Wege in der Gemeindebildung

Illustration Front: Handgefertigtes, farbenfrohes Holzkreuz zum Aufhängen aus El Salvador. (Bild: fair-handel-shop.de)

 

Neue Wege in der Gemeindebildung sind unspektakulär, machen wenig Schlagzeilen und passieren über Nacht. Wie kommt es dazu und was braucht es, dass sich Gemeinschaften (neu) bilden? Im 27. Kapitel der Apostelgeschichte wird der Schiffbruch des Paulus auf Malta in eindrücklichen Bildern geschildert. Das gute Ende vorweggenommen: Alle Passagiere überleben die stürmische und entbehrungsreiche Überfahrt. Das Schiff aber zerbricht in Einzelteile, nachdem es auf eine Sandbank aufgelaufen ist. Mit den losgelösten Planken retten auch die sich an den sicheren Strand, die nicht schwimmen können. Für viele ist dieses dramatische Bild des aufgelaufenen Schiffes ein Bild für den Zustand der katholischen Kirche (zumindest im deutschsprachigen Raum): Sie steckt mit dem Bug in einer Sandbank fest, unverrückbar und unbeweglich, und die Wellen zerschlagen das Heck erbarmungslos. Eine Erfahrung, die viele machen.

Das zerbrochene Schiff und die verlorene Ladung mögen ein schmerzlicher und teurer Verlust sein, aber es geht um die Menschen. Sie stehen im Zentrum, mit ihnen geht es weiter. Auf sie haben wir den Blick zu richten. Neue Gemeinden und Gemeinschaften, wie immer sie sich auch nennen oder bezeichnet werden, stellen die Menschen ins Zentrum; sie haben den Vorrang vor Strukturen und Funktionen. Die äussere Form ist zunächst nicht von Bedeutung. Menschen wollen Wertschätzung erfahren und dazugehören. Es gibt in vielen eine grosse Sehnsucht, den Glauben in Gemeinschaft zu leben, ausserhalb und neben den aktuellen Strukturen und Formen von Kirche. Zentral wird sein, dass diese Gemeinschaften eine sinnvolle «Aufgabe» für die Gesellschaft, für die Menschen in ihrem Umfeld haben. Es wird sie nicht um ihrer selbst willen geben. Sie definieren sich von ihrer «Mission» her, die ihnen Gestalt und Sinn verleiht. Ihr Fundament ist das Wort Gottes. Um dieses Mensch gewordene Wort versammeln sie sich. Christus ist ihre Mitte, auf die sie sich beziehen und von der her sie leben.

Wie das zukünftige «Gefährt» Kirche aussehen wird, lässt sich nur erahnen. Die Leitung wird viel partizipativer sein, als wir das heute erleben. Partizipation steckt trotz hoch gesteckter Ziele der gegenwärtigen Synode noch in den Kinderschuhen. Hier dürfen wir uns durchaus überraschen lassen, welche Leitungsformen sich herauskristallisieren und tragfähig werden. Auch werden die Gemeinden in ihrer Sozialform vielfältiger sein, als wir das bisher erlebt haben. Dazu kommt eine Gleichzeitigkeit von «traditionellen» Formen des Gemeindelebens und unkonventionellen Modellen. Und zum guten Schluss dürfen wir auf die Kraft des Heiliges Geistes vertrauen, die bekanntlich dort wirkt, wo sie will. Wenn wir das wirklich ernst nehmen, dann dürfen wir zuversichtlich in die Zukunft blicken und noch mit so manchen Überraschungen rechnen, denn es kann ja auch ganz anders kommen, als wir uns das in unseren Träumen vorstellen.

Siegfried Ostermann*

 

* Siegfried Ostermann (Jg. 1970) ist Theologe und arbeitet bei Missio Schweiz in den Bereichen Kommunikation, Weltkirche und Aktion Sternsingen.