«Wenn der heilige Gallus gewusst hätte …»

In unserer Porträtserie stellen wir Menschen vor, die oft im Hintergrund arbeiten. Zu ihnen gehört Philipp Gerschwiler, Leiter des Sekretariats des Bistums St. Gallen.

Rund um die Kathedrale in St. Gallen geht es geschäftig zu und her. Touristen besichtigen die imposante Kirche oder die aktuelle Ausstellung in der Stiftsbibliothek. Im Innenhof des Klosterbezirkes sind Arbeiter dabei, die Fassade zu renovieren. Hier, im ersten Stock des altehrwürdigen Gebäudes, empfängt mich Philipp Gerschwiler und führt mich in sein Büro im Ordinariatstrakt.

Eine Tür geht auf

Gerschwiler trägt als Leiter des Sekretariats die Hauptverantwortung für den Sekretariatsbetrieb der Kanzlei. Seine berufliche Laufbahn begann er jedoch nicht in der Kirche, sondern bei den SBB. Insgesamt 15 Jahre arbeitete Gerschwiler bei der SBB. Irgendwann wurde ihm klar, dass er nicht sein Leben lang in diesem Bereich arbeiten möchte. In dieser Zeit las er das Inserat, in dem ein Leiter für das Sekretariat gesucht wurde. «Ich hatte das Gefühl, dass diese Stelle genau dem entsprach, was ich gesucht habe. Es war eine Tür, die zur rechten Zeit aufgegangen ist», meint er rückblickend.

Ruhe bewahren in hektischen Zeiten

An seiner Arbeit gefällt ihm besonders, dass jeder Tag anders ist. Zu Beginn der Woche wird jeweils in einer Koordinationssitzung die Woche geplant. Doch es gibt immer wieder ganz kurzfristige Termine und Anfragen, dann gilt es entsprechend zu improvisieren und die Ruhe zu bewahren. Zu seinem Tätigkeitsgebiet gehören auch die Buchhaltung und die Protokollführung im Ordinariatsrat, in dem er beratendes Mitglied ist.
Die wichtigste Aufgabe für Gerschwiler ist die Leitung des bischöflichen Sekretariats. Als direkter Sekretär von Bischof Markus Büchel bespricht er zweimal am Tag die eingegangene Post (Briefpost und E-Mails) mit ihm. «Wir sind etwa drei Stunden pro Tag zusammen und planen das weitere Vorgehen.» In seiner Anstellung ist Diskretion sehr wichtig. «Hier spüre ich das Vertrauen meines direkten Vorgesetzten, Kanzler Claudius Luterbacher, aber auch das des Bischofs selbst», stellt er fest. Gerschwiler fühlt sich sichtlich wohl in diesem Team und in seiner Arbeit.

Ein folgenreicher Stolperer

Ein Highlight der besonderen Art war das Gallusjubiläum im Jahr 2012. Das Bistum machte einen Weg dahin, von Othmar zu Gallus, mit allen Bistumsheiligen und -seligen. So wurden z. B. am Notkertag alle Männer mit Namen Notker eingeladen. Im Gallusjahr wurde auf dem Klosterplatz die Hütte des Gallus nachgebaut. Gerschwiler erinnert sich an den eindrücklichen Kontrast zwischen der kleinen Holzhütte und der riesigen Kathedrale im Hintergrund. «Wenn der heilige Gallus gewusst hätte, was er durch einen einfachen Stolperer initiierte!1 Ja, hier zeigt sich, was man bewirkt, wenn man ein Zeichen richtig deuten kann», schmunzelt Gerschwiler.

Ein weiterer Höhepunkt seiner beruflichen Tätigkeit waren die drei Jahre, in denen Bischof Markus Präsident der Schweizer Bischofskonferenz war. Dies führte zu einer engeren Zusammenarbeit mit dem Generalsekretariat in Freiburg. Gerschwiler ist extra dahingefahren, um die dortigen Mitarbeiter kennenzulernen. «Das war toll. Normalerweise komme ich ja nicht an solche Orte.»

Mit seinem alten Beruf ist er auf ganz besondere Weise verbunden geblieben: Er organisiert die Zugreisen für alle Angestellten des Ordinariats. «Ich bin der Billettschalter für das ganze Haus», erzählt er lächelnd.

In der Kirche verwurzelt

Als er vor gut zehn Jahren das Inserat des Sekretariatsleiters las, reizte ihn neben den vielfältigen Aufgaben auch die Aussicht, in der Kirche zu arbeiten. Er ist im katholischen Glauben beheimatet und fühlt sich wohl in der Kirche. «Unser Gott als liebender Gott, der uns Freunde nennt, nicht Knechte, beeindruckt mich. Diese persönliche Gottesbeziehung erlebe ich als etwas sehr Schönes.»

So vielfältig wie seine berufliche Tätigkeit ist auch seine Freizeit: Er ist Mitglied in elf Vereinen. Ungewohnt für viele ist seine Mitgliedschaft beim Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem2, in dem er weltlicher Zeremoniar ist.

Vor dem Fenster läuft ein Arbeiter über das Gerüst. Gerschwiler erzählt von den aktuellen Renovationen und kommt auf den Stiftsbezirk zu sprechen. Für ihn sei es ein Privileg, an diesem Ort zu arbeiten. «Manchmal denke ich, es wäre toll, eine Zeitreise unternehmen zu können und so den Menschen zu begegnen, die früher in diesen Räumen gelebt haben», schmunzelt er. Man spürt, dass er hier – im Herzen des Bistums – wirklich zu Hause ist.

Rosmarie Schärer

 

1 Gallus ist gestolpert und in einen Dornbusch gefallen. Dies sah er als göttliches Zeichen, sich an diesem Platz niederzulassen.

2 Nähere Angaben unter www.oessh.ch


Philipp Gerschwiler

Philipp Gerschwiler (Jg. 1976) liebt die abwechslungsreiche Arbeit als Sekretariatsleiter. (Bild: rs)

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

Dokumente