«Staatskirchenrechtliche Körperschaften im Dienst an der Kirche»

Referat an der Buchvernissage vom 25. Juni 2014

Dr. Daniel Kosch, Generalsekretär der RKZ, hielt anlässlich der Buchvernissage vom 25. Juni 2014 an der Universität Freiburg i. Ü. ein Referat mit folgendem Titel «Die Abmachungen zwischen Diözesanbischöfen und staatskirchenrechtlichen Körperschaften: Ihre Bedeutung für die Zusammenarbeit im Dienste der Kirche», das wir nachfolgend dokumentieren. Die Untertitel sind von der Redaktion gesetzt:

Eminenzen, Exzellenzen
Sehr geehrte Damen und Herren

Ich danke für die Einladung, als Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz das Wort an Sie zu richten. Dass man mir die Aufgabe übertragen hat, ein paar Gedanken zu rechtlich verbindlichen «Abmachungen» oder «Konventionen» zwischen Diözesanbischöfen und staatskirchenrechtlichen Körperschaften vorzutragen, freut mich besonders. Einerseits, weil die RKZ auf der Basis eines seit über 30 Jahren bestehenden Vertrages in finanziellen Belangen gut mit der Schweizer Bischofskonferenz zusammenarbeitet und folglich bezeugen kann, dass rechtsverbindliche Vereinbarungen wichtig und hilfreich sind. Und anderseits, weil die Forderung und Förderung solcher Vereinbarungen seitens der RKZ schon vor Jahrzehnten in die Diskussion eingebracht wurden, z. B. vom anerkannten Staatskirchenrechtler Urs Josef Cavelti oder von Alois Odermatt. In dieser Frage konvergieren die heute in Buchform veröffentlichten Ergebnisse der «Fachkommission Katholische Kirche und Staat in der Schweiz» mit Erfahrungen und juristischen Überlegungen aus der RKZ. Das ist gewiss eine sehr gute Voraussetzung für weitere Schritte in diesem Gebiet.

Dennoch werden sich manche gefragt haben, weshalb ein Vertreter der RKZ in diesem Rahmen zu Wort kommt. Die einen werden denken, damit werde der RKZ eine Bedeutung zugemessen, die sie nicht hat. Und andere werden denken, diese Mitwirkung an der heutigen Buchvernissage sei mit der teilweise kritischen Haltung der RKZ zum «Vademecum» schwer vereinbar. Aus Sicht der RKZ besteht jedoch kein Widerspruch zwischen verbindlichem Kooperationswillen und kritischen Rückfragen. Im Gegenteil: Wer verbindliche Zusammenarbeit will, muss sich mit seinem Gegenüber ernsthaft auseinandersetzen. Er muss nicht nur zulassen, sondern geradezu ein Interesse daran haben, dass das Gegenüber sich mit ihm auseinandersetzt.

Damit bin ich bereits mitten im Thema der «Stärkung der Zusammenarbeit und Klärung der Zuständigkeiten», wofür das Vademecum und der wissenschaftliche Bericht der Fachkommission den Abschluss von «Konventionen» empfehlen. Mit gutem Grund befasst sich der entsprechende Beitrag von Professor Libero Gerosa und Rudolf Würmli nicht nur mit den Inhalten solcher Vereinbarungen, sondern stellt zunächst mögliche kirchenrechtliche und staatsrechtliche «Modelle für die Regelung der Zusammenarbeit» vor. Bevor man eine Zusammenarbeit inhaltlich regeln kann, muss man sich im Klaren sein, welcher Art denn die Beziehung zwischen den Partnern ist, um deren Zusammenarbeit es geht.

Ein biblischer Zugang

Als Bibeltheologe, der weder Kirchenrechtler noch Jurist ist, möchte ich mich dieser Grundsatzfrage mit Hilfe zweier «Gleichnisse» nähern. Im ersten geht es um eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, die gemeinsam für einen Haushalt zuständig sind. Der Vertrag, der ihre Zusammenarbeit regelt, wird sich fundamental unterscheiden, je nachdem, ob der Frau die Rolle der Partnerin oder die Rolle einer Haushalthilfe zukommt. Kommt der Frau die Rolle der Haushalthilfe zu, so ist es der Hausherr, der die Erwartungen formuliert und der die Verantwortung für das Leben im Haus trägt. Sie hat ihre Pflichten wahrzunehmen und die erteilten Aufträge auszuführen. Kommt der Frau jedoch die Rolle der Partnerin zu, geht es um eine andere Beziehung. Selbst wenn sie nach patriarchalem Muster funktioniert, ist die Frau nicht Auftragnehmerin im Haushalt des Mannes, sondern Teil des gemeinsamen Hausstandes. Der «Partnerschaftsvertrag» bleibt wichtig, aber er ist nicht das Fundament der Zusammenarbeit – sondern diese gründet auf dem Willen, miteinander das Leben mit all seinen Aussen-und Innenbeziehungen zu gestalten. Es geht nicht bloss um die Leistungen, welche die «Haushalthilfe» oder «Hausfrau» erbringt, sondern es geht um sie als Person mit all dem, was sie ausmacht.

Zu den biblischen Gleichnissen gehört, dass es Sache der Hörerinnen und Hörer ist, daraus die Schlüsse zu ziehen. So will auch ich es halten. Aber eine Vermutung möchte ich äussern: Die Enttäuschung vieler staatskirchenrechtlicher Gremien nach dem Bekanntwerden des «Vademecums» könnte damit zusammenhängen, dass sie bei seiner Lektüre den Eindruck gewannen, nicht als «Partner» der kanonischen Instanzen angesprochen zu sein, sondern
eher als «Haushalthilfen».

Im zweiten Gleichnis geht es um Folgendes: Wer ein Haus baut, ist auf Partner angewiesen, mit denen er ebenfalls «Abmachungen» über die Zusammenarbeit treffen muss. Einer dieser Partner ist der Lieferant der Baumaterialien. Mit ihm wird die benötigte Menge an Backsteinen, Zement und Ziegeln vereinbart, zudem der Zeitpunkt der Lieferung, die Qualität und der Preis. Im Vordergrund steht, dass man bekommt, was man braucht. Anders verhält es sich mit dem Architekten. Zwar ist es der Bauherr, der entscheidet und die Prioritäten setzt: Braucht es vor allem eine schöne grosse Küche oder helle Kinderzimmer mit grossen Fenstern? Soll das Haus vor allem ein Wohnhaus sein oder auch über eine Werkstatt verfügen? Aber ein kluger Bauherr wird dem Architekten nicht im Befehlston Aufträge erteilen, sondern er wird das Gespräch suchen. Denn der Architekt verfügt über Erfahrungen und Kompetenzen, die der Hausherr nicht hat. Er kennt sich aus mit der Statik und den Bauvorschriften, weiss um die Wirkung von Proportionen oder Materialien. Und er kann dem Bauherrn helfen, die finanziellen Mittel zielgerichtet einzusetzen und das Vorgehen richtig zu planen. Selbstverständlich bleibt der Architekt «zudienend» und «unterstützend». Aber trotzdem ist er Gesprächs-und Kooperationspartner und nicht einfach Zulieferer.

Auch dieser Vergleich «hinkt», denn die staatskirchenrechtlichen Behörden sind nicht «externe Architekturbüros» oder «Baufirmen», die nach erledigter Arbeit das nächste Vorhaben in Angriff nehmen. Aber noch viel weniger sind sie blosse «Materiallieferanten». Sie bringen ganz viel anderes mit: Lebenserfahrung, Professionalität im Umgang mit Geld, Kenntnisse im Bereich von Personalführung und auch ihre Visionen von einer Kirche, in der man wirklich daheim ist und für die man sich mit Begeisterung einsetzt.

Dieses «Mehr», das die Mitglieder von staatskirchenrechtlichen Behörden in ihre Tätigkeit einbringen, ist der Grund dafür, dass sie sich nicht richtig verstanden und ernst genommen fühlen, wenn es im heute vorzustellenden Buch heisst: «Sinn und Zweck der Körperschaften ist es, die materiellen Voraussetzungen für Leben und Sendung der Kirche zu schaffen.» Das ist ein reduktionistisches Verständnis der staatskirchenrechtlichen Organisationen. Ihre Mitglieder bezahlen das Haus der Kirche nicht nur, sie bauen daran mit, bringen ihre Kräfte und Fähigkeiten ein und bewohnen dieses Haus gemeinsam mit den Amtsträgern und kirchlichen Mitarbeitenden. Sie sind Teil dieses «Hauses aus lebendigen Steinen».

Das Positionspapier der RKZ

Das Positionspapier der Kommission für Staatskirchenrecht und Religionsrecht der RKZ, welches der Plenarversammlung am 27./28. Juni 2014 unterbreitet wird, definiert Wesen und Zweck der staatskirchenrechtlichen Körperschaften wie folgt:

«Es handelt sich bei den staatskirchenrechtlichen Körperschaften nicht um ‹staatliche Einrichtungen›. Vielmehr sind sie auf dem Willen der Gläubigen beruhende und mit der Zustimmung der Bischöfe geschaffene Einrichtungen, die das staatliche Recht unter der Auflage demokratischer und rechtsstaatlicher Organisation bei der Erhebung und Verwaltung der Kirchensteuern ermöglicht, um die Bedeutung der Kirchen zu anerkennen und gute administrative und materielle Voraussetzungen für das kirchliche Leben und für ihr Wirken in der Gesellschaft zu schaffen. Die Mitglieder dieser Körperschaften und ihre Organe bekunden mit ihrem finanziellen Beitrag und ihrer Mitarbeit die Bereitschaft, am Aufbau der Kirche mitzuwirken und zur Erfüllung der pastoralen Aufgaben Hilfe zu leisten. Diesen Beitrag leisten sie in einvernehmlicher Zusammenarbeit mit den Bischöfen, seinen für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich verantwortlichen Vertretern sowie den Priestern und übrigen Seelsorgenden vor Ort. Basis für diese Zusammenarbeit sind die Beachtung der jeweiligen Rechtsordnungen und die gemeinsame Orientierung am Evangelium und an der Lehre der Kirche.»

Wird dieses Selbstverständnis der Körperschaften der Erarbeitung von verbindlichen Übereinkünften mit den Diözesanbischöfen zu Grunde gelegt, müssen sie von den Beteiligten ausgehandelt werden, was Dialogbereitschaft und den Willen voraussetzt, zu einer stimmigen Balance von Rechten und Pflichten zu finden. Gewiss werden finanzielle Fragen von erheblicher Bedeutung sein. Aber der Regelungsbedarf für die Zusammenarbeit ist umfassender. Zusätzlich benennt das bereits erwähnte Positionspapier der Staatskirchenrechtskommission der RKZ folgende Fragen, die geregelt werden müssen und die z. T. auch im Vademecum und im wissenschaftlichen Bericht erwähnt sind:

a) gegenseitige Anerkennung der Partner unter Respektierung ihres je eigenen Selbstverständnisses und Auftrages und der je eigenen Rechtsgrundlagen und Rechtsordnungen;

b) grundsätzliche Verständigung über die Wege und Ziele der Zusammenarbeit – im Dienst der Kirche und im Dienst der Wahrnehmung des Auftrags der Kirche in der Welt von heute;

c) Benennung und/oder Bildung von Gremien und Verfahrensweisen, in denen sich die Zusammenarbeit und die dienende Funktion der staatskirchenrechtlichen Körperschaften konkretisieren;

d) wechselseitiger Einbezug in die je eigenen Beratungs-und Entscheidungsgremien mit Regelung des jeweiligen Status des Partners als (ständiger) Gast, Teilnehmer mit beratender Stimme oder mit Antragsrecht:

e) gegenseitige Information über Beratungen und Entscheidungen in den jeweiligen Gremien: Zeitpunkt der (Vor-)Information, Zustellung des Protokolls oder relevanter Protokollauszüge, Zustellung von Traktandenlisten und/oder Sitzungsunterlagen;

f) Gewährleistung von Transparenz in finanziellen Angelegenheiten durch öffentliche oder vertrauliche Information über Vermögensverhältnisse, Spendenerträge usw.;

g) Definition jener Entscheidungen finanzieller, gesetzgeberischer, personeller oder pastoraler Natur, zu denen der Partner angehört werden muss oder für die es gemeinsamer Entscheidungen bedarf, verbunden mit der Festlegung von Abläufen, Fristen usw.;

h) Regelung der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Einbezugs in den Kontakt mit staatlichen Behörden, mit den Leitungspersonen oder -gremien anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften und weiterer Institutionen;

i) Regelung der Zusammenarbeit oder des vorgängigen Einbezugs im Bereich von Kommunikations-und Öffentlichkeitsarbeit: Wo erfolgt diese zwingend gemeinsam, in welchen Bereichen nach Absprache, in welchen je eigenständig?

j) Umgang mit Konflikten und Meinungsverschiedenheiten: Differenzbereinigung, schiedsgerichtliche Instanzen.

k) Regelmässige Evaluation der Zusammenarbeit und Überprüfung der vereinbarten Regelungen.

Zur Grundhaltung

Zur Grundhaltung, in der diese Fragen geregelt sollen, möchte ich abschliessend einen Abschnitt aus der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils in Erinnerung rufen:

«Die Laien sollen wie alle Gläubigen das, was die geweihten Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer und Leiter in der Kirche festsetzen, in christlichem Gehorsam bereitwillig aufnehmen nach dem Beispiel Christi (…). Die geweihten Hirten aber sollen die Würde und Verantwortung der Laien in der Kirche anerkennen und fördern. Sie sollen gern deren klugen Rat benutzen, ihnen vertrauensvoll Aufgaben im Dienst der Kirche übertragen und ihnen Freiheit und Raum im Handeln lassen, ihnen auch Mut machen, aus eigener Initiative Werke in Angriff zu nehmen (…). Die gerechte Freiheit, die allen im irdischen bürgerlichen Bereich zusteht, sollen die Hirten sorgfältig anerkennen. Aus diesem vertrauten Umgang zwischen Laien und Hirten kann man viel Gutes für die Kirche erwarten. In den Laien wird so der Sinn für eigene Verantwortung gestärkt, die Bereitwilligkeit gefördert. Die Kraft der Laien verbindet sich leichter mit dem Werk der Hirten. Sie können mit Hilfe der Erfahrung der Laien in geistlichen wie in weltlichen Dingen genauer und besser urteilen. So mag die ganze Kirche, durch alle ihre Glieder gestärkt, ihre Sendung für das Leben der Welt wirksamer erfüllen» (LG 37).

 

 

Daniel Kosch

Daniel Kosch

Dr. theol. Daniel Kosch (1958) ist seit 2001 Generalsekretär der Römisch- Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz. Zuvor leitete er während rund 10 Jahren die Bibelpastorale Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Kirchenfinanzierung, Kirchenmanagement und Staatskirchenrecht.