Unter seinem Schutz auf dem See unterwegs

Der heilige Nikolaus von Myra war bei den Schiffsleuten auf dem Vierwaldstättersee sehr beliebt. Bilder und Statuen des Heiligen in Kapellen und Kirchen am See sowie Bruderschaften legen Zeugnis davon ab.

Das St.-Nikolai-Kapellchen steht von Land her schwer zugänglich am Ufer des Vierwaldstättersees zwischen Schillerstein und Treib. (Bild: mh)

 

Ruhig gleitet unser Boot über den Urnersee. Ruderschlag um Ruderschlag entfernen wir uns von Flüelen. Vor uns ragt majestätisch der Bristen. Wir sind zu viert im Ruderboot unterwegs nach Luzern. Kurz nach Bauen kommen wir auf der anderen Uferseite an und rudern dem Ufer entlang nach Treib: eindrücklich ragen die Felsen aus dem Wasser, vorbei am Rütli und Schillerstein. Da entdecke ich ein leuchtend weisses Bildstöckli mit dem Nikolaus von Myra. Was macht der heilige Nikolaus von Myra an dieser Stelle?

Schutzpatron der Schiffsleute

Das Buch «Sankt Nikolaus. Verehrung und gelebtes Brauchtum»1 von Hans-Peter Rust gibt mir Auskunft. Der heilige Nikolaus von Myra ist Patron der Schiffer. Nach einer Legende soll er von Schiffbruch bedrohte Seeleute gerettet haben. So wurde er in Ost und West zum Schutzpatron der Schiffsleute. Nach Rust sei dieses Patronat eines der wichtigsten, «die der Heilige im Abendland inne hatte.»2 Der heilige Nikolaus als Patron der Schiffsleute ist neben den üblichen Attributen zusätzlich entweder mit einem Anker oder einem Steuerrad abgebildet. Er wurde von Seeleuten, Schiffern, Flössern, Fischern und auf dem Seeweg reisenden Kaufleuten hoch verehrt. In Hafenstädten sowie den Fluss- und Seerouten entlang findet man Kirchen und Kapellen, die dem heiligen Nikolaus geweiht sind – so auch am Vierwaldstättersee. Der heilige Nikolaus ist Patron der Alten Kirche Flüelen und der Pfarrkirche Hergiswil. In vielen weiteren Kirchen und Kapellen am Ufer des Vierwaldstättersees ist er zu entdecken, beispielsweise in der Pfarrkirche Gersau, in der Dorfkapelle Brunnen, in der Pfarrkirche Küssnacht am Rigi, in der Kapelle «Maria zum Ridli» in Beckenried, in der Dreikönigskapelle Winkel in der Horwer Bucht usw. Darüber hinaus gibt es kleine, in Ufernähe liegende St.-Nikolai-Kapellchen wie zum Beispiel jenes auf dem kleinen Felsen in Altstad bei Meggen und jenes, das ich zwischen Treib und Schillerstein gesehen habe. Sie liegen eine frühere Schiffstagesreise voneinander entfernt.

Nach wenigen Metern erreichen wir Treib. Hier machen wir einen ersten Zwischenhalt. Im Haus zur Treib – einem der ältesten Gasthäuser der Schweiz – gibt es ein Bild, das sowohl den heiligen Nikolaus von Myra als auch den heiligen Niklaus von Flüe zeigt. Es ist auch der Ort, an dem sich die Obrigkeiten der fünf Orte der alten Eidgenossenschaft 72-mal zur Tagsatzung trafen. Ferner war Treib «bereits im Mittelalter ein Schutzhafen»3, wo die Schiffsleute warten konnten, bis sich der Föhn im Urnerland legte. Treib war darüber hinaus neutrales Territorium, auf dem sich Verfolgte drei Tage aufhalten durften, ohne gefangen genommen zu werden.

Beliebter Namensgeber

Nach Treib setzen wir über nach Gersau. Wie an weiteren Orten am Vierwaldstättersee errichteten auch die Gersauer eine Bruderschaft, die den heiligen Nikolaus zu ihrem Patron erhob. Bis 1865 führten die Gersauer sämtliche Güter auf dem Seeweg von und nach Gersau. «Bedingt durch diese Situation befanden sich viele Dorfbewohner während mehreren Monaten im Jahr auf dem Wasser. Sie besuchten mit ihren Waren den Markt in Luzern, verrichteten Botengänge und bereicherten den Fremdenverkehr mit Schiffs- und Nauenfahrten.»4 Im Jahr 1826 wurden Gersauer zweimal aus Seenot gerettet. Daraufhin berieten einige Handels- und Schiffsleute, wie sie sich auch in Zukunft dem Schutz des heiligen Nikolaus auf dem See würdig machen könnten. Sie gründeten einen frommen Verein, der 1829 in eine kirchliche Bruderschaft überführt wurde. 1835 schenkte die Bruderschaft der Pfarrkirche eine Bruderschaftsampel in Form eines Meerschiffes. Es gab St. Nikolaus-Bruderschaften der Seeleute auch in Altdorf, Flüelen, Brunnen, Küssnacht, Buochs, Stansstad, Luzern, Meggen und Weggis, die teils heute noch existieren.

Von Gersau rudern wir weiter nach Rotschuo, dann durch die enge Passage. Ein Dampfschiff kommt uns von Vitznau her entgegen. Die Wellen des Schiffes rütteln und schütteln uns einmal kräftig durch. Mit einem grossen Becher befördern wir das gefasste Wasser aus dem Boot. Weiter geht es an der Nordseite des Bürgenstocks entlang. Wir freuen uns auf einen Halt in der Gaststätte Obermatt und werden enttäuscht. Sie hat um diese Jahreszeit schon geschlossen. Wir essen unseren Notproviant aus dem Seesack. Gestärkt machen wir uns auf für den letzten Wegabschnitt über den meist welligen Kreuztrichter dem Luzerner Seebecken entgegen. Wie ich dem Buch von Hans-Peter Rust entnehme, gab dem Ortsteil St. Niklausen auf der Horwer Halbinsel eine längst «abgetragene Kapelle und eine Statue» seinen Namen.5 Sie stand auf einem Felsvorsprung. Auch die älteste Schiffsgesellschaft der Schweiz trägt den Namen des Schutzpatrons der Seeleute. Es ist die St. Niklausen Schiffgesellschaft Luzern.

Wohlbehalten und müde erreichen wir  nach vier Stunden den Steg beim Ruderhaus in Luzern. Ich ahne, welchen Strapazen und Gefahren die Schiffer früher auf dem See ausgesetzt waren und deshalb den heiligen Nikolaus von Myra um seinen Schutz und seine Hilfe baten. Er wird jetzt zu meinem Patron für meine Ruderausfahrten.

Maria Hässig

 


1 Rust, Hans-Peter, Sankt Nikolaus. Verehrung und gelebtes Brauchtum, Luzern/Kriens 2019.

2 Ebd., 68.

3 Ebd., 70.

4 Ebd., 71.

5 Ebd., 71.

Buchempfehlung: Sankt Nikolaus – Verehrung und gelebtes Brauchtum. Von Hans-Peter Rust. Luzern 2019. ISBN 978-3-7252-1046-6, CHF 29.80. www.rex-buch.ch

In loser Folge stellen in dieser Serie die Redaktions- sowie die Redaktionskommissionsmitglider der SKZ ihre Lieblingsheiligen vor.