Weniger ist mehr – eine Essenz der Fastenzeit

Reflektieren, besinnen und innerlich wachsen. Darin liegt traditionell der Schwerpunkt der Fastenzeit. Die Ökumenische Kampagne1 von Fastenaktion, HEKS und Partner sein lädt uns in den 40 Tagen vor Ostern dazu ein, weniger zu konsumieren, mehr zu teilen, weniger zu hadern, mehr zu hoffen, weniger der Apathie zu verfallen und mehr zu handeln. Denn jeder Beitrag zählt.

Landwirtin Penda Diafouné aus Thiès None, Senegal, in ihrem biologischen Gemüsegarten. (Bild: Selina Stadler)

 

Die Klimaerhitzung macht allen zu schaffen. Bei uns schmelzen die Gletscher, und für die Skiferien fehlt der Schnee. Ungleich härter trifft es die Menschen im globalen Süden: Sie sind in ihrer Existenz gefährdet, und dies, obwohl sie am wenigsten zur Klimaerwärmung beigetragen haben. Die Philippinen zum Beispiel werden als Folge des Klimawandels von Wirbelstürmen und Überschwemmungen heimgesucht. Das erschwert nicht nur Anbau und Ernte, es bedroht die Ernährungssicherheit einer ganzen Region. Im Senegal reichen die Auswirkungen der Klimaerwärmung von der Erosion an den Küsten bis zur Verschuldung vieler Gemeinschaften, die sich die hohen Lebensmittelpreise bei mageren Ernten nicht länger leisten können. Unser diesjähriges Kampagnenplakat zeigt den Gegensatz zwischen dem unbedachten Konsumverhalten auf der einen, und der achtsamen Produktion von Notwendigem auf der anderen Seite.

Weniger Klimaerwärmung – mehr Lebensqualität

Wir werden in der Fastenzeit dazu angehalten, uns zu mässigen. Die einen verzichten auf Fleisch, andere auf Genussmittel, aufs Auto oder die liebste Streamingplattform. Kurzfristig ist das in unserer Gesellschaft relativ einfach machbar. Umso mehr als ein Ende der selbstauferlegten Einschränkungen in Sicht ist – es ist ja bald Ostern. Und jede dieser Massnahmen hat einen positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden: besseren Schlaf, bessere Gesundheit, mehr Zeit mit lieben Menschen – kurz, mehr Lebensqualität. Gleichzeitig leisten wir durch jeden Konsumverzicht einen Beitrag zum Klimaschutz. Massnahmen für die Eindämmung der Klimaerwärmung sind heute dringlicher denn je, nicht nur in der Fastenzeit, sondern das ganze Jahr. Als Hauptverursacher sind wir in der Pflicht, unsere Lebensgewohnheiten so anzupassen, dass wir mit täglicher Achtsamkeit auch die Lebensqualität der armen Bevölkerung im globalen Süden fördern. Denn nur gemeinsam können wir unser Ziel erreichen, die Erderwärmung auf 1.5 Grad Celsius zu begrenzen.

Weniger Konsum – mehr Klimagerechtigkeit

Ob kirchliches oder säkulares Fest, ob Weihnachten, Ostern oder Geburtstag, wir verfallen regelmässig einem unnötigen Kauf- und Konsumrausch. Die Fastenzeit ruft dazu auf, uns darauf zu besinnen, was uns wirklich wichtig ist, nicht nur auf Überflüssiges zu verzichten, sondern auch das zu teilen, was uns am Herzen liegt. Dies fügt sich nahtlos in die Bewegung für ein nachhaltiges Leben ein. So wie die arme Witwe, die in den Augen Jesu das grösste Geschenk macht, weil sie von dem gibt, was sie zum Leben braucht, so können wir alle entscheiden, wie gross unser persönlicher Beitrag zu mehr Klimagerechtigkeit sein soll. Die Praxis des Fastens und der Mässigung kann sich auf einen bewussten Konsum erstrecken, der uns auch nach Ostern weiter prägt und trägt. 

Unsere Lebensgewohnheiten haben einen erheblichen Einfluss auf die Klimaerwärmung. Wollen wir Lebensmittel in Grossmengen zu Aktionspreisen kaufen und später einen Teil wegwerfen, weil er nicht länger frisch ist? Wollen wir unsere Wohnräume so aufheizen, dass wir immer wieder die Fenster aufreissen müssen? Wollen wir uns jeden Morgen ins Auto setzen, um uns im Stossverkehr zu ärgern? Wollen wir uns jedem Modetrend unterwerfen, nur um Neugekauftes schon bald in die Recyclingtonne zu werfen? 

Weniger Food Waste, weniger Energieverbrauch, weniger CO2-Ausstoss, weniger Überkonsum – all das bedeutet mehr Klimagerechtigkeit. Und damit mehr Möglichkeiten für die Menschen im globalen Süden, ein Leben in Würde zu führen. 

Weniger Fussabdruck – mehr Handabdruck

Jeder individuelle Beitrag zum Schutz den Klimas zählt. Gemeinsam können wir jedoch weit mehr erreichen als jeder für sich allein. Der Begriff des ökologischen Fussabdrucks ist mittlerweile weit verbreitet, viele haben ihren eigenen schon online errechnet. Das Resultat ist fast immer ernüchternd: Wir verbrauchen im Durchschnitt die Ressourcen von drei Erden. Das Prinzip des Fussabdrucks basiert weitgehend auf Verzicht, doch bessere Optionen sind oft kompliziert, teuer oder schlicht nicht verfügbar. Das macht es für viele unattraktiv, den eigenen Fussabdruck zu verringern. 

Im Gegensatz zum Fussabdruck zielt der gemeinsame Handabdruck darauf ab, kooperativ zu handeln, nachhaltiges Verhalten für sich und andere leichter zugänglich zu machen, lösungsorientiertes, solidarisches Nachdenken zu fördern. Durch kollektive Aktivitäten können wir Bedingungen schaffen, die mehr Klimagerechtigkeit für uns, für die Menschen im globalen Süden und für zukünftige Generationen ermöglichen. Während uns die Fastenzeit dazu anhält, weniger zu konsumieren, lädt uns das Prinzip des Handabdrucks dazu ein, mehr zu tun. 

Schauen wir uns im Quartier, in der Gemeinde oder in der Pfarrei um, finden wir durchaus Ansätze und Angebote zum Klimaschutz. Eine Aufräumaktion im Wald, ein Kleidertausch-Samstag, ein Reste-Kochkurs im Wirtshaus auf dem Dorfplatz – wo können wir uns einbringen, wie können wir bereits Vorhandenes fördern oder gar ausbauen? Wie können wir unsere Mitmenschen zum aktiven Mitmachen und Nachdenken motivieren? Hat eine Schulklasse eine zündende Idee? Ist eine Nachbarin bereit, Räumlichkeiten für einen regelmässigen Recycling-Treff anzubieten? Was wollen oder können wir langfristig realisieren, was passt zu unserer Gemeinschaft, welche Ressourcen stehen zur Verfügung? Möglicherweise sind kleinere Veränderungen nachhaltiger als grosse Vorhaben, die schon bald im Sand verlaufen. 

Nach dem Schmieden gemeinsamer Pläne und dem erfolgreichen Realisieren von Projekten, dürfen wir darauf zurückschauen, welche langfristigen Verbesserungen wir dank unserem vergrösserten Handabdruck erlangt haben. Und die erreichten Ziele feiern. So können wir noch mehr Menschen dazu bewegen, sich am gemeinsamen Handabdruck zu beteiligen. Denn mehr Handabdruck bedeutet automatisch weniger Fussabdruck.

Weniger zögern – mehr handeln

Wir alle sind von der Klimaerwärmung betroffen, und die Klimaerwärmung macht uns alle betroffen. Betroffenheit jedoch kann auch lähmen, und damit wird nichts erreicht. Durch achtsames Verhalten, durch nachhaltige Veränderungen und durch gemeinsames, aktives Handeln können wir das 1.5 Grad-Ziel erreichen. Wenn wir die dringenden Herausforderungen des Klimawandels als Chance verstehen, uns individuell und kollektiv einzubringen, können wir mehr Klimagerechtigkeit für alle Menschen schaffen – und das nicht nur zur Fastenzeit. Denn jeder Beitrag zählt!

Fanny Bucheli
 

 

1 Mehr über die Ökumenische Kampagne 2024 und wie Sie diese unterstützen können: www.sehen-und-handeln.ch

 


Fanny Bucheli

Fanny Bucheli betreut bei Fastenaktion die Kommunikation der Ökumenischen Kampagne. Als freie Journalistin hat sie in Asien gelebt und zu Wirtschaft, Gesellschaft, Touristik und Frauenthemen geschrieben.