Zweites Vatikanisches Konzil: Liturgiereform und Kirchenbild

Studientagung der Basler Liturgischen Kommission 2012

Nach der vormittäglichen Kommissionssitzung der Diözesanen Liturgischen Kommission (DLK) begann die Studientagung der Diözesanen Liturgischen Kommission des Bistums Basel, die vom 19. bis zum 21. November 2012 im Bildungshaus in Bethanien in St. Niklausen (OW) abgehalten wurde, mit erfreulich vielen zusätzlichen Teilnehmenden. Die spirituelle Einstimmung in der Kapelle mit einigen Ausschnitten aus der Liturgiekonstitution, mit Evangelientexten, Orgelmusik und Gesang führte uns mitten ins Thema: «Das Konzil: Herausforderung für unser Feiern morgen!». Die Tagung selber wurde geprägt von Klemens Richter, em. Professor für Liturgiewissenschaft in Münster (Westfalen), und angenehm moderiert von Gabriele Berz-Albert.

Kirche als Volk Gottes

Zunächst zeigte Prof. Richter auf, dass die Liturgiekonstitution als erstes Konzilsdokument keineswegs nur eine Liturgiereform beabsichtigt hatte, sondern gleichzeitig ein verändertes Kirchenbild zum Ausdruck bringen wollte. Vereinfacht gesagt: Traf man sich früher zum Gottesdienst, um – eigentlich jeder für sich – den gottgeschuldeten und von der Kirche eingeforderten Dienst zu erfüllen, so wird jetzt die Kirche als Volk Gottes gesehen, das sich um seinen Herrn als mystischer Leib Christi versammelt, zuerst von Gott geheiligt wird und darauf mit Gebet und Gesang antwortet. Diese neue – alte – Sichtweise orientierte sich an den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte und hatte weitreichende Folgen: Vereinfachung der Feierform, so dass das Feiern möglichst aus sich selbst verstanden und von allen aktiv mitvollzogen werden kann. Es ist ein Idealbild von liturgischem Feiern, das übrigens in der ganzen Kirchengeschichte immer nur teilweise realisiert werden konnte. In einer Gruppenarbeit ging es dann anhand von Texten aus der Liturgiekonstitution um eine Vergewisserung: «Was ist Liturgie?», um eine Vertiefung: «Wie feiern wir Liturgie?» und um einen Ausblick: «Wie erschliessen wir Liturgie?».

Liturgiewissenschaft als Hauptfach

Notabene: Das Konzil erklärte die Liturgiewissenschaft zu einem Hauptfach der Theologie und die liturgische Bildung der Verantwortlichen und aller Mitfeiernden als «dringend notwendig» respektive als «eine der vornehmsten Aufgaben» der Seelsorger. Im traditionellen Kaminfeuergespräch am Abend zwischen Carsten Gross und Prof. Richter konnten wir dem Referenten noch persönlicher begegnen. Der Tag wurde beschlossen mit dem Nachtgebet, durch das uns Pia Pfister begleitete.

Auch dieses Jahr fehlte das Singen mit Hansruedi von Arx nicht – übend jeweils bei Arbeitsbeginn und betend bei Tisch. Je vor dem Frühstück war Gelegenheit, mit den Schwestern von Bethanien zu beten und zu feiern. Am Dienstag gab uns Prof. Richter anhand von Bildern einen Einblick in die Entwicklung der Eucharistiefeier von den ersten Jahrhunderten bis nach dem Konzil. Viele Kenntnisse aus der frühen Kirche waren in Theologie und Kirche lange Zeit unbekannt, wurden im Zuge der liturgischen Bewegung wieder erforscht und beim Konzil fruchtbar aufgegriffen.

Heilsame Gegenwart Christi

Unter dem Stichwort: «Mysterium und/oder Sacramentum » gingen wir dem Wandel des Sakramentenverständnisses am Beispiel von Hoch- und Segensgebeten nach. Mysterium ist weiter gefasst als Sacramentum. Letzteres beschreibt mehr die rechtlich notwendigen Dinge zur Gültigkeit des sakramentalen Handelns der Kirche im Namen Christi. Mysterium bezeichnet mehr die heilswirksame Gegenwart Christi im christlichen Feiern. Interessantes Detail: In einer altorientalischen, unierten Kirche gibt es ein päpstlich anerkanntes Hochgebet ohne Herrenworte («Einsetzungsworte»).

Die letzte Arbeitseinheit am Dienstag widmete sich dem Thema «Raumgestalt und Glaubensgehalt: Der liturgische Raum nach dem II. Vatikanum ». Wir hörten von verschiedenen Versuchen – bei neuen Kirchenbauten und bei Umgestaltungen von bestehenden Kirchen –, den Feierraum so zu gestalten, dass die neue Sicht von Kirche beim gemeinsamen Feiern erlebbar wird.

Der schon fast obligate «Film zum Thema» am Dienstagabend trug dieses Jahr den Titel: «Habemus papam». Es ist jeweils eine Home-Kino-Zeit, die eindrücklich, nachdenklich, lustig oder alles zusammen sein darf.

Keine ganz neue Liturgie

Das letzte Referat von Prof. Richter am Mittwoch bestand aus verschiedenen Feststellungen und Überlegungen im Blick auf das «Feiern morgen». Hier der eine oder andere Gedanke daraus: Während die Mitfeier am Sonntag weiterhin zahlenmässig abnehmend ist, sind bestimmte Riten (Taufe, Erstkommunion, Beerdigung) nach wie vor beliebt. Tendenziell verhalten sich dabei die Pfarreiangehörigen als «Kunden», die jene «Angebote» schätzen, die sie persönlich oder als Familie in bestimmten Situationen unterstützen. Dieser Dienst an den Menschen wird in Liturgikerkreisen auch etwa als Ritendiakonie bezeichnet.

Unsere Gottesdienste sollten mystagogisch sein, d. h. das Mysterium Christi möglichst «selbstredend » zur Sprache bringen. Das bedarf einer neuen Sorgfalt und Sensibilität beim Feiern. Es brauche aber aktuell keine «ganz neue Liturgie». Wir müssen mit vielfältiger Teilnahme (von ganz regelmässig Mitfeiernden bis ganz selten Teilnehmenden) rechnen. Die Gottesdienste sollen darum «inhaltsstark» sein.

Gesamtkirchlich gesehen wird es in Zukunft (durchaus gemäss Liturgiekonstitution) wohl eine dezentralisierte Pluralität des Feierns geben, sozusagen unterschiedliche «Biotope des Glaubens». Dass die gesamtkirchliche Tendenz zurzeit gegenteilig ist, sei kirchengeschichtlich gesehen 50 Jahre nach einem Konzil nicht ungewöhnlich.

Hingegen leben wir heute in einer Kultur, die in einer so noch nie dagewesenen Krise des Gottesglaubens steckt. Wo aber Gott keine Rolle mehr spielt, da findet auch jede noch so gute Liturgie kein Interesse mehr. Das bedeutet aber auch, dass die Liturgie oftmals «Begegnung» mit Nichtglaubenden oder jedenfalls Suchenden ist. Zu Letzteren gehören wir ja selber auch! Gute Gottesdienste müssen mit dem eigenen Leben zu tun haben: Sie sollen mir eine Jesus-Begegnung ermöglichen, sie sind Feier seiner Gegenwart unter uns – und sie sollen mich bestärken für ein christliches Alltagsleben. Den Schlusspunkt der Tagung bildete die Messfeier mit Weihbischof Denis Theurillat, mit den verschiedenen liturgischen Diensten, mit den Tagungsteilnehmenden und mit den Schwestern.

 

Pius Troxler

Pius Troxler

Pius Troxler, Pfarradministrator in Entlebuch, ist Präsident der Diözesanen Liturgischen Kommission des Bistums Basel