«Am siebten Tag aber sollst du ruhen» (Ex 23,12)

 

Bei der Diskussion um Arbeits- und Freizeit geht es, wie der ehemalige Abt von Einsiedeln, Martin Werlen, bereits im Januar 2013 anlässlich des Referendums gegen mehr Nacht- und Sonntagsarbeit bemerkte, in erster Linie um den Menschen. Für Werlen steht fest: «Gerade bei jenen Fragen, die christliche Grundwerte wie Menschenrechte und die Menschenwürde tangieren, kann die Kirche nicht schweigen.» Der Druck, ständig für die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber erreichbar sein zu müssen, belastet die Aufrechterhaltung und Pflege persönlicher Beziehungen und kann im Extremfall zu gesundheitlichen Problemen führen. Zwei Zitate des ehemaligen Abts von Einsiedeln bringen dies auf den Punkt: «Leistung und Konsum sind wichtig. Aber wo sie im Zentrum stehen, verlieren wir die Mitte.» Und: «Ohne freie Zeit brennt in den Menschen nichts mehr. Das führt dann zu Burnouts.»

Aktuell führen insbesondere digitale Technologien zu einer zunehmenden zeitlichen und räumlichen Arbeitszeitflexibilisierung. Die Diskussion über die Verwendung und Aufteilung der uns zur Verfügung stehenden Lebenszeit wird dabei immer wichtiger. Die Ausweitung von Möglichkeiten, auch am Wochenende oder nachts oder grundsätzlich auch von zu Hause oder aus dem Ausland zu arbeiten, erhöht zwar die individuelle Freiheit, Entscheidungsautonomie und persönliche Gestaltungsmöglichkeiten, kann aber gleichzeitig auch das Finden von gemeinsam mit Familie und Freunden geteilten Zeitfenstern erschweren und zu übermässigem Stress auch in der eigentlichen Freizeit führen.
Wann immer wir politischen Versuchen zur gesellschaftlichen Umorganisation von Arbeits- und Freizeit begegnen, lohnt es sich, zu fragen, woher der Impuls kommt und welcher Motivation er entspringt: Geht es darum, den Arbeitnehmenden mehr individuelle Freiheit in ihrer Arbeits- und Freizeitgestaltung zu geben, oder darum, mehr wirtschaftliche Profite zu erzielen? Welche individuellen und gesellschaftlichen Konsequenzen sind zu erwarten und wie gehen wir damit um? Welche rechtlichen und gesellschaftlichen, aber auch religiösen Normen sind wir bereit anzupassen und an welchen wollen wir festhalten?

Im digitalen Zeitalter ist das Führen solcher gesellschaftlicher Debatten nicht nur aus der politischen Perspektive einer gelebten Demokratie relevant, sondern auch im Hinblick auf eine möglichst partizipative und selbstbestimmte Ausgestaltung von Arbeit und Freizeit in der Zukunft. Digitale Technologien erlauben uns, unsere Arbeit effizienter und effektiver auszuüben, unabhängig von zeitlichen und räumlichen Grenzen. In welche Richtung wir uns als Gesellschaft entwickeln, bleibt jedoch uns überlassen. Was die Theologie und die Sozialethik zu dieser gesellschaftlichen Debatte beitragen können, ist ihr Fokus auf den zentralen Wert der Menschenwürde sowie der Menschenrechte als Alternative und Gegengewicht zum wirtschaftlichen Profitdenken.

Evelyne Tauchnitz*

 

* Dr. Evelyne A. Tauchnitz (Jg. 1980) arbeitet als Forschungsmitarbeitende und Habilitandin am Institut für Sozialethik (ISE) der Theologischen Fakultät der Universität Luzern. Ihre Forschungsschwerpunkte sind digitaler Wandel, Friedensethik und Menschenrechte.