47 Jahre Pastoralplanung im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz

Pastoralplanungskommission wird Pastoralkommission

Lässt sich Pastoral «planen»? Vor welchem Horizont wird der Weg der Kirche entworfen? Welche Beteiligungsformen braucht die Entwicklung der Pastoral in der Schweiz? 47 Jahre lang hat die Pastoralplanungskommission (PPK) der Schweizer Bischofskonferenz diese Fragen bearbeitet. Geschichte, Anliegen, Grenzen und bleibende Herausforderungen werden im Folgenden beschrieben. Anlass ist die Übergabe der Aufgaben der Pastoralplanungskommission an eine neue Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz, die Anfang 2014 ihre Arbeit aufnimmt.

Pastoral «planen»

In den letzten Jahren ist der Planungsaspekt im Bereich der Pastoralplanungskommission immer wieder in Frage gestellt worden. Einerseits sahen manche Bischöfe ihre diözesane Gestaltungshoheit tangiert, andererseits galt die Planungsidee als Ausdruck einer typischen Mentalität der Nachkonzilszeit der 1960erund 1970er-Jahre. Beide Annahmen verdienen eine kritische Würdigung: Ein Blick in die Entstehungsgeschichte der Pastoralplanungskommission zeigt, dass der Gedanke einer «Pastoralplanung» älter als das Konzil ist und keineswegs einfach als «nachkonziliar» verstanden werden kann.

In der Schweiz lassen sich zwei Quellen benennen, die den Gedanken der Pastoralplanung auf gesamtschweizerischer Ebene förderten: Die Ordensgemeinschaften und das Fastenopfer. Während das Fastenopfer in den 1960er-Jahren vor allem eine verbesserte Begründung und Organisation des Einsatzes gesamtschweizerischer Kirchengelder erwartete und dazu pastoralplanerische Leitlinien wünschte, steht bei den Ordensgemeinschaften eine längere Pastoralplanungsgeschichte im Hintergrund: Die Ordensgemeinschaften in der Schweiz waren seit Ende der 1950er-Jahre stark an einer gesamtschweizerischen pastoralen Planung interessiert. Sie strebten auf gesamtschweizerischer Ebene eine «gemeinsame (…) Planung und Organisation der apostolischen Arbeiten im Interesse eines fruchtbaren Reich-Gottes-Dienstes» an.1 Wenig später, 1961, formulierte die Vereinigung der höheren Ordensobern der Schweiz (VOS) gar die Frage nach einem «gemeinsamen schweizerischen Seelsorgeamt ».2 Gerade die Ordensgemeinschaften hatten ja schon jahrhundertelange Erfahrung mit «geplanter» Pastoral: Seit der Gegenreformation kann erstmals von einer zentral «geplanten» und gesteuerten Organisation der Pastoral in Europa gesprochen werden, deren wichtigste Akteure die Ordensgemeinschaften waren. Insbesondere die Jesuiten folgten einem klaren Programm zur Rückführung weiter Teile Mitteleuropas in die katholische Kirche. Weltkirchlich wurde zudem der Einsatz von Ordensgemeinschaften in der Mission seit dem 16. Jahrhundert und dann vor allem seit dem 19. Jahrhundert zu einem typisch modern geplanten Vorgang mit einer ausdifferenzierten Bürokratie und Organisation. Weit mehr als beim sogenannten Weltklerus bestand in den Ordensgemeinschaften also schon lange eine «planerische» Haltung und Mentalität im Blick auf die Gestaltung der Pastoral. Hier wurde zudem mehr als in den Bistümern über den Tellerrand geschaut, hier wurden die grösseren Zusammenhänge – regional, national und weltweit – gesehen; vielleicht manchmal auch mit einer grösseren Distanz zu oder einem gewissen Unverständnis gegenüber lokalem Kirchturmdenken oder kirchlichem «Kantönligeist». Auch bei der Gründung der Pastoralplanungskommission im Jahr 1966 war klar, dass Pastoralplanung nicht nur einfach nach pragmatischen Lösungen für Probleme der Seelsorge suchen, sondern auch «störende» Perspektiven für das pastorale Gewissen in der Schweiz einbringen sollte. Chancen und Grenzen dieses Ansatzes zeigt die Geschichte der letzten 47 Jahre.

Aufgaben

Kirche voraus denken

Ein Auftrag der PPK war die Zukunftsplanung der Kirche. Unter dem Stichwort «Prospektive» sollte mehr als bloss eine Bestandessicherung für die Zukunft gewährleistet werden. Nicht die pastoralen Gewohnheiten der Vergangenheit und Gegenwart sollten die pastorale Zukunftsplanung bestimmen, sondern die Bedürfnisse der Menschen, ihre Nöte und Sorgen, ihre existenziellen Fragen und Herausforderungen. 1971 wurde die Studie «Kirche 1985» / «Eglise 1985» publiziert (1973 in französischer Sprache) – auch als Anstoss für die Diskussionen während der Synode 72. 1983 folgte die Studie «Im Dienst ganzheitlicher Befreiung. Zum Auftrag der Kirche in unserer Gesellschaft» (ist nur in deutscher Sprache erschienen) und 1995 der Bericht «Solidarische Freiheit in Kirche und Gesellschaft. Anregungen für eine Neue Evangelisierung der katholischen Kirche in der Schweiz» (ist nur in deutscher Sprache erschienen). Zwar wurden diese Berichte teilweise begeistert aufgenommen – die NZZ titelte zur Studie von 1971 «Die Kirche im Jahre 1985 könnte faszinierend sein»3 «L’Eglise pourrait devenir fascinante en 1985» – zugleich zeigten sich aber auch Grenzen in der Umsetzung. Visionäres Vorausdenken und planerische Konkretisierung liessen sich nur schwer miteinander verbinden. Vision und Aufbruch, aber auch das Erleben von Ängstlichkeit und Frustration wurden zu Merkmalen der Arbeit der Pastoralplanungskommission.

Tragfähige Strukturen schaffen

Seit den 1960er-Jahren hat sich – auch als Folge der Impulse der PPK – eine Vielzahl von Einrichtungen auf sprachregionaler oder schweizerischer Ebene entwickelt, deren Finanzierung einer gesamtschweizerischen Anstrengung bedurfte. So wurde das Sekretariat der Bischofskonferenz ausgebaut. Das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut wurde gegründet, das 1968 zum Sitz der Arbeitsstelle der PPK wurde und diese Funktion auch für die Pastoralkommission wahrnehmen wird. Die katholische Medienarbeit wurde verstärkt. Jugendarbeit, Bildungsangebote und vieles mehr wurden sprachregional entwickelt und forderten die Kirche in der Schweiz zu übergreifenden finanziellen Leistungen heraus. Dazu bedurfte es auch einer finanziellen Planung, um Wildwuchs zu verhindern und den Mitteleinsatz klug zu gestalten. Schnell erhielt die PPK den Auftrag zur Finanzplanung. Dabei zeigte sich, dass es einfacher war, langfristige Perspektiven und Prioritäten zu formulieren als kurz- und mittelfristig konkrete Entscheide an den langfristigen Prioritäten auszurichten. Die Komplexität in Organisations-, Struktur- und Finanzierungsfragen überforderte zuweilen ein Gremium, das sich vor allem mit pastoralen Grundsatzfragen befasste. Auch auf Anregung der PPK wurden daher neue Gremien zur Organisation der Mitfinanzierung geschaffen, in denen die PPK heute und die Pastoralkommission ab 2014 eine beratende Stimme einnimmt und pastorale Perspektiven zu Gehör bringt.

Beteiligung gewährleisten

Ein Blick auf die ersten Mitgliederlisten der PPK zeigt eine erstaunliche Grösse der Kommission: Teilweise sind mehr als 40 Mitglieder verzeichnet. Die PPK, so die Begründung, sollte die Vielfalt der kirchlichen Stimmen und Perspektiven bündeln und somit eine gewisse Repräsentativität kirchlicher Erfahrungen in der Schweiz widerspiegeln. Der Gedanke der Partizipation, der Mitbeteiligung möglichst vieler Menschen an pastoralen Beratungsprozessen, gehörte zum Auftrag und Selbstverständnis der PPK. In der Folge der Synode 72, die einen schweizerischen Pastoralrat wünschte, um die Mitverantwortung der Gläubigen bei pastoralen Fragen zusammen mit den Bischöfen zu ermöglichen, erhielt die PPK den Auftrag, ein entsprechendes Modell zu entwickeln und ein Statut zu formulieren. 1977 wurde der Pastoralrat, dessen Einsetzung von der Bischofskonferenz einstimmig gewünscht wurde, durch Rom unterbunden. Zu gross war dort die Unsicherheit angesichts einer organisierten Form der Mitwirkung von Getauften am Leitungsdienst der Kirche. Im folgenden Jahr, 1978 in Einsiedeln, und nochmals 1981 in Lugano führte die PPK dann sogenannte Pastoralforen durch. Hier zeigte sich, dass diese blossen «Foren» nicht leisten konnten, was mit dem Pastoralrat beabsichtigt war. Um dennoch eine synodale Minimalstruktur zu erhalten, übertrug die Bischofskonferenz der PPK 1983 den Auftrag zur Durchführung einer «Interdiözesanen Koordination». Diese versammelt seitdem einmal jährlich Repräsentanten diözesaner und kantonaler Seelsorge- und Pastoralräte zu einem Austausch über die zentralen Themen ihrer Arbeit. Seit 2011 wird dieser Austausch als Studientag alle zwei Jahre für die Öffentlichkeit geöffnet. Am 16. November 2013 war die Herausforderung des Generationswechsels in der Kirche das zentrale Thema, 2011 ging es um die Gestaltung des Lebens der katholischen Kirche in der Schweiz vor dem Hintergrund ihrer Prägung durch Menschen mit Migrationshintergrund.

Pastorale Einzelfragen bearbeiten

Die PPK hat in den Jahren ihres Bestehens unzählige Einzelfragen der Pastoral bearbeitet. Wollte man eine jüngere Kirchengeschichte der Schweiz schreiben, so wären die behandelten Fragen ein guter Stichwort- Katalog: Nur einige solcher Stichworte seien hier genannt: Frauenberufe in der Kirche, Audiovisuelle Mittel in der Verkündigung, Jugend, Diakonat, Justitia et Pax, Medienarbeit, Subvention von Klöstern, Neueinteilung der Bistümer in der Schweiz, kirchliche Berufe, Bildungshäuser, Armeeseelsorge, Priestermangel, Kirche und Arbeitswelt, Laien im pastoralen Dienst, Tagsatzung, Geschiedene und Wiederverheiratete, Freiwillige, Neue Evangelisierung, Mission in Partnerschaft, Pfarreien und Bewegungen, Restrukturierung der Pastoral, Ehe- und Familienpastoral, Seelsorgeberufe in Veränderung, Interkulturelle Pastoral …

Perspektiven

Pastorale Einzelfragen im Horizont prospektiver Kirchenentwicklung

Pastorale Beratungsprozesse auf der Ebene der ganzen Schweiz sind heute dringlicher denn je. Gerade in einer Zeit der Auflösung vieler lange für selbstverständlich gehaltener pastoraler Handlungsweisen, Strukturen und Denkrichtungen, in einer Zeit zunehmender Verunsicherung über den Weg der Kirche in unserer Zeit, ist die gemeinsame Beratung der grossen Fragen und Herausforderungen der Pastoral unerlässlich. Die aktuelle Umfrage zur Vorbereitung der Bischofssynode verdeutlicht dies: Viele Formen klassischer Ehe- und Familienpastoral haben massiv an Reichweite verloren. Die Antworten der Kirche zu Partnerschaft, Ehe und Familie passen offenbar immer weniger zu den Fragen, die heute viele Menschen bewegen. Wenn nur noch ein knappes Drittel der katholischen Paare, die zivil verheiratet sind, sich auch kirchlich trauen (Kirchenstatistik 2013, SPI), zeigt dies die Dringlichkeit einer neuen Reflexion über die Frage der Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral. Dabei kann sich die Kirche nicht mit diözesanen Alleingängen abfinden. Wenn auch die konkrete Ausgestaltung familienpastoraler Angebote diözesan oder regional geregelt werden kann, so dürfen die grundlegenden Orientierungen und Leitlinien nicht den Eindruck erwecken, Partnerschaft, Ehe und Familie würden in einem Bistum ganz anders gesehen werden als in einem anderen Bistum.

Die Glaubwürdigkeit der Kirche in der Schweiz und die Glaubwürdigkeit ihrer pastoralen Antworten auf die Fragen und Anliegen der Menschen müssen sich (mindestens) vor der grossen Bühne der Gesamtschweiz beweisen. Daher braucht es weiterhin eine gesamtschweizerische pastorale Reflexion und Optionenfindung. Die künftige Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz wird sich mehr und mehr mit solchen Fragen der Seelsorge und der Pastoral befassen, die immer tiefer auch den Kern des Kirche-Seins berühren und nicht nur organisatorische Herausforderungen darstellen. In einer Zeit grundlegenden Wandels fallen daher Antworten auf pastorale Einzelfragen mit der Gestaltung prospektiver Kirchenentwicklung zusammen.

Kirche gestalten im Planungshorizont der Schweiz

Bei aller Konzentration auf die Suche nach Wegen der Pastoral in einer Zeit grundlegender Umbrüche bleiben auch die Fragen der Organisation und Planung kirchlichen Handelns nicht einfach aussen vor. Ihre Bedeutung wächst sogar noch, da hier über das konkrete Erscheinungsbild der Kirche entschieden wird. Die Reorganisation der kirchlichen Medieneinrichtungen oder der kirchlichen Bildungsangebote beispielsweise, die schon lange die Grenzen diözesaner Zuständigkeiten und Machbarkeiten sprengen, machen eine intensive Abstimmung mit gemeinsamen Leitlinien der Pastoral auf der Ebene der ganzen Schweiz unerlässlich. Hier wird sich nicht zuletzt bewähren müssen, ob die Partnerschaft zwischen Bistümern, Bischofskonferenz und staatskirchenrechtlichen Organisationen und der RKZ zum Tragen kommt – oder nicht.

Beteiligungsformen weiterentwickeln

Nach Jahrzehnten mit einer grossflächig ausgebauten Räte- und Kommissionsstruktur der Kirche in der Schweiz zeigen sich mehr und mehr Ermüdungserscheinungen. Einerseits muss von einer Desillusionierung gesprochen werden, was die konkrete Beteiligung der Gläubigen an der Entwicklung der Pastoral angeht. Andererseits führen gesamtgesellschaftliche Trends zu einem generellen Rückgang der Beteiligungsbereitschaft vieler Menschen an den klassischen Gefässen von Räten und Kommissionen. Damit ist dem Wunsch nach Beteiligung keine Absage erteilt – aber die Formen bedürfen einer Überholung. Die Pastoralplanungskommission hat 2011 zusammen mit ihrer Interdiözesanen Koordination begonnen, öffentliche Studientage zu wichtigen Fragen der Kirche in der Schweiz anzubieten. Hier zeigt sich ein hohes Interesse an Beteiligung. Beim Studientag 2013 mussten gar Anmeldungen abgewiesen werden, da die Raumkapazitäten eine höhere Beteiligung nicht zugelassen haben. In Zukunft wird es darauf ankommen, solche Instrumente des Austausches, des gemeinsamen Nachdenkens und Suchens vermehrt in Anspruch zu nehmen. Zugleich gilt es auch, neue Formen zu entwickeln, die es Menschen ermöglichen, sich zu beteiligen, die sich für Studientage und Konferenzen kaum gewinnen lassen. Es ist ein gutes Zeichen für diesen Weg, dass Papst Franziskus deutlicher als seine Vorgänger dazu aufruft, die Stimmen aller Gläubigen für die Suche nach pastoralen Wegen zu berücksichtigen. Dabei geht es weniger um einen Modus des Abstimmens über wichtige Fragen als um eine Grundhaltung der Offenheit für die Erfahrungen – auch die störenden – der Menschen und für eine Grundhaltung des gemeinsamen Kirche- Seins auch und gerade bei unterschiedlichen Visionen über ihren Weg. Nur so ist Beteiligung Ausdruck einer Evangelisierung, die sich im Dialog vollzieht, im Colloquium Salutis, im andauernden Gespräch über das Heil, dessen Anfang schon versprochen ist.

Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz

Die Pastoralplanungskommission der Schweizer Bischofskonferenz übergab Ende 2013 ihre Arbeit an die neue Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz. Die neue Kommission wird einerseits in Kontinuität zur Arbeit der PPK deren zentrale Aufgaben fortführen und als Beratungsorgan der Schweizer Bischofskonferenz für Fragen der Pastoral wirken. Da andererseits planerische Tätigkeiten im Sinne konkreter finanzieller und organisatorischer Gestaltung der Pastoral auf der Ebene von Bistümern, Pfarreien, Kirchgemeinden und kantonalkirchlichen Einrichtungen geschehen und für die sprachregionale und gesamtschweizerische Klärung der Mitfinanzierung in den letzten Jahren eigene Prozesse entwickelt wurden, kann sich die Pastoralkommission in diesem Bereich vor allem auf eine beratende Funktion konzentrieren. Dazu ist sie weiterhin in der Paritätischen Planungs- und Finanzierungskommission vertreten. Das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) führt die Geschäfte der Pastoralkommission. Die enge Koppelung der Arbeit der Pastoralkommission mit der pastoralsoziologischen Forschungstätigkeit im SPI dient nicht zuletzt der Wirklichkeitsnähe der Pastoral in ihrem Dienst an den Menschen und ihren sich wandelnden Lebenswirklichkeiten.

Odo Camponovo, Präsident der PPK

Arnd Bünker, Institutsleiter SPI, Geschäftsführender Sekretär der PPK

1 Pastoralplanungskommission der Schweizer Bischofskonferenz (Hrsg.): Alfred Dubach. Vision, Planung, Mitbestimmung. 30 Jahre im Dienst der Kirche. St. Gallen 1996, 6.

2 Ebd.

3 Ebd., 9.

Arnd Bünker

Arnd Bünker

Tit. Prof. Dr. Arnd Bünker ist Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) in St. Gallen