Tessiner Kunst in der ewigen Stadt

Die Stadt Rom versammelt Kunstwerke aus der Antike bis heute. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert prägten auch vier Baumeister aus dem Tessin das Bild der Stadt.

Domenico Fontana: Salone Sistino in den Vatikanischen Museen, Rom. (Bild: Wikimedia)

 

Domenico Fontana wurde 1543 in Melide geboren. Als 20-Jähriger kam der junge Stuckateur nach Rom. Sixtus V. (1585–1590) ernannte ihn zum Architekten des Papstes. In den kommenden fünf Jahren erschuf Fontana u. a. die Cappella Sistina in S. Maria Maggiore, SS. Salvatore della Scala Santa, den Salone Sistino in den Vatikanischen Museen sowie die Vorhalle und Benediktionsloggia der Laterankirche. Zusammen mit seinem Bruder Giovanni baute er das Aquädukt Acqua Felice. Er war u. a. am Bau der Kuppel des Petersdoms und des Fontana del Mosè beteiligt. Papst Sixtus V. ordnete an, den Obelisken, der im Circus auf dem Vatikanischen Hügel stand, auf den Petersplatz zu verschieben. Fontana gewann den Wettbewerb, an dem sich rund 500 Architekten und Ingenieure beteiligten, und schaffte 1586 diese Meisterleistung. Danach errichtete er die Obelisken auf der Piazza S. Maria Maggiore, der Piazza S. Giovanni in Laterano und auf der Piazza S. Maria del Popolo. Die Obelisken sollten den Pilgern bei der Orientierung in Rom helfen. Ein weiteres städtebauliches Glanzstück stellt die von ihm angelegte Strassenkreuzung der Via Quirinale und der Via delle Quattro Fontane dar. Ihre Mitte liegt auf den Sichtachsen zu den Obelisken auf dem Quirinalsplatz, an der Spanischen Treppe, auf der Piazza S. Maria Maggiore und zum Stadttor Porta Pia. Nach dem Tod von Papst Sixtus V. arbeitete er für dessen Nachfolger Clemens VIII., bis er 1592 wegen Verdachts auf Veruntreuung entlassen wurde. Er stand danach im Dienst des Königs von Neapel. Bei Kanalarbeiten entdeckte Fontana mehrere Inschriften, Münzen und Marmortafeln. Damals interessierte sich niemand für seine Funde; 150 Jahr später stellte sich heraus, dass er Pompeji entdeckt hatte. Domenico Fontana starb 1607 in Neapel.

Carlo Maderno kam 1555/56 in Capolago auf die Welt. Um 1576 zog er nach Rom zu seinen Onkeln Domenico und Giovanni Fontana und übernahm nach dem Wegzug von Domenico nach Neapel dessen Bauunternehmen. Baugeschichtlich wertvoll ist Madernos erstes selbständiges Werk: Die Fassade der S. Susanna. Hier erscheint zum ersten Mal der als «Crescendo» bezeichnete Effekt einer Steigerung der Plastizität, die ein Licht- und Schattenspiel erzeugt. Die Fassade gilt als vorbildlich für den römischen Frühbarock. Madernos bedeutendstes Werk aber ist die Vollendung des Petersdoms. Nachdem entschieden wurde, das Langhaus von Alt St. Peter abzureissen, erbaute er die Fassade. Er änderte den Bauplan Michelangelos, der einen Zentralbau vorsah, indem er wieder ein Langhaus einfügte.

Maderno war u. a. am Palazzo Barberini, Palazzo Borghese und am Quirinalspalast beteiligt sowie an Sant’Andrea della Valle und San Giovanni dei Fiorentini. In dieser Basilika liegen sowohl er wie auch sein Grossneffe Franceso Borromini begraben. Für Santa Maria della Pace schuf Maderno den Hochaltar. Daneben ist er z. B. verantwortlich für den rechten Brunnen auf dem Petersplatz und den Brunnen, der heute auf dem Platz vor der Kirche Sant’Andrea della Valle steht. Maderno war zudem ein ausgewiesener Wasserbauingenieur und wurde deshalb 1610 zum Architekten des Tibers ernannt. Er starb am 30. Januar 1629 in Rom.

Francesco Borromini kam 1599 als Francesco Castelli in Bissone zur Welt. Er erlernte den Beruf des Architekten von seinem Vater. Die Lehre als Steinmetz absolvierte er später bei seinem Grossonkel Carlo Maderno und war dabei bereits am Neubau des Petersdoms beteiligt. Nach dem Tod Madernos 1629 arbeite er zunächst unter Gian Lorenzo Bernini, seinem späteren Rivalen. 1634 erhielt Borromini seinen ersten unabhängigen Auftrag: den Bau des Klosters S. Carlino alle Quattro Fontane. Das Kloster gilt als eines der ungewöhnlichsten Werke der römischen Barockarchitektur. Borromini erlangte die Gunst von Papst Innozenz X. (1644–1655) und gewann so eine Vorrangstellung gegenüber seinem Rivalen Bernini. In dieser Zeit übertrug ihm der Papst u. a. den Umbau der Lateranbasilika. Unter Papst Alexander VII. (1655–1667) wendete sich das Blatt. Nun wurde Bernini wieder mit Aufträgen überschüttet, während Borromini nur noch selten mit Aufträgen betraut wurde. Er verfiel 1667 in Depressionen und beging Selbstmord. Zu seinen wichtigen Werken zählen u. a. das Oratorium der Philippiner, San Carlo alle Quattro Fontane, Sant’Ivo alla Sapienza sowie Sant’Agnese in Agone. Typisch für Borromini waren seine plastisch geformten und in weiss gehaltenen Innenräumen sowie die konkav geschwungenen Fassaden. Seine Bauten wurden Vorbilder für den süddeutschen Barock.

Carlo Fontana kam 1638 in Novazzano zur Welt. Bereits mit 18 Jahren ging er nach Rom, wo er bald in der Werkstatt von Gian Lorenzo Bernini aufgenommen wurde. Seine Stärke lag in der geschickten Zusammenführung der Stilelemente der berühmten Baumeister seiner Zeit: Bernini, Borromini und Pietra da Cortona. Zu seinen Bauten veröffentlichte er umfassende Begleitmaterialien und Illustrationen. Er erwies sich zudem als guter Didaktiker: Aus seiner Werkstatt gingen viele berühmte Architekten hervor wie z. B. Giovanni Battista Vaccarini (Palazzo Municipale auf Sizilien), James Gibbs (St. Martin-in-the-Fields, London) oder Matthäus Daniel Pöppelmann (Dresdner Zwinger).

Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Kapelle Cibo in S. Maria del Popolo, die Fassade der Kirche S. Marcello al Corso und die Taufkapelle im Petersdom. Er schuf mehrere Grabmäler im Petersdom: für Clemens XI., Innozenz XII. und Christine von Schweden. Daneben führte er zahlreiche Ingenieursarbeiten aus und baute sowohl den linken Brunnen auf dem Petersplatz als auch jenen auf der Piazza di S. Maria in Trastevere. Er starb 1714 in Rom.

Rosmarie Schärer