Teilnahme von Frauen am Weihesakrament?

Im Zuge der Entwicklung, die von dem aufklärerischen Ideal der «Gleichheit» und der Industrialisierung bestimmt worden ist, hat die Frau in der modernen Welt einen immer stärkeren Anteil am öffentlichen Leben genommen. Diesem gesellschaftlichen Wandel hat sich auch die Kirche nicht verschlossen. Ähnlich wie schon Papst Pius XII. betont beispielsweise das Zweite Vatikanische Konzil im Dekret über das Laienapostolat: «Da heute die Frauen eine immer aktivere Funktion im ganzen Leben der Gesellschaft ausüben, ist es von grosser Wichtigkeit, dass sie auch an den verschiedenen Bereichen des Apostolates der Kirche wachsenden Anteil nehmen» (Nr. 9). Damit stellt sich die Frage, ob Frauen nicht auch die zum Weihesakrament gehörenden Ämter des Bischofs, Priesters und Diakons übernehmen könnten. Dazu hat es in der katholischen Kirche, ähnlich in anderen christlichen Konfessionen, eine umfangreiche Diskussion gegeben.

Am 15. Oktober 1976 veröffentlichte die Glaubenskongregation im Auftrag des Papstes eine «Erklärung zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt» (Inter insigniores). In der Einleitung heisst es: «Die Kirche hält sich aus Treue zum Vorbild ihres Herrn nicht dazu berechtigt, die Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Gleichzeitig ist die Kongregation der Meinung, dass es in der gegenwärtigen Situation nützlich ist, diese Haltung der Kirche näher zu erklären, da sie von einigen vielleicht mit Bedauern zur Kenntnis genommen worden ist. Auf längere Sicht jedoch dürfte ihr positiver Wert ersichtlich werden, da sie dazu beitragen könnte, die jeweilige Sendung von Mann und Frau tiefer zu erfassen.» Mit Hinweis auf dieses Dokument, das zum Thema aufmerksam gelesen werden sollte, publizierte Papst Johannes Paul II. am Pfingstfest 1994 sein Apostolisches Schreiben «über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe» (Ordinatio sacerdotalis). Darin heisst es: «Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.»1

Ausgangspunkt: Gott als Schöpfer

Um die Haltung der Kirche zu verstehen, ist zunächst auszugehen von Gott dem Schöpfer. Wenn wir an einen persönlichen Gott glauben, der die Welt geschaffen hat, dann ist die geschlechtliche Prägung als Mann oder Frau kein blinder Zufall der Evolution, der durch die Technologie beliebig verändert werden dürfte, sondern etwas Gutes und bleibend Wertvolles. Die ersten Seiten der Heiligen Schrift betonen in der Tat: «Als Mann und Frau schuf er sie» (Gen 1,27). «Und siehe, es war sehr gut» (Gen 1,31). Nach der biblischen Lehre sind Mann und Frau auch in ihrer besonderen Eigenart Schöpfung Gottes und nach seinem Ebenbild geschaffen (Gen 1,26 f.), gleichwertig, aber nicht gleichartig. Der «Katechismus der Katholischen Kirche» bemerkt darum: Mann und Frau sind «einerseits als Personen einander gleich», während sie «andererseits in ihrem Mann- und Frausein einander ergänzen» (KKK 372). Die gegenseitige Ergänzung spiegelt sich wider in unterschiedlichen Aufgaben innerhalb der Kirche, die schon der Hl. Paulus mit einem Leib vergleicht, der aus verschiedenen Gliedern besteht (1 Kor 12,12–31).

Das Verhalten Jesu

Die entscheidende Grundlage für die Lehre der Kirche bezüglich des Weihesakramentes ist das Verhalten Jesu. In seinen Worten über die Ehescheidung betont Jesus, dass er den ursprünglichen Plan Gottes bei der Erschaffung von Mann und Frau aufs Neue zur Geltung bringen will (Mk 10,2–12). Er korrigiert das Gesetz von Mose, wonach der Mann seine Frau fortschicken konnte, wenn er etwas «Anstössiges» an ihr fand (Dtn 24,1). Dazu zählte nach manchen rabbinischen Auslegungen bereits, wenn die Gattin die Suppe hatte anbrennen lassen oder der Mann eine schönere Frau fand. Wenn Jesus die Ehe auf den ursprünglichen Willen Gottes zurückführt, dann kommt dies vor allem der Frau zugute. Jesus verhält sich gegenüber den Frauen auch anders, als das nach zeitgenössischen Zeugnissen bei anderen Rabbinen üblich war. Während beispielsweise für jüdische Männer Gespräche mit Frauen auf das Allernotwendigste zu beschränken waren, führt Jesus Gespräche mit Frauen, sogar mit der im Ehebruch lebenden Samariterin, was unter seinen Zeitgenossen Befremden erregt (vgl. Joh 4,27). Jesus nimmt die Frauen als menschliche Personen ernst und stellt sie in ihrer Berufung zur Gotteskindschaft den Männern gleich.

Vor diesem Hintergrund erscheint Jesu Verhalten bei der Berufung der zwölf Apostel, die den Ursprung des Weihepriestertums bildet, umso bemerkenswerter. Aus der grösseren Schar der Nachfolgenden hat Christus die berufen, «die er wollte» (Mk 3,13). «Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt» (Joh 15,16). Maria, deren Heiligkeit alle übertrifft, gehörte nicht dazu, wohl aber ein Judas und ein Petrus, der im Gegensatz zu den Jüngerinnen unter dem Kreuz fehlte. Nicht eine besondere Würdigkeit, sondern ausschliesslich der Wille Jesu bestimmt den Ruf. Normalerweise nahmen auch Frauen am Paschamahl teil. Aber obwohl die angesehensten Frauen aus Jesu Umgebung und seine Allernächsten sich damals in Jerusalem aufhielten, hat Jesus aus diesem grösseren Kreis nur die zwölf Apostel zum Letzten Abendmahl bestellt. Ihnen vertraute Jesus das Geheimnis der Eucharistie an: «Tut dies zu meinem Gedächtnis!» (Lk 22,19) und bestellte sie mit diesem Auftrag zu Priestern. Dies ist umso bemerkenswerter, als Jesus bei allen anderen Mahlzeiten keine solche Einschränkung vornahm.

Bedeutsam ist auch das Verhalten Jesu nach seiner Auferstehung. Entgegen der zeitgenössischen Praxis, die keine Frauen als Zeugen anerkannte, erhielten gerade sie den Auftrag, die Botschaft von der Auferstehung an die Jünger weiterzugeben (Mt 28,9 f; Joh 20,11–18). Dazu gehörte Maria Magdalena, deren Gedenktag, 22. Juli, zum liturgischen Fest erhöht wurde, um die Bedeutung der Frau in der Kirche hervorzuheben.2 Gleichwohl haben die Frauen als «Apostel der Apostel» nicht selbst das Amt des Apostolates erhalten, das die öffentliche Stellvertretung Christi in der Verkündigung beinhaltet. Der Apostel ist der «Gesandte» Jesu, angefangen beim Lehren in seinem Auftrag. Die bleibende Sendung der Apostel für die Kirche geht weiter im Amt der Bischöfe, welche die Fülle des Weihesakramentes empfangen. Priester und Diakone nehmen auf ihre Weise daran teil. Man behauptet heute oft, Jesu Auswahl der Apostel sei bloss «zeitbedingt». Nur deshalb habe er keine Apostelin berufen, weil sie von der jüdischen Gesellschaft nicht angenommen worden wäre. Dieser Einwand verkennt jedoch, dass Jesus gerade in seiner Haltung gegenüber den Frauen sehr bewusst die damals übliche Verhaltensweise sprengt. Bezüglich der Empfänger des Weihesakramentes ist die Kirche auf das Beispiel Jesu ähnlich verwiesen wie bei den Gaben der Eucharistie: so ist es z. B. nicht möglich, Brot und Wein bei den Eskimos durch Schnaps und Fisch zu ersetzen.

«Gebot des Herrn» beim Hl. Paulus

Bei den meisten evangelischen Gemeinschaften zumindest in Europa werden Frauen zum Pastorenamt berufen. Das ist nicht das Gleiche wie das Weihesakrament in der katholischen Kirche, welches nach der Lehre dem Kandidaten ein unauslöschliches Prägemal verleiht und ihm Anteil gibt am Dienste Christi als Haupt der Kirche. Auch evangelische Christen sehen freilich Probleme bezüglich der Frauenordination. In diesem Jahr ging die Nachricht durch die Massenmedien, dass die Lutherische Kirche in Lettland die bereits vor Jahren eingeführte Frauenordination wieder abgeschafft hat. Andere Gruppen sind vorausgegangen, und auf Weltebene sind die protestantischen Gemeinschaften, die keine Pastorinnen kennen, vielleicht zahlreicher als ihre «liberalen» europäischen Glaubensgenossen. Diese Haltung gründet vor allem auf einem Ausspruch des Hl. Paulus, wonach die Frau in der Kirche zu schweigen habe (1 Kor 14,33b–38). Diese Stelle ist freilich in ihrem genauen Sinn und Zusammenhang zu würdigen, um keine Missverständnisse hervorzurufen. Paulus spricht nur über den Gemeindegottesdienst, in dem vor allem die «Lehrer» (1 Kor 12,28) die Aussagen der Propheten zu beurteilen hatten. Den Frauen wurde untersagt, durch Fragen an einem solchen Lehrgespräch teilzunehmen, wodurch sie leicht selbst in die Rolle des Lehrers geraten konnten. Ihnen wird – so sagt es eine Parallelstelle (1 Tim 2,12) – das «Lehren», «moderner» ausgedrückt die Predigt in der Eucharistiefeier, verboten. Es ist bemerkenswert, dass sich Paulus bei der Begründung des Lehrverbots – ähnlich wie beim Thema der Ehescheidung (1 Kor 7,10 f.25) – auf ein «Gebot des Herrn» beruft. Biblische Studien haben diesen Punkt neu herausgestellt und eine Wende bei manchen evangelischen Gruppen gefördert. Auch der katholische Neutestamentliche Klaus Berger betont in seinem neuen Kommentar, der in einem evangelischen Verlag erschienen ist: «Für die Regelung in 1 Kor 14 beruft sich Paulus unmissverständlich auf ein Herrenwort (14,37).»2

Der in Basel lehrende evangelische Theologe Sven Grosse, dessen neuestes Werk Thema eines ökumenischen Studientages war, schreibt aus einer klassisch lutherischen Position heraus: «Die Frauenordination steht nicht auf dem Boden reformatorischer Theologie, sondern gehört zum Projekt eines diesseitigen ‹Neuen Menschen›, das mit der Säkularisation einhergeht. Sie bringt der Frau nicht in Rechte, die ihr zustehen, sondern verzerrt die Berufung der Frau, wie sie aufgrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung besteht.»3 Konservative evangelische Gruppen sind mitunter in der Gefahr, einem Biblizismus zu verfallen, der die Entwicklung der Kirchengeschichte in ihrer Bedeutung nicht hinreichend wahrnimmt. Bei Paulus ist der Hinweis auf das «Gebot des Herrn» verbunden mit dem Bezug auf die zeitgenössische Sitte, wonach nicht «schicklich» sei für eine Frau, vor der Gemeinde zu reden (1 Kor 14,35). Die zeitgenössische Sitte ist kulturell unterschiedlich. Was für Saudi- Arabien gelten mag, gilt nicht für die Schweiz. Die katholische Kirche, im Unterschied zu manchen «evangelikalen» Gruppen, weiss um den Unterschied zwischen dem bleibenden Glaubensgut und dessen variabler geschichtlicher Ausprägung. Das gilt etwa für das Tragen des Schleiers, den Paulus für die Frau im Gottesdienst vorsieht (1 Kor 11), sich dafür aber nicht auf ein Gebot des Herrn beruft, so dass katholische Frauen in unserer Kultur kein Problem haben müssen, ohne Kopfbedeckung das Gotteshaus zu betreten. Wir haben auch kein Problem damit, wenn Pastoralassistentinnen Gottesdienste leiten, solange sie den Rahmen respektieren, den das Kirchenrecht vorsieht. Evangelikale Gruppen würden sich damit schwertun.

Zurück zur Urkirche: Paulus verbot nicht das «Reden» als solches, das er zuvor bei den Prophetinnen voraussetzt (1 Kor 11,5). Ebenso wenig hat er damit gemeint, dass Frauen in der Gemeinde bloss eine passive Rolle zu spielen hätten. Zahlreiche Stellen im Neuen Testament bezeugen das Gegenteil: Paulus begrüsste in seinen Briefen zahlreiche Mitarbeiterinnen, die sich für die Ausbreitung des Evangeliums engagieren. Es entstand die neue Lebensform der gottgeweihten Jungfräulichkeit im Dienste der Kirche (1 Kor 7,25–40). Paulus passte sich ausserdem nicht einfach der damaligen Umwelt an. Gerade in Korinth wirkten viele Priesterinnen, besonders in den Mysterienreligionen, wo Frauen am Altar den Opferdienst vollzogen und Männer religiös unterrichteten. Ebenso gab es in bestimmten Regionen des römischen Reiches eine fortgeschrittene Emanzipation der Frau: So finden wir Betriebschefinnen, Reederinnen, Ärztinnen und selbst Philosophinnen, die ähnlich wie Paulus ihre Lehrvorträge hielten. Das «Gebot des Herrn» zeigt sich von der Sache her in dem um 96 n. Chr. von Papst Klemens verfassten Brief der römischen Gemeinde an die Korinther, wo ohne Grund einige Priester von ihrem Amt entfernt worden waren. Klemens erinnert an das, was wir heute «apostolische Nachfolge» nennen, die Einsetzung der Apostel durch Christus, der selbst vom Vater gesandt wurde. Die Apostel setzten dann Bischöfe und Diakone ein. Sie «gaben dabei Anweisung, es sollten, wenn sie stürben, andere erprobte Männer (!) deren Dienst übernehmen» (1 Clem 44,2).

Ein Blick auf die Kirchengeschichte

Dass in der antiken Kultur ein Frauenpriestertum gesellschaftlich möglich gewesen wäre, zeigen die Beispiele der gnostischen Sekten im 2. Jh., bei denen die Aufgaben zwischen Klerikern und Laien verwischt wurden, und der Montanisten, die sich gegen die Überlieferung der Kirche auf den Heiligen Geist beriefen, um Frauen zu Bischöfen und Priestern zu weihen. Dagegen weisen die Kirchenväter auf das Beispiel Jesu, der auch Frauen als Jüngerinnen hatte, aber nur Männer zu Aposteln berief, auf das «Lehrverbot» des Hl. Paulus und auf das Vorbild der Gottesmutter, die höher steht als die Apostel, aber in der Kirche eine andere Aufgabe hat als die sakramental geweihten Amtsträger.

In der frühen Kirche finden wir Frauen im Dienst der Kirche als Diakonissen. Deren Aufgabe und Weihe werden klar abgegrenzt vom männlichen Diakon und von der Weihehierarchie, die im Bischofsamt gipfelt. Ihre Hauptaufgabe hatten sie im Orient bei der Salbung weiblicher Taufbewerberinnen, die aus Schicklichkeitsgründen nicht vom Bischof oder Priester vorgenommen werden konnte, der die Taufe vornahm und die Salbung des ganzen Körpers begann. Als die Erwachsenentaufe nur noch selten vorkam, kam auch das Amt der Diakonissen ausser Gebrauch. Wichtige Aufgaben in der Kirche wurden freilich stets vor allem von den Gott geweihten Jungfrauen wahrgenommen, z. T. auch von dem kirchlichen Stand der Witwen.4 Aus der Geschichte sei exemplarisch ein Dekret von Papst Innozenz III. im Jahre 1210 genannt. Es gab Äbtissinnen, deren Befugnisse in manchen Bereichen weitergingen als die der heutigen Schweizer Bischöfe. Die Päpste haben deren Vollmachten sogar gegen aufsässige Kleriker verteidigt. Einschreiten musste der Papst dann aufgrund bestimmter Missbräuche in Spanien: «Offenbar segnen die Äbtissinnen (…) die eigenen Nonnen, (…) hören (…) ihre Beichte und nehmen sich dazu noch heraus, wenn sie das Evangelium lesen, es auch öffentlich zu verkünden.» Zum Verbot dieser Praxis bezieht sich der Papst auf den Willen Jesu: «Mag auch die Jungfrau Maria höher stehen (…) als alle Apostel zusammen, so hat der Herr doch nicht ihr, sondern diesen die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut.»

Kirche an Beispiel Jesu gebunden

Durch den Bezug auf die Heilige Schrift und die Überlieferung des Glaubens ist es klar, dass die Kirche an das Beispiel Jesu gebunden ist. Papst Johannes Paul II. hat betont, dass die Kirche keine Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden und diese Entscheidung «endgültig» ist. Eine wichtige Aufgabe bleibt die intellektuelle und lebenspraktische Vermittlung der kirchlichen Praxis. Das Schreiben der Glaubenskongregation von 1976 schliesst mit einem Hinweis auf die grossen Vorbilder in der Kirche: «Die Grössten im Himmelreich sind nicht die Amtsträger, sondern die Heiligen» (Inter insigniores 6). In der Tat sehen wir gerade in den heiligen Frauen einen gewaltigen Reichtum an Gnadengaben, ohne welche die Kirche nicht leben könnte. Das beginnt bereits mit der oft verkannten Aufgabe der Mutter in der Familie, findet einen Glanzpunkt in dem Beitrag der Ordensfrauen, die das christliche Leben selbst in fernen Kontinenten zur Blüte geführt haben, und zeigt sich in den mannigfachen Diensten einer jeden Pfarrei. Aktuelle Beispiele sind die Hl. Gianna Beretta Molla, 2004 heiliggesprochene Ärztin und Mutter von drei Kindern aus dem Bistum Mailand, oder die Hl. Maria Bernarda Bütler, die 2008 heiliggesprochene Ordensfrau aus dem Aargau.

Die Kirche ist «weiblich»

Papst Franziskus hebt hervor, die Kirche sei «weiblich» und Maria wichtiger als alle Päpste. Auffällig ist, dass die Kirche in der Heiligen Schrift symbolhaft mit weiblichen Zügen dargestellt wird. Bereits die Propheten zeichneten den Bund zwischen Gott und seinem Volk im Bild der Ehe, wobei Gott symbolhaft als «Bräutigam» und das Volk als «Braut» erscheint. Christus selbst sieht sich als «Bräutigam» (Mk 2,20), und Paulus sieht die Liebesgemeinschaft zwischen Christus und der Kirche als Urbild der christlichen Ehe (Eph 5,21–33). Im Schreiben über die Würde der Frau (Mulieris dignitatem, 1988) hat Johannes Paul II. einen Gedanken des Theologen Hans Urs von Balthasar übernommen, der ein «petrinisches» und ein «marianisches» Prinzip unterscheidet. Das «marianische» ist das Umfassende, das alle Glieder der Kirche betrifft: Maria empfängt das Wort Gottes und wirkt mit am Heilswerk der Erlösung. Das Empfangen steht im Vordergrund, ohne die darauffolgende Aktivität zu vernachlässigen. Das «petrinische» Prinzip meint die Stellvertretung Christi als Haupt und «Bräutigam» der Kirche, wie sie sich in den Aposteln und besonders bei Petrus zeigt. Deutlich wird dieses Handeln in der Feier der Eucharistie, wobei der Priester die Worte Jesu selbst in den Mund nehmen darf, um das Geschehen am Kreuz zu vergegenwärtigen: «Das ist mein Leib. Das ist mein Blut». Dies war nicht die Aufgabe Mariens, aber die Gottesmutter stand unter dem Kreuz und empfing von Jesus den Jünger Johannes als geistigen Sohn. In diesem Testament Jesu am Kreuz sieht die Kirche einen entscheidenden Grund für die geistige Mutterschaft Mariens, die sich auf alle Menschen richtet, die zur Kirche berufen sind. Die Betrachtung der Aufgabe Mariens kann auch heute Kräfte wecken, welche die Kirche erneuern.

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Frauen und Weihesakrament

Die Frage des Zugangs von Frauen zum Diakonat ist nicht zuletzt Gegenstand der Aufarbeitung biblischer und historischer Erkenntnisse. Im römisch-katholischen «Kleid» ist das Diakonat sichtbarer Teil des Sakraments der Weihe. Die von Papst Franziskus eingesetzte Kommission wird dies beleuchten müssen. Zumindest erfordert dies das Interesse an der Gleichstellung der Frau in der Kirche, die sich mit dem Canon 208 des CIC als einem gewichtigen Eckpfeiler im Buch 2 über das Volk Gottes begründen lässt: «Unter allen Gläubigen besteht, und zwar aufgrund ihrer Wiedergeburt in Christus, eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit, kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken.»

In dieser Ausgabe werden zwei Sichtweisen auf die Frage nach der Ordination von Frauen publiziert. Manfred Hauke gibt seine «kurze Begründung für die offizielle Position der katholischen Kirche» und fragt, ob «die Teilnahme von Frauen am Weihesakrament theologisch möglich» ist. Quirin Weber sieht die Frauenordination als notwendendes «Zeichen der Zeit». Einen weiten Bogen schlägt die Studie des Interreligiösen Think Thank vom April 2011 über Rabbinerinnen, Kantorinnen, Imaminnen, Muftis, Pfarrerinnen, Bischöfinnen, Kirchenrätinnen und den Leitungsfunktionen von Frauen im Judentum, im Christentum und im Islam. Siehe www.interrelthinktank. ch/archivos/ITT_Studie_2011_web.pdf (ssk)

 

1 Vgl. Nr. 117 der Reihe «Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls». Einsehbar auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz www.dbk.de. Zur theologischen Diskussion siehe u. a. die Arbeit von Manfred Hauke: Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung, Paderborn 41995, kürzer in ders.: Das Weihepriestertum für die Frau – eine Forderung der Zeit? Respondeo Nr. 17, Siegburg 2004, Verlag Franz Schmitt,

2 Klaus Berger: Kommentar zum Neuen Testament, Gütersloh 22012, 618

3 Sven Grosse: Ich glaube an die Eine Kirche, Paderborn 2015, 161

4 Mit dem Thema des weiblichen Diakonats befasst sich derzeit eine von Papst Franziskus einberufene Kommission. Vgl. dazu schon Leo Scheffczyk (Hrsg.), Diakonat und Diakonissen, St. Ottilien 2002, sowie Gerhard Ludwig Müller (Hrsg.), Der Diakonat – Entwicklung und Perspektiven. Studien der Internationalen Theologischen Kommission zum sakramentalen Diakonat, Würzburg 2004.

Manfred Hauke

Manfred Hauke

Prof. Dr. Manfred Hauke ist Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Lugano und widmet sich schwerpunktmässig der Mariologie und Patrologie. www.manfred-hauke.de