Was macht kirchliche Medienarbeit zukunftsfähig?

Die Kirche sind wir alle! Wir alle, die Getauften, sind die Kirche, die Kirche Jesu. Alle, die Jesus, dem Herrn, nachfolgen und die in seinem Namen den Geringsten und den Leidenden nahe sind und die versuchen, etwas Erleichterung, Trost und Frieden zu spenden. Alle, die das tun, was der Herr uns geboten hat, sind die Kirche."

Werte Getaufte, nichts ist hier von den Konfessionen gesagt, nichts von Papst und Bischöfen. Neben der Bedeutung der Taufe wird das Fraktionendenken, ja werden sogar die Priesterweihe oder die Bischofsweihe fast zu einer Nebensache. Wenn wir die Bedeutung der Taufe ernstnehmen, dann ist klar: Die Kirche sind wir alle! Die eingangs zitierten Worte sind von Papst Franziskus, aus der Ansprache bei der Generalaudienz vom 29. Oktober 2014. Soll kirchliche Medienarbeit zukunftsfähig sein, muss sie in dieser Berufung gründen: Die Kirche sind wir alle! Wir alle, die Jesus nachfolgen und in seinem Namen den Geringsten und den Leidenden nahe sind und die versuchen, etwas Erleichterung, Trost und Frieden zu spenden. Mit anderen Worten: Kirchliche Medienarbeit ist zukunftsfähig, wenn sie in der Nachfolge Jesu Christi steht. Das wird einigen nun wohl doch zu fromm tönen. Warum? Weil wir ein Bild dieser Nachfolge verinnerlicht haben, das mit der Nachfolge Christi nicht mehr viel zu tun hat.

Was könnte Nachfolge Christi für Menschen heissen, die in der kirchlichen Medienarbeit engagiert sind? Ich möchte das kurz in drei Blicken auf Jesus Christus darlegen.

Jesus Christus ist bei den Menschen und begegnet ihnen nicht von oben herab

Die Sehnsucht der Menschen nach Jesus Christus war gross. Davon hören wir in der Heiligen Schrift immer wieder. Und heute? Sehnen sich die Menschen nach Jesus Christus? Und nach einer Kirche, die diesen Jesus Christus verkündigt? Darauf antworte ich aus eigener Erfahrung: Ja, klar! Dass die Kirche interessiert, sehe ich zum Beispiel jeden Tag im Medienspiegel auf kath.ch. Die Infos zu den vielen Artikeln sind selten direkt von kirchlichen Quellen eingespeist. Gerade dieser Umstand verdeutlicht zudem das Interesse der Menschen, aber auch das Potenzial für Kommunikation und Medienarbeit der Kirche.

Für kirchliche Medienarbeit ist dies ein Aufruf, mit offenen Augen und aufgeschreckten Ohren durchs Leben zu gehen; wie Jesus Christus selbst den Menschen nicht von oben herab begegnen, sondern mit den Menschen auf dem Weg sein. Der wirklich glaubende Mensch sitzt nicht hoch oben auf einem Berg in einer Festung, die von allen Seiten angegriffen wird und von der aus er in Überheblichkeit die anderen verurteilt. Denken wir an den barmherzigen Samariter, der den Menschen von der Strasse aufhebt und für ihn sorgt – im Gegensatz zum jüdischen Priester und zum Leviten (vgl. Lk 10,30–37). Oder denken wir an die Szene der Fusswaschung beim letzten Abendmahl (vgl. Joh 13,1–20).

Diese Haltung Jesu, die zur Glaubenssubstanz gehört, kommt in der Medienarbeit heute in besonderer Weise in den Social Media zum Ausdruck: mit den Menschen auf dem Weg sein, nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhen, mit ihnen im Dialog.

Jesus Christus hat eine Autorität, die aufrichtet und wachsen lässt

Gott überrascht. Dort, wo im Glauben und in der Kirche alles klar ist, dort haben wir es nicht mit dem lebendigen Gott zu tun. Wir sind nur dann wirklich auf Gott Hörende und Glaubende, wenn wir uns immer wieder überraschen lassen. Das gilt auch für die kirchliche Medienarbeit.

Wer Jesus Christus begegnet, wird überrascht. Dabei werden Menschen nicht fertiggemacht, sondern aufgerichtet. Ihnen wird eine neue Weite geschenkt – wenn sie dafür bereit sind. Das gilt auch heute: Wer im Glauben voranschreitet, dem weitet sich das Herz (hl. Benedikt). Die Weite des Herzens in all seinen Dimensionen, das meint auch der Begriff "katholisch". Es ist eine besondere Herausforderung für kirchliche Medienleute, "katholisch" wieder wirklich katholisch ertönen zu lassen.

Wer im Glauben voranschreitet, dem weitet sich das Herz – das ist nicht etwa Gleichgültigkeit, wie das eingebildete Festungsbewohner leicht vermuten, sondern Sein und Handeln aus lebendiger Beziehung mit Gott, der da ist, selbst in den tiefsten Niederungen der Menschen. Das ist nicht Anpassung an den Zeitgeist, sondern Nachfolge Christi. Davon legt kirchliche Medienarbeit Zeugnis ab, wenn sie einen weiten Blick hat, der nicht festnagelt, sondern aufrichtet und wachsen lässt.

Jesus Christus bringt das Falsche ans Licht und lobt das Gute

Die bereits erwähnte Erzählung vom barmherzigen Samariter ist ein grossartiges Beispiel für kirchliche Medienarbeit. Sie hat nicht die Aufgabe, die Kirche ins gute Licht zu stellen. Ihre Aufgabe ist es, Kirche zu sein und die Kirche ins richtige Licht zu stellen. Dazu gehört auch, das Falsche anzusprechen und ans Licht zu bringen. Selbstverständlich nicht, um dabei stehenzubleiben, sondern im Gegenteil: um nicht dabei stehenzubleiben. Die kritische Haltung Jesu gegenüber den religiösen Führern seiner Zeit darf auch die kirchlichen Medienleute auszeichnen. Das Beispiel vom Pharisäer und vom Zöllner, das Jesus denen erzählte, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, spricht da Bände (vgl. Lk 18,9–14).

 

Genauso wie Jesus wollen wir aber auch das Gute loben. Das scheinen wir manchmal zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Vor kurzer Zeit wurde ich gebeten, einen Artikel zum Weihnachtsfest zu schreiben. Das habe ich getan, mit dem Titel: "Das Weihnachtswunder von Illgau". Der Redaktor des Pfarrblatts war nicht ganz zufrieden. Er schrieb mir: "Wenn Sie das Beispiel von Illgau nehmen, ist das schon gut, noch besser allenfalls anonymisieren, dass nicht der Neid der Urner und der andern Schwyzer aufkommt." Die Reaktion des Redaktors hat mich überrascht, aber sie ist verständlich. Er hat ein Problem wahrgenommen, das tatsächlich vieles in der Kirche schwächt und bremst: Alles soll so weit anonymisiert werden, damit kein Neid aufkommt oder niemand sich betroffen fühlt. Unter dieser Schwäche litt Jesus Christus nicht. Er nannte die Dinge beim Namen. Auch kirchliche Medienarbeit darf nicht der Angst erliegen, die Dinge beim Namen zu nennen.

Liebe Getaufte, was macht kirchliche Medienarbeit zukunftsfähig? Die Entdeckung unserer Berufung und das Leben dieser Berufung als Verantwortliche in der Medienarbeit! "Die Kirche sind wir alle! Wir alle, die Getauften, sind die Kirche, die Kirche Jesu. Alle, die Jesus, dem Herrn, nachfolgen und die in seinem Namen den Geringsten und den Leidenden nahe sind und die versuchen, etwas Erleichterung, Trost und Frieden zu spenden. Alle, die das tun, was der Herr uns geboten hat, sind die Kirche." So wird wahr, was das Zweite Vatikanische Konzil über die Kirche in der Welt von heute sagt: "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi" (Gaudium et spes, 1). Kirche ist mehr – Gott sei Dank! Das darf kirchliche Medienarbeit bezeugen – drinnen und draussen.

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Das hier abgedruckte Referat hielt P. Martin Werlen OSB anlässlich der Informationstagung "Weil wir gemeinsam mehr bewirken " zur Neuausrichtung der Medienarbeit in der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz, die am 10. Dezember 2014 in Bern durchgeführt wurde. P. Martin Werlen war als Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz für den Bereich der Medienarbeit zuständig. Weitere Redebeiträge und Informationen über die erwähnte Veranstaltung finden Sie [datei12988].

 

 

Martin Werlen

Martin Werlen

P. Martin Werlen OSB ist nach seinem Rücktritt als 58. Abt des Klosters Einsiedeln als Novizenmeister tätig.