Theologiestudierende in der Schweiz

Ein Studium in Theologie, verbunden mit dem Wunsch, später im kirchlichen Dienst zu arbeiten, scheint seit längerer Zeit nicht mehr im Trend zu sein. Wer sich dennoch für ein Theologiestudium interessiert, hat in der Schweiz die Möglichkeit, an vier Institutionen katholische Theologie zu studieren. Die beiden Theologischen Fakultäten der Universitäten Luzern und Freiburg i. Ü. sind Teil staatlicher Universitäten, während die Theologische Hochschule in Chur und die Theologische Fakultät in Lugano kirchliche Einrichtungen sind. Die Theologische Schule des Klosters Einsiedeln musste aufgrund der zu geringen Studierendenzahlen ihre Ausbildung im Sommer 2013 sistieren. Das Studium der evangelisch-reformierten Theologie ist in der Schweiz an sechs Universitäten möglich: In Zürich, Basel, Bern, Lausanne, Genf und Neuenburg. Sie alle sind Teil der staatlichen universitären Einrichtungen. An der Universität Bern kann zusätzlich auch christkatholische Theologie studiert werden.

In den folgenden Ausführungen werden Veränderungen und grundlegende Fakten über Theologiestudierende an Schweizer Universitäten, Studienangebote der Theologischen Fakultäten sowie Theologiestudierende der Schweizer Bistümer dargelegt, welche das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut in St. Gallen (SPI) in seiner aktuellen Kirchenstatistik 1 veröffentlicht hat.

Abnahme der Theologiestudierenden und Ausdifferenzierung der Studienprogramme

Die Zahl der katholischen Theologiestudierenden in Erstausbildung mit einem Abschluss in Lizentiat, Bachelor oder Master hat seit Anfang der 1990er- Jahre von nahezu 600 auf heute knapp 400 Personen abgenommen – und dies, obwohl die Studierendenzahl aller Studienrichtungen an den staatlichen Universitäten in der gleichen Zeitspanne um rund 60 Prozent gestiegen ist. Hingegen hat sich die Zahl der Doktoranden an den Theologischen Fakultäten in den letzten 20 Jahren von knapp 100 auf nahezu 240 mehr als verdoppelt.

[bild48502w300r]Am meisten Theologiestudierende, die einen Lizentiats-, Bachelor- oder Masterabschluss anstreben, finden sich in Freiburg i. Ü. Sie machen gesamtschweizerisch 40 Prozent aus. Mit 62 Prozent hat Freiburg überdurchschnittlich viele Doktoranden in Theologie. An der Universität Luzern sind 26 Prozent aller Theologiestudierenden der Schweiz eingeschrieben. Luzern weist zudem den höchsten Frauenanteil auf: Die Hälfte der Studierenden sind Frauen, sowohl bei der Erstausbildung als auch bei den Doktoranden. Allerdings machen nur 16 Prozent aller Theologiestudierenden in Luzern ein Doktorat. An der Theologischen Fakultät in Lugano studieren 24 Prozent aller Theologiestudierenden der Schweiz, und in Lugano machen 21 Prozent ein Doktorat. Auffallend ist, dass die kirchliche Einrichtung in Lugano annähernd gleich viele Theologiestudenten aufweist wie die staatliche Universität in Luzern. An der Hochschule in Chur studieren aktuell 9 Prozent aller Theologiestudierenden der Schweiz. Die abnehmende Anzahl von Theologiestudierenden in der Schweiz dürfte dazu geführt haben, dass einzelne theologische Fakultäten in den letzten Jahren ihr Studienangebot stark erweitert und ausdifferenziert haben. So wurden etwa an einigen theologischen Fakultäten fächerübergreifende Masterprogramme angeboten, die sich nicht nur an Theologiestudierende richten. Am Beispiel der Theologischen Fakultät in Luzern ist dies gut ersichtlich: Durch diese zusätzlichen Studienprogramme, wie etwa das Religionspädagogische Institut (RPI), den Master in Religionslehre oder den Master of Arts in Religion/Wirtschaft/Politik, kam es dazu, dass die Studierendenzahl in Luzern in den letzten Jahren wieder gestiegen ist. Dies ist vor allem auf das RPI zurückzuführen. Nicht alle Studienprogramme an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern konnten aber erhalten werden: Der Dritte Bildungsweg (DBW), der als berufsorientierter nichtakademischer Studiengang Personen ohne Maturitätsausweis den Zugang zum Theologiestudium und zum kirchlichen Dienst ermöglicht, fand in den letzten Jahren immer weniger Studierende und wird in Zukunft nicht mehr angeboten.

An der Universität Freiburg i. Ü. hat die Anzal der Theologiestudierenden seit den 1990er-Jahren stark abgenommen. Diese Abnahme konnte allerdings durch eine starke Zunahme von Doktoranden aufgefangen werden, die bereits fast die Hälfte aller Theologiestudierenden in Freiburg ausmachen. Mit gut 60 Prozent weist die Theologische Fakultät in Freiburg auch den höchsten Anteil an ausländischen Studierenden auf. In Luzern hingegen machen ausländische Studierende nur einen Viertel aus. Nicht nur die Theologiestudierenden, sondern auch die theologischen Studienabschlüsse an den Universitäten Luzern und Freiburg haben in den letzten 30 Jahren abgenommen. An beiden Universitäten haben in den 1990er-Jahren noch 75 Studierende ihren Abschluss gemacht; in den letzten Jahren ist die Zahl auf die Hälfte geschrumpft. Zugenommen in Freiburg haben hingegen die Doktoratsabschlüsse. In Chur wurden in den letzten Jahren etwa fünf Ausbildungen pro Jahr abgeschlossen. Für Lugano liegen keine Angaben vor.

Protestantische Theologie

Auch die protestantischen Fakultäten haben mit sinkenden Studentenzahlen zu kämpfen: Die Langzeitentwicklung zeigt auf, dass die Zahl der Studierenden in protestantischer Theologie in den 1980er- Jahren noch stark zunahm, dann aber in den 1990er- Jahren wieder um die Hälfte einbrach. Momentan befinden sich etwa 470 Studierende in einer theologischen Erstausbildung, und ihre Zahl konnte sich in den letzten zehn Jahren stabil halten. Zugenommen hat, wie an den katholischen Fakultäten, die Zahl der Promovierenden: Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich ihre Zahl mehr als verdoppelt. Zugenommen hat auch der Frauenanteil: In den letzten 30 Jahren stieg dieser von 30 Prozent auf heute rund 50 Prozent.

Theologiestudierende der Schweizer Bistümer – die meisten Priesteramtskandidaten im Bistum Lugano

Nicht alle Theologiestudierenden absolvieren ihr Studium in Verbindung mit einem Schweizer Bistum. Es gibt auch Studierende, die nicht die Absicht haben, einen kirchlichen Beruf zu ergreifen. Im Folgenden wird auf die Theologiestudierenden der Schweizer Bistümer und auf die Priesteramtskandidaten näher eingegangen. Die Zahl der Bistumsstudierenden der Diözesen Basel, Chur und St. Gallen ging in den letzten Jahren stark zurück. Relativ stabil blieb die Zahl der Bistumsstudierenden hingegen in den Bistümern Sitten und Lugano. Auffallend ist, dass das kleine Bistum Lugano unterdessen mehr Studierende hat als das deutlich grössere Bistum Chur. Und diese Studierenden sind allesamt Priesteramtskandidaten. Für das Bistum Lugano studieren somit mehr zukünftige Priester als in allen anderen Diözesen der Schweiz zusammen. In den anderen Schweizer Bistümern ging die Zahl der Priesteramtskandidaten stark zurück. Studierten im Studienjahr 2001/2002 noch 73 Priesteramtskandidaten für die Diözesen Basel, Chur, St. Gallen, Sitten und Lausanne-Genf-Freiburg (LGF), so waren es im Studienjahr 2012/2013 noch deren 23. Die Zahl der Laientheologen sank in den vier Bistümern Basel, Chur, St. Gallen und Sitten2 während der gleichen Zeitspanne von 55 auf 41 und jene der Laientheologinnen von 73 auf 44.

Noch bis Mitte der 1960er-Jahre stieg schweizweit die Zahl der Priesteramtskandidaten an. Im Laufe der 1970er-Jahre aber brach die Zahl auf die Hälfte ein. In den letzten 20 Jahre kam es nochmals zu einer starken Abnahme: Im Jahr 1990 gab es gesamtschweizerisch rund 180 Priesteramtskandidaten, heute sind es noch knapp 80. Beim Vergleich der Zahl der Priesterkandidaten wird ein Unterschied zwischen dem Bistum Lugano und den anderen Schweizer Bistümern deutlich. So gehört dem Bistum Lugano rund die Hälfte der Schweizer Priesteramtskandidaten an. Mit schweizweit 56 Priesterweihen hat sich die Zahl der Neupriester in den letzten fünf Jahren noch einmal verringert. Damit kann die Zahl der verstorbenen Priester bei weitem nicht mehr kompensiert werden: Im Durchschnitt starben zwischen den Jahren 2000 und 2012 dreimal mehr Priester, als Priesteramtskandidaten zum Priester geweiht wurden.

[bild48503w300r]Neben den Veränderungen der Studierendenzahlen, dem Studienangebot der katholischen Fakultäten und der starken Abnahme der Priesteramtskandidaten hat sich auch die Verteilung der Bistumsstudierenden auf die verschiedenen Studienorte gewandelt. In der Zeitspanne zwischen 2001/2002 und 2012/2013 hat sich der Anteil der Studierenden der Diözesen Basel, Chur, St. Gallen und Sitten an der Theologischen Fakultät in Freiburg von beinahe 40 Prozent auf gerade noch 15 Prozent verringert. Die Theologische Hochschule in Chur hingegen konnte ihren Anteil von 6 Prozent auf 35 Prozent steigern. Und auch die Theologische Fakultät in Luzern konnte trotz einer rückläufigen Studierendenzahl ihren Anteil von 36 Prozent auf 46 Prozent anheben. Wenn man die Schweizer Bistümer einzeln betrachtet, so zeigt sich, dass ungefähr 70 Prozent der Studierenden der Diözese Basel ihr Studium in Luzern absolvieren. An der Theologischen Hochschule Chur studieren 80 Prozent der Bistumsstudierenden des Bistums Chur. Die Bistumsstudierenden des Bistums St. Gallen, das keine eigene Fakultät besitzt, verteilen sich auf die Ausbildungsorte in Chur und Luzern. In Freiburg studieren beinahe alle Studierenden des Bistums Sitten, und auch die angehenden Priester des Bistums Lausanne-Genf-Freiburg absolvieren ihre Ausbildung an der Theologischen Fakultät in Freiburg. Die Mehrheit der zukünftigen Laienmitarbeitenden des Bistums LGF absolviert kein universitäres Theologiestudium, sondern macht am «Institut romand de Formation aux Ministères» (IFM) eine Ausbildung zum «Animateur pastoral» oder zur «Animatrice pastorale». Alle Studenten des Bistums Lugano studieren an der Theologischen Fakultät in Lugano.

Pastoraljahr

[bild48504w300r]Nach Abschluss des Theologiestudiums absolvieren angehende Priester, Laientheologen und Laientheologinnen Laientheologinnen ein bis zwei Einführungsjahre in der Seelsorge. Dieses Pastoraljahr, auch Berufseinführung genannt, endet bei angehenden Priestern normalerweise mit der Weihe zum Priester und mit der Verleihung der Institutio (Indienstnahme) an die Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen. Die Zahl der Personen, die eine Berufseinführung absolvierten, nahm von 51 im Jahr 2001/2002 auf 37 Personen im Jahr 2012/2013 ab. Im Zeitraum dieser zwölf Jahre be besuchten in den Diözesen Basel, Chur, St. Gallen und Sitten insgesamt 392 Personen die Berufseinführung.

Fazit

Immer weniger Studierende studieren Theologie, und immer weniger sind Bistumsstudierende und angehende Priester. Die starke Zunahme von Doktoranden und der steigende Frauenanteil zeigen auf, dass sich nicht nur die Studienrichtungen ausdifferenziert haben, sondern auch die Berufsmöglichkeiten von Theologiestudierenden. Festzuhalten gilt aber: Der Priestermangel wird sich weiterhin verschärfen, und die Frage bleibt offen, inwiefern der Anteil der Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen, der in den letzten zwölf Jahren nur noch leicht zunahm, das fehlende Personal in der Seelsorge noch zu kompensieren vermag. Die Bedeutung des theologischen Grundstudiums als Ausbildung für die Seelsorge nimmt ab, während die Forschung im Bereich der Theologie zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die aktuellen Zahlen der Theologiestudierenden und Promovierenden spiegeln diese Entwicklung wider.

 

 

Judith Albisser (Bild: spi-stgallen.ch)

Judith Albisser

Judith Albisser ist wissenschaftliche Assistentin am Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut in St. Gallen