Spirituell – Anspruchsvoll – Crossmedial

Pallottinerprovinzial Adrian Willi (links) und Christoph Klein präsentieren das neue "ferment mitten drin" © zVg

Das "Ferment" bleibt sich treu, baut um und aus. Der Name, den die Schweizer Pallottiner ihrer Zeitschrift 1959 gegeben haben, ist weniger bescheiden, als er klingt. Das in ihm implizierte Versprechen, viel zu bewirken, wurde in den vergangenen 57 Jahren durchaus eingelöst.

Nur ganz wenig Ferment braucht es, um aus Milch Käse zu machen oder aus Teig Sauerteig. Es sind nicht nur die messbaren Bewegungen, die das "ferment" in der Kirche in Gang zu bringen geholfen hat – man denke etwa ans Fastenopfer und an die Kinderhilfe Bethlehem, es sind vor allem auch unzählige Menschen, die es zum Nachdenken und zum persönlichen Handeln gebracht hat.

Sich verändern, um aktuell zu bleiben

Immer wieder veränderte sich "ferment" inhaltlich und grafisch, um in der jeweiligen Zeit eindringlich die richtigen Fragen stellen zu können. Doch die grösste Veränderung geschieht jetzt: Im Printbereich wird massiv reduziert, dafür aber der Onlinebereich zu einer Breite und Qualität ausgebaut, wie er derzeit erst selten im kirchlichen Bereich zu finden ist. So wird ab Februar 2017 auf das bislang sechs Mal jährlich erscheinende Magazin verzichtet, statt dessen zweimal jährlich ein bescheidener gestaltetes "ferment mitten drin" herausgebracht, das konsequent crossmedial aufgebaut ist und unter einem einheitlichen Leitthema auf ausgewählte eigene Videos und auf ausgewählte Beiträge aus dem Blog verweist. Diese Beiträge starten mit dem Erscheinen dieser SKZ-Nummer. Weitgehend unverändert bleiben Bildband, Weihnachts- und Ostergruss.

Neue Leute, neue Wege, alte Grundidee

Seit 1999 prägte Andreas Baumeister unverwechselbar das "ferment". Als Nachfolger bringe ich nun eine intensive Erfahrung im Bereich Video mit. Wie kein anderes Medium transportiert es Stimmungen und Glaubwürdigkeit und ist darum besonders gut für den Bereich Spiritualität geeignet. Wobei Print und Video nicht gegeneinander auszuspielen sind; die Art, Wesentliches auszudrücken, indem man es nicht tot redet, ist in beiden Medien sehr unterschiedlich: Im Printprodukt gibt der Leser selbst das Lesetempo vor und verweilt nach Belieben bei einem seltsamen Satz oder einem eindrücklichen Bild, während der Film so gut wie alles von sich her bestimmt. Ein guter, anspruchsvoller Film lässt die Betrachterin am Ende nachdenklich zurück und eröffnet ihr so eine mindestens genauso breite Fülle an Möglichkeiten, geistig hinter die Oberfläche der gerade gesehenen Dinge zu blicken.

Den zweiten Hauptpfeiler der "ferment"-Onlinearbeit stellt der Blog dar. Zweimal wöchentlich nehmen unterschiedliche Menschen die Leser mit in ungewöhnliche Situationen oder schlicht in ihren Alltag als Pallottiner oder als Familienmutter, die sie auf ungewöhnliche Art betrachten.

Spiritualität

Eine andere, bereichernde, tiefere Blickweise – das war und ist das Kernanliegen von "ferment". Kamen in den 60er-Jahren Themen wie Wohnungsnot vor, hat die Redaktion seither dem "ferment" klar das Profil eines auf Spiritualität konzentrierten Produktes gegeben. Dies nicht im Sinne abgehobener Frömmelei, sondern geerdet: schonungslos wie etwa eine Reportage über eine alte Frau, die völlig einsam in ihrer vermüllten Wohnung lebt, zum Beten wie zum Handeln gleichermassen herausfordernd und in einer ökumenisch wie auch interreligiös ausgerichteten Perspektive. Dabei werden vier Schlagworte wichtig. "Heilige Zeiten", "Heilige Orte", "Heilige Menschen", "Heilige Worte", je im Grundsinn von "heilig": nämlich "nicht profan", "mit einer Tiefendimension". Deutlicher als bisher werden darin auch Projekte der Pallottiner vorkommen – seien sie auf dem Friedberg in Gossau oder in Indien, wo der Orden sehr stark vertreten ist. Der Schweizer Pallottinerprovinzial Adrian Willi spricht beim "ferment" von einer "Spiritualität der Glaubensweitergabe". Sie bedeute ganz einfach, "den Glauben zu wecken und zu vertiefen", Der Ordensgründer Vinzenz Pallotti (1795–1850) betrachtete dies als Aufgabe aller Getauften, nicht nur der Priester, womit er wesentliche Gedanken des II. Vatikanischen Konzils weit vorwegnahm.

Teilhabe

Für das Redaktionsteam bedeutet das, dass man als Redaktion die Leserschaft nicht als Konsumenten, sondern als Mitbeteiligte betrachtet. Sie sind per Facebook, WhatsApp und über die "alten" Kommunikationswege eingeladen, die "ferment"-Produkte gleichzeitig weiterzutragen und durch kritisches Mit- Denken aktuell halten zu helfen. Die bewährte "ferment"-Tradition, auch Anlässe wie kleine Wallfahrten anzubieten, soll wiederbelebt, das Redaktionsteam "anfassbar" werden. Neue, auch kirchenferne Menschen sollen angesprochen werden, im Wissen darum, dass die existenziellen Fragen des Lebens Menschen aller Couleur beschäftigen.

Die Medienstrategie erfolgt zweigleisig: Traditionelle (vgl. die vielzitierten Sinus-Studien) versucht man mit Beiträgen auf ihrer Wellenlänge anzusprechen, die Experimentalisten auf ihre Art. Innerhalb der ersten Monate, hofft die Redaktion, bilden sich Gruppen, die mehr das eine, mehr das andere Gleis bevorzugen.

Christen sind nicht Katalysatoren

Abgesehen von den strategischen Überlegungen wird noch etwas anderes entscheidend über Erfolg und Misserfolg sein: Die Tatsache, dass ein Ferment ein Enzym ist und kein Katalysator, wie Adrian Willi es formuliert: "Auch wenn nur ganz wenig Ferment benötigt wird: Es verzehrt sich und ist am Ende des Prozesses, an dem es beteiligt ist, nicht mehr da. Das ist wichtig an unserem Glauben: Wir geben bei dem, was wir tun, unser ganzes Leben mit hinein."

Christoph Klein

Christoph Klein

Christoph Klein (1974-2022) studierte in München, Jerusalem und Luzern katholische Theologie und war durch seine kleine Filmfirma kleinfilm bekannt. Er war auch Autor der Ausstellung über Christenverfolgung des Hilfswerks Kirche in Not (ACN).