Attraktivität durch Qualität und überzeugende Berufsbilder

In der römisch-katholischen Kirche spricht man immer wieder vom «Reformstau» und denkt an Reformen bezüglich Zölibat, Sakramentenzulassung der wiederverheirateten Geschiedenen oder Frauenpriestertum. Kaum einmal wird in diesem Zusammenhang jedoch das Thema «Qualitätssicherung» erwähnt. Während es für Leistungserbringer in der Wirtschaft eines der zentralen Themen und entscheidend für den Markterfolg ist, fristet es innerhalb der Kirche ein kümmerliches Dasein.

Zu Unrecht. Gerade die heutigen Zeitgenossen, und damit auch die (potenziellen) Kirchenmitglieder, sind so gut ausgebildet wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Sie stellen im Beruf, in der Freizeit hohe Ansprüche: an die Qualität ihres Arbeitsplatzes, der Freizeiteinrichtungen, an die Güter und Dienstleistungen, die sie konsumieren. Sie erwarten auch von den Angeboten der Kirche eine entsprechende Qualität: eine inhaltlich gut vorbereitete Predigt, eine die Gottesbeziehung stärkende Eucharistiefeier, ein dem Menschen zugewandtes Seelsorgegespräch usw.

Werden die Seelsorgenden diesen Erwartungen gerecht? Zweifellos darf die Kirche auf sehr viele intrinsisch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bauen. Dennoch brauchen auch sie das Feedback von anderen. In der Wirtschaft und auch zahlreichen Non-Profit-Organisationen sind Mitarbeitergespräche gang und gäbe. Werden sie gut geführt – leider ist das nicht immer der Fall –, entsteht ein vertrauensvoller Austausch zwischen dem Mitarbeitenden und der vorgesetzten Person über Ziele, Zielerreichung, Ressourcen, Fähigkeiten und Weiterbildungsbedarf, Ideen und Innovationen. Es geht also nicht um eine autoritäre Kontrolle von oben nach unten, sondern um eine offene Situationsanalyse und Beurteilung der ausgeübten Verantwortung bzw., wenn erforderlich, der einzusetzenden Mittel zur Stärkung dieser Verantwortung.

Eine solche Kultur des Forderns und Förderns braucht zum einen entsprechende Strukturen: Die heutzutage in der römisch-katholischen Kirche Schweiz entstehenden Pastoralräume sollten nicht nur aus Gründen der «seelsorgerlichen Versorgung» konzipiert werden; sie sollten so gestaltet werden, dass sie klare Verantwortlichkeiten und Kompetenzzuordnungen beinhalten. Das ist nicht einfach: Statt der klassischen Pfarrei mit einem Pfarrer oder Gemeindeleiter als Führungsperson werden die Pastoralräume mit einem «Team» als Führungseinheit versehen. Das kann Chance sein, insofern Spezialisierungen in der Ausbildung und im pastoralen Einsatz der Mitarbeitenden möglich werden, wodurch besser auf die sich differenzierenden Bedürfnisse der Kirchenmitglieder reagiert werden kann. Das kann aber auch Last sein, insofern es die Koordination erschwert und zu einer Aufblähung an Sitzungen und Bürokratie führen kann. Wenn alle für alles verantwortlich sind, ist keiner mehr für etwas verantwortlich. Die «Teameritis» erstreckt sich ja auch auf die Dekanats- und Bistumsregionenleitungen.

Die Kultur des Forderns und Förderns braucht auch eine Akzeptanz in der Mitarbeiterschaft. Der Sinn für Qualität muss schon in der Ausbildung geschärft werden. Das theologische Studium dient dieser Qualität und ist nicht ein «notwendiges Übel», das man durchlaufen muss, um später seine «Berufung» zu leben. Die Befähigung zur intellektuellen Auseinandersetzung mit (Glaubens-)Fragen dieser Zeit ist unverzichtbar. Leider stellt man jedoch in kirchlichen Kreisen immer wieder Tendenzen eines Anti-Intellektualismus fest. Die relativ niedrigen Studierendenzahlen sind eine Versuchung, die Qualitätsanforderungen abzusenken. Das Einsteigen in eine Qualitätsspirale nach unten mag zunächst im Hinblick auf einen grösser werdenden Pool verlockend erscheinen. Eine solche Personalrekrutierungsstrategie ist aber für jede Organisation, auch für die Kirche, langfristig nie nachhaltig.

 

Wir dürfen nicht vergessen: Qualität stellt ein Faszinosum dar. Nur ein hochwertiges Theologiestudium zieht junge Menschen an, denen es Freude bereitet, sich um Exzellenz zu bemühen. Nur ein prägnantes Berufsbild mit klarer Kompetenz- und Verantwortungszuteilung, mit interessanten und anspruchsvollen Zielsetzungen spricht tatkräftige, engagierte, lebenstüchtige junge Menschen an. Deshalb sollten die Verantwortlichen in den Bistümern bei der Konzeption der Pastoralräume auch personalpolitisch und -strategisch denken. Es geht nicht nur um Stellenbesetzungen; mit den Berufsbezeichnungen (z. B. «priesterlicher Mitarbeiter») und Tätigkeitsfeldern werden die zukünftigen Berufsbilder der Priester und Laienmitarbeitenden geprägt. Sind diese wirklich für junge Menschen attraktiv?

 

 

Stephan Wirz

Stephan Wirz

Stephan Wirz, Prof. Dr. theol., leitet den Bereich «Wirtschaft und Arbeit» der Paulus-Akademie Zürich und ist Titularprofessor für Ethik an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.