Mitgestaltungsmöglichkeiten für Laien

Cover (Bild: schulthess.com)

Dass sich die Laien in der römisch-katholischen Kirche engagieren, wird immer wichtiger. Je weniger Priester den Pfarreien zur Verfügung stehen, desto mehr Aufgaben müssen die Laien erfüllen. Faktisch stossen sie dabei immer mehr in Tätigkeitsbereiche vor, die einst von Klerikern ausgeübt wurden.»1 Das kann eine empirische Feststellung sein. Hinter dieser Formulierung kann aber auch ein Kirchenbild stehen, das die Mitglieder der Kirche in Leistungserbringer und Leistungsempfänger einteilt. Dann stellt sich die Frage, wer bislang welche Leistungen erbracht hat und wer sie gegebenenfalls auch erbringen könnte. Dieser Frage gingen eine Tagung des Instituts für Religionsrecht der Universität Freiburg i. Ü . und in ihrem Nachgang eine Publikation nach, wenn sie die gesellschaftlichen und innerkirchlichen Parameter für das Engagement der Laien und seine kirchenrechtlichen und staatskirchenrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen erörtert.2

Mit-arbeiten, nicht nur mit-helfen

In ihrer religionssoziologisch und pastoraltheologisch ausgerichteten Grundlegung geht Judith Könemann indes von einem anderen Kirchenbild aus, nämlich von der Idee des Zweiten Vatikanischen Konzils vom Volk Gottes. Diese Idee besagt, dass alle Gläubigen aktiv zum Aufbau des Reiches Gottes berufen sind, dass also jedes Mitglied der Kirche, und nicht nur Kleriker und andere Hauptamtliche, seine Charismen einbringt. Praktisch unterstützt wird diese Idee durch Strukturen, in denen Gläubige aktiv am Aufbau des Reiches Gottes mitarbeiten, und zwar mitarbeiten und nicht nur mithelfen.

Attraktivitätsverlust und innerkirchliche Probleme

Anderseits geht Judith Könemann von der Feststellung aus, dass die vielen nachkonziliaren Mitgestaltungsmöglichkeiten fünfzig Jahre nach dem Konzil erheblich an Attraktivität eingebüsst haben. Für ihren Beitrag nahm sie sich deshalb vor, den Bedingungen und Ursachen für diesen Rückgang des Laienengagements in der Kirche nachzugehen. Dabei berücksichtigt sie gesellschaftliche Veränderungsprozesse wie kirchliche Entwicklungen, die einen Einfluss auf die Bereitschaft zu einem freiwilligen Engagement in der Kirche haben. Aus religionssoziologischer Sicht sind die Situation institutionalisierter Religion in Westeuropa zu nennen und die damit einhergehenden Entkirchlichungsprozesse, «die allerorten als eine Erosion des kirchlichpfarreilichen Lebens wahrnehmbar sind».3 Dazu kommen innerkirchliche Probleme, «die Einfluss auf die Bereitschaft haben, sich freiwillig in der katholischen Kirche zu engagieren».4 Gemeindetheologie, die hohe Ansprüche an Engagement und Beteiligung stellt. Gemeindewirklichkeit aber ist: «Vielen Menschen ist ein solcher Engagements- und Aktivitätsanspruch zu hoch oder er entspricht nicht ihrer Bedürfnislage und dem, was sie zu leisten bereit sind.»5 Immer weniger Menschen wollen als Mitglieder der Kirche Leistungen erbringen müssen, sondern Leistungen beziehen können. Dabei wird dieses Mitgliedschaftsverhalten von Entwicklungen in der Kirche, zumal dem hohen Organisationsschub in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, verstärkt. Organisationen haben aber nicht nur Dienstleistungscharakter, sondern setzen auch in hohem Masse auf Professionalität. Das lässt sich an der Entwicklung der kirchlichen Berufe in der Deutschschweiz seit der Gründung des Katechetischen Instituts Luzern vor 50 Jahren unschwer ablesen. Allerdings hat in den letzten Jahren auch die Zahl der an einem kirchlichen Beruf Interessierten massiv abgenommen, was Anlass zum «Projekt Chance Kirchenberufe» ist.6

Mit-entscheiden, nicht nur mit-reden

Mitgestaltungsmöglichkeiten für Laien im Rahmen eines freiwilligen Engagements, eines Engagements aus eigenem Entschluss und ohne Beauftragung, werden in der vorliegenden Veröffentlichung nur angesprochen. Der grundlegende kirchenrechtliche Beitrag von Raimund Süess und René Pahud de Mortanges zu den Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten für Laien gemäss kanonischem Recht legt aber ausführlich dar, welche offiziellen Ämter und Dienste Laien in der Kirche ausüben können. Die Aufgabenbereiche, die das kanonische Recht ebenfalls regelt, die in der Schweiz jedoch von den staatskirchenrechtlichen Institutionen wahrgenommen werden, kommen in einem eigenen Beitrag zur Sprache; Daniel Kosch benennt dabei auch Schwierigkeiten und ungenutzte Möglichkeiten. Nahe an die konkreten kirchlichen Verhältnisse führen die Berichte über Pfarreileitung durch Laien in der Deutschschweiz (Claudius Luterbacher-Maineri), in Frankreich und der Westschweiz (Astrid Kaptijn) sowie in Deutschland (Hans-Jürgen Guth), wobei der kirchenrechtliche Hintergrund besonderes beachtet wird. Pastorale Perspektiven, wie sie der Untertitel der Veröffentlichung verspricht, wurden an der Tagung auf dem abschliessenden Podium eingebracht. Urban Fink-Wagner betonte, dass die Mitarbeit in der Kirche, der Heilsdienst, und die Arbeit als Mitglied der Kirche in der Welt, der Weltdienst, nicht getrennt oder gar gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Leo Karrer plädierte dafür, dass die Kirche zum Erlebnisraum gelebten Christseins werden müsse. Für den Tessiner Kirchenrechtler Libero Gerosa ist die Verstärkung der Anhörungs- und Zustimmungsrechte die eine Zukunftsperspektive. Die andere ist für ihn die Verstärkung des missionarischen Dienstes der Laien mit den zwei Schwerpunkten Familienrecht und Religionsfreiheit: Diese beiden Grundwerte gelte es in unserer pluralistischen Gesellschaft zu verteidigen.

Ungenutzte Chancen

Im Vergleich zum Podium bietet der kirchenrechtliche Hauptbeitrag bedauerlicherweise nur zaghaft Zukunftsperspektiven. Sollen nämlich Mitgestaltungsmöglichkeiten zu eigentlichen Mitwirkungsmöglichkeiten werden, implizieren sie Möglichkeiten nicht nur des Mitarbeitens, sondern auch des Mitredens und Mitentscheidens. Dem gegenüber wird nicht hinterfragt, dass der Pfarreipastoralrat lediglich beratendes Stimmrecht hat; immerhin weist eine Fussnote auf eine kritische Rückfrage der Kirchenrechtlerin Sabine Demel hin. Die Mitwirkungsmöglichkeit der Laien in der Diözesansynode wird so summarisch abgehandelt, dass der erhebliche Unterschied zur Synode 727 gar nicht in den Blick kommen kann. Wohl wird in einer Fussnote auf die Instruktion der Kongregation für die Bischöfe und der Kongregation für die Evangelisierung der Völker über die Diözesansynoden8 hingewiesen. Die strenge Reglementierung wird aber übergangen. So darf die Synode nur die Fragen diskutieren, die ihr vom Bischof vorgelegt werden.9 Und er muss von der Synodendiskussion Thesen oder Positionen ausschliessen, «die von der fortwährenden Lehre der Kirche oder dem Päpstlichen Lehramt abweichen bzw. disziplinäre Fragen betreffen, die der höchsten oder einer anderen kirchlichen Autorität vorbehalten sind und die unter Umständen mit dem Anspruch eingebracht wurden, dem Hl. Stuhl entsprechende ‹Voten› zu übersenden».10 Der Kirchenhistoriker Dominik Burkard vermutet als Stein des Anstosses zu dieser Instruktion die Beteiligung der Laien und kommentiert enttäuscht: «Möglicherweise wird sich nach dieser Überreglementierung kaum mehr ein Bischof für die Abhaltung einer Diözesansynode entschliessen können. Damit wäre ein altes Rechtsinstitut, das in neuer Form nach dem Konzil zu einem zentralen Instrument der Erneuerung hätte werden können, sehr wirksam aus dem Verkehr gezogen worden.»11 Wohl liegt der Ernstfall des Christseins «bei Laien, Frauen und Männern, nicht bei jenen, die einen besonderen Dienst aufgetragen erhalten».12 Mit den konziliaren Grundsätzen der Synodalität und Mitverantwortung dagegen muss die Kirchenleitung strukturell ernst machen.

1 René Pahud de Mortanges: Einleitung zu: René Pahud de Mortanges (Hrsg.): Mitgestaltungsmöglichkeiten für Laien in der katholischen Kirche. Rechtslage und pastorale Perspektiven (= Freiburger Veröffentlichungen zum Religionsrecht FVRR , Band 29). Zürich 2013, 1.

2 Ebd.

3 Ebd., 10.

4 Ebd., 18.

5 Ebd., 20.

6 Siehe Beilage zu SKZ 43/2013 ( www.chance-kirchenberufe.ch/ ).

7 Joachim Schmiedl (Hrsg.): Nationalsynoden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Rechtliche Grundlagen und öffentliche Meinung (= Theologische Berichte, Band 35). Freiburg/ Schweiz 2013.

8 AA S 89 (1997), 706 –727; AfkKR 166 (1997), 147–167.

9 Instruktion I.1.

10 Instruktion IV.4.

11 Dominik Burkard: Diözesansynoden und synodeähnliche Foren sowie Kirchenvolksbegehren der letzten Jahrzehnte in den deutschsprachigen Ländern, in: RQCAK 101 (2006), 113–140, hier 135.

12 Leo Karrer, in: Pahud de Mortanges, Mitgestaltungsmöglichkeiten für Laien (wie Anm. 1), 194.

Rolf Weibel

Rolf Weibel

Dr. Rolf Weibel war bis April 2004 Redaktionsleiter der «Schweizerischen Kirchenzeitung» und arbeitet als Fachjournalist nachberuflich weiter