserer Spielraum eingeräumt wird und diese zu unterschiedlichen Regelungen kommen können.

Der weltweite Diskussionsprozess wird mit der Bischofskonferenz im Oktober 2015 nicht abgeschlossen sein, sondern dort einen wichtigen Höhepunkt erfahren. Er ist in Gang gekommen und hat das Bewusstsein geweckt, dass die Gläubigen selbst sich beteiligen dürfen und müssen und dass ihre Glaubensüberzeugungen und ihr Handeln aus dem Glauben gefragt und wichtig für die Gesamtkirche sind. Der Prozess, über die Familie im Glauben nachzudenken, wird mit einer immer grösseren Fundierung weitergehen. Wir dürfen gespannt sein!

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Bisher sind in der SKZ folgende Artikel zu den Themata der Bischofssynoden der Jahre 2014 und 2015 erschienen

 

 

Stephanie Klein

Stephanie Klein

Prof. Dr. habil. Stephanie Klein ist ordentliche Professorin für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.