Warum Kirchenmanagement wichtig ist

1. Das Rezept, um einen Gegensatz zwischen Kirche und Management zu konstruieren, ist einfach. Man nehme die Klischeevorstellungen vom nur auf Profit ausgerichteten Manager, für den der Zweck jedes Mittel heiligt, für den Mitarbeiter nicht Menschen, sondern Produktionsressourcen sind, der den Kunden Produkte verkauft, die sie nicht brauchen und für den Umweltschutzgesetze dazu da sind, umgangen zu werden. Diesem kalten, berechnenden, zynischen, macht- und geldgierigen Manager stelle man ein verklärtes Bild der Kirche gegenüber: Sie hört auf das Wort Gottes, lässt sich alles schenken, lebt allein von der Gnade und gestaltet sämtliche Beziehungen auf der Basis von Glaube, Hoffnung und Liebe. Das Planen überlässt sie Gott und seinem Heiligen Geist, und ihre einzige Norm ist das Evangelium von Jesus Christus. Geld braucht sie nur, um damit den Armen und Notleidenden zu helfen. Macht hat allein Gott, alle Amtsträger sind bescheidene und gehorsame Diener der Kirche.

2. Aber auch für die Begründung, warum die Kirche dringend auf Management angewiesen ist, gibt es ein einfaches Rezept. Man nehme die Klischeevorstellung von Kirchenleuten als weltfremde, mit den Realitäten der heutigen Welt unvertraute, lebensuntüchtige Menschen, die meinen, das Geld falle vom Himmel, und die keine Ahnung davon haben, wie man etwas organisiert, wie man Ziele definiert und dann auch erreicht, wie man ein gutes Angebot auch an den Mann bzw. an die Frau bringt. Diesen verschreibt man messbare Ziele, klar definierte Meilensteine in Projekten, Checklisten und Formulare für Mitarbeitergespräche und natürlich eine Finanzplanung und eine professionelle Personalbewirtschaftung. Schliesslich leben wir nicht mehr im Mittelalter – die Kirche kann und muss von der Wirtschaft etwas lernen und sich in einer Gesellschaft behaupten, in der das Geld die Welt regiert.

3. Beide Rezepte funktionieren nach demselben Prinzip: Man produziere ein negatives, von gängigen Klischees und Vorurteilen geprägtes Bild vom Vis-à-vis und konstruiere dann einen Gegensatz. Fair ist das nicht – und hilfreich auch nicht.

4. Das weitherum anerkannte St.-Galler-Management- Modell (auf das auch Pius Bischofberger sich beruft) versteht Management ganz anders. In der Einführung zur soeben erschienenen 4. Generation definiert es Management "als arbeitsteiligen, kollektiven Prozess, als eine vielfältige, verteilte Gestaltungspraxis, deren Wirksamkeit auf komplexen Voraussetzungen beruht und die immer auf gewachsene Organisationen und ihre Umwelten bezogen ist (…). Dabei fokussiert diese Einwirkung auf die Schaffung förderlicher Voraussetzungen, damit in einer Organisation jene Entscheidungen getroffen und jene Ressourcen mobilisiert werden können, die für eine erfolgreiche Wertschöpfung und Weiterentwicklung wichtig sind (…). Management ist durch Ungewissheit und Unsicherheit gekennzeichnet; dabei sind Ungewissheit und Unsicherheit Voraussetzungen für Gestaltungsmöglichkeiten. Aus unternehmerischer Perspektive sind sie zentrale Ressourcen für die Management-Praxis, die es erlauben, Organisation und Umwelt nicht nur so zu sehen, wie sie sind, sondern immer auch mit Blick darauf, wie sie sein könnten."1

5. Auch ein realistisches Kirchenbild (wie es Pius Bischofberger voraussetzt) sieht Kirche nicht einfältig als weltfremde, den heutigen Anforderungen nicht gewachsene Institution. Sie ist ein komplexes Gebilde, im Guten wie im Bösen von Menschen, Realitäten und Strukturen geprägt, die "unvermischt und ungetrennt" eine Einheit mit der göttlichen Dimension der Kirche bilden. Sie hat zu Macht und Geld keineswegs nur ein distanziertes und unschuldiges Verhältnis. Sie kennt deren Chancen, aber auch deren Risiken nicht nur aus der Bibel und aus der Umwelt, sondern auch aus der ureigensten Erfahrung des Gebrauchs, aber auch des Missbrauchs, der getreuen Verwaltung wie der Verschwendung und Veruntreuung. Und sie hat neben Management-Versagen auch Management-Erfahrung und auch Management- Erfolge vorzuweisen, angefangen bei Jesus und Paulus über kluge, für Manager auch heute noch inspirierende Ordensregeln sowie überlegt handelnde Frauen und Männer im Laufe der Kirchengeschichte bis zu gut aufgestellten Gemeinden und kirchlichen Gemeinschaften, Schulen und Hilfswerken usw.

6. Trotz dieser 2000-jährigen kirchlichen Management- Geschichte mit Höhepunkten, aber auch schrecklichen Tiefpunkten des Versagens und des Missbrauchs hat das Thema Kirchenmanagement in den letzten Jahrzehnten an Aktualität gewonnen. Zwischenzeitlich ist auch der anfänglich argwöhnisch und misstrauisch betrachtete Begriff des Kirchenmanagements weitherum akzeptiert. Das hat gute Gründe:

  • Was Kirche ist und wie Kirche handelt, ist heute weniger denn je klar und selbstverständlich. Sie hat viel mehr Möglichkeiten, als sie realisieren kann, muss also auswählen und entscheiden. Das erhöht den Management-Bedarf im Sinne der Entwicklung von Strategien.
  • Die in der Kirche professionell aktiven Frauen und Männer haben heute mehr denn je un- terschiedliche Kompetenzen und sehen sich unterschiedlichsten Anforderungen ausgesetzt. Sie sind nicht mehr "universell" einsetzbar. Das erhöht den Management-Bedarf im Sinne von Personalplanung und Personalentwicklung.
  • Die Kirche steht heute mehr denn je unter dem Zustimmungsvorbehalt ihrer Mitglieder und der Gesellschaft. Es ist nicht mehr die Institution, die über Kirchengebote und soziale Kontrolle definiert, was es heisst und was für Folgen es hat, der Kirche anzugehören
  • es sind die Mitglieder, die das für sich definieren und entscheiden, und sie entscheiden sehr unterschiedlich. Das erhöht den Management-Bedarf im Sinn der bewussten Gestaltung der Austauschbeziehungen zu den Mitgliedern und mit dem Umfeld, was nichts anderes ist als modern verstandenes Marketing.
  • Die Kirche realisiert heute mehr denn je, dass die finanziellen und materiellen Grundlagen für ihr Wirken knappe und kostbare Güter sind, die es erfordern, aber auch verdienen, dass man sorgfältig, überlegt und schonend mit ihnen umgeht. Das erhöht den Management-Bedarf im Sinne eines achtsamen Ressourcen-Managements.

 

7. All diese Anforderungen, die ich aus den "Zeichen der Zeit" ablese, lassen sich mühelos aus dem Evangelium herleiten. Es gilt, – den Weg des Volkes Gottes durch die Zeit bewusst zu gehen (Strategie),

  • die unterschiedlichen Gaben des heiligen Geistes zum Aufbau der Kirche als Leib-Christi zu nutzen (Personal-Management),
  • den Menschen das Evangelium so anzubieten, dass sie es aufnehmen und sich in aller Freiheit dafür entscheiden können (Evangelisierung) und
  • die anvertrauten Menschen und Güter als Ausdruck der schöpferischen Weltliebe Gottes zu behandeln (Weltverantwortung).

8. Und all diese Anforderungen sind auch Argumente dafür, sich mit Fragen des Kirchenmanagements auseinanderzusetzen, zum Beispiel in Form der Lektüre des vorzustellenden Buches.

Dr. theol. Daniel Kosch hielt das hier abgedruckte Kurzreferat anlässlich der Vernissage des Buches von Pius Bischofberger, das nachfolgend von Iso Baumer angezeigt wird, am 29. Oktober 2014 in Luzern.

 

 

1 Johannes Rüegg-Stürm / Simon Grand: Das St. Galler Management-Modell. 4. Generation – Einführung. Bern 2014, 27.

Daniel Kosch

Daniel Kosch

Dr. theol. Daniel Kosch (1958) ist seit 2001 Generalsekretär der Römisch- Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz. Zuvor leitete er während rund 10 Jahren die Bibelpastorale Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Kirchenfinanzierung, Kirchenmanagement und Staatskirchenrecht.